Kunstgeschichte trifft Naturkunde5 Fragen an Prof. Dr. Petra Lange-Berndt
9. Januar 2019, von Anna Priebe
Foto: Olaf Pascheit
Präparate von Tieren und Pflanzen können in Ausstellungen durch ihre Präsentation zu Kunst werden. Wie das passiert, damit beschäftigt sich Prof. Dr. Petra Lange-Berndt, die seit 2015 Professorin für Kunstgeschichte an der Universität Hamburg ist. Ihre Expertise bringt sie als eine von zwei Geisteswissenschaftlerinnen in den Wissenschaftlichen Beirat des Museums für Naturkunde in Berlin ein.
Sie setzen sich in Ihrer Forschung unter anderem mit Naturkundemuseen und Botanischen Gärten auseinander. Wie erforscht man diese Einrichtungen aus einer kunsthistorischen Perspektive?
Seit dem frühen 20. Jahrhunderts finden verstärkt Materialien und Dinge Eingang in die Künste, die aus dem Alltag oder anderen Disziplinen stammen: Blut, Pflanzen, Abfall, Luft, Sprache oder Computertechnologie. Im Mittelpunkt meiner Forschung steht die Auseinandersetzung mit Tieren, genauer gesagt mit Künstlerinnen und Künstlern, die selbst präparieren, also durch Taxidermie oder Nasspräparation Kadaver in haltbare Materialien überführen.
Kunst trifft also Wissenschaft?
Ja, aber Kunstschaffende sind eben gerade keine Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler. Sie bringen dadurch eine neue Perspektive ein, indem sie etwa Körperbilder bewusst hinterfragen, wo bei traditionellen Präparationen Geschlechterklischees reproduziert werden. Mich interessieren vor allem Verfahren und Strategien, die gängige Machtstrukturen hinterfragen.
Aber auch wissenschaftliche Präparate, etwa in Ausstellungen, sind interessant?
Viele Präparate – wie Objekte eines Herbariums, feucht präparierte Organe oder aufgestellte Tierhäute – wirken auf den ersten Blick verstaubt. Auch, weil sich heute auf Computermonitoren, Smartphones oder Fernsehern eine simulierte Welt vor unseren Augen ausbreitet. Dabei kommt den sogenannten Schausammlungen eine wichtige Rolle zu: Während hinter den Kulissen eines Botanischen Gartens oder Naturkundemuseums an aktuellen Fragestellungen geforscht wird, richten sie sich mit ihren Objekten nicht alleine an ein Fachpublikum, sondern vor allem an eine breite Öffentlichkeit.
Mit ihren Displays, Spezimen und Modellen bestehen diese Ausstellungen aus meiner Perspektive zu großen Teilen aber nicht aus Natur, sondern aus Kunstgewerbe und Design bis hin zu moderner und zeitgenössischer Kunst.
Dabei sind auch Fragen nach der Geschichte der Naturwissenschaften, nach der räumlichen Darstellung und Vermittlung von Wissen relevant. Künstlerinnen und Künstler können hier als Katalysatoren wirken und einen Dialog über das Gezeigte in Gang bringen. Ich arbeite auch als Ausstellungsmacherin und weiß daher, wie wichtig es ist, darüber zu reflektieren, wie wir zum Beispiel mit problematischen Schaustücken umgehen wollen.
Sie sind als eine von zwei Geisteswissenschaftlerinnen in den Wissenschaftlichen Beirat des Museums für Naturkunde in Berlin berufen worden. Wie bringen Sie die Expertise aus Ihrer Forschungsarbeit dort ein?
Als Beiratsmitglied versuche ich, auf die Relevanz der Sammlungsbestände für Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie Künstlerinnen und Künstler hinzuweisen und damit auf die Notwendigkeit ihrer Erhaltung.
Als ich 2005 meine Dissertation über präparierte Tiere in der Kunst eingereicht habe, hatte ich den Eindruck, dass Präparate als Material der Kunst ein wichtiges, aber auch ziemlich spezielles Gebiet sind. Mittlerweile hat sich eine äußerst lebendige Szene gebildet, die beständig wächst. Vermutlich brauchen wir bald einen Studiengang zum Kuratieren in Naturkundemuseen, denn in diesem Kontext treffen Wissenschaftsgeschichte, Kunstgeschichte, die Praxis zeitgenössischer Kunst und die entsprechenden naturwissenschaftlichen Disziplinen aufeinander.
Die Universität Hamburg verfügt ja auch über einen Botanischen Garten und zahlreiche wissenschaftliche Sammlungen. Gibt es Kooperationen?
Natürlich habe ich nach meinem Wechsel 2015 nach Hamburg mit dem Botanischen Garten sowie dem Centrum für Naturkunde Kontakt aufgenommen. Im Wintersemester 2019/2020 bin ich Fellow in der DFG-Kolleg-Forschungsgruppe 'Imaginarien der Kraft'. Auf diesem Weg kann die Diskussion sicherlich intensiviert werden.