Teatime im Marschland
5. Juni 2018, von Maria Latos
Um herauszufinden, wie sich Meeresspiegel- und Temperaturunterschiede auf den Pflanzenabbau und die Kohlenstoffspeicherung im Marschboden auswirken, vergruben Dr. Peter Müller und Dr. Stefanie Nolte weltweit mehr als tausend Teebeutel. Ihre Ergebnisse haben sie im Fachjournal „Biogeosciences“ veröffentlicht.
„Eine Tasse Tee löst alle Probleme“ lautet das Sprichwort. Doch für Dr. Peter Müller und Dr. Stefanie Nolte aus dem Fachbereich Biologie sind es weniger die Heißgetränke, die Antwort auf ihre Fragen geben – sondern die Teebeutel selbst. Mithilfe vieler kleiner Nylonsäckchen wollten die Biologinnen und Biologen herausfinden, wie viel Biomasse innerhalb von drei Monaten im Boden abgebaut und welche Menge des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) dabei freigesetzt wird. Das Ergebnis: Temperaturanstiege und ein beschleunigter Meeresspiegelanstieg könnten die Fähigkeit von Küsten-Feuchtgebieten, Kohlenstoff im Boden zu speichern, deutlich schwächen.
Teebeutel auf vier Kontinenten vergraben
1.060 Teebeutel haben dafür im Dienste der Wissenschaft eine neue Bestimmung bekommen: Statt im heißen Wasser landeten sie in der Erde von Marschland und Mangroven. Dort lebende Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze ernähren sich von abgestorbenem Pflanzenmaterial und setzen beim Abbau der Materialien Kohlenstoff frei, der in die Atmosphäre abgegeben wird. Je nach Art des Bodens verlaufen diese Prozesse unterschiedlich schnell. Wenn sie – wie beim Marschboden – langsam verlaufen, wird Kohlenstoff länger im Boden gehalten. Das macht solche Feuchtgebiete zu Hotspots der Kohlenstoffspeicherung.
Biomasse mit Standardmaß
„Um den Abbau von Biomasse in Ökosystemen zu untersuchen, werden oftmals sogenannte Litter-Bags verwendet. Das sind Beutel, die mit zuvor entnommener Biomasse befüllt sind, zum Beispiel Blattmaterial oder Wurzeln. Nichts anderes stellen Teebeutel dar“, sagt Peter Müller. „Das im Teebeutel abgefüllte Material unterliegt aber einer strikten Qualitätskontrolle und ist standardisiert. Deshalb sind sie besonders gut geeignet, um den Einfluss von Klimaparametern auf Abbauprozesse in verschiedenen Ökosystemen zu vergleichen.“
Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland unterstützten Müller und Nolte bei der Untersuchung und vergruben die Säckchen in ihren Heimatländern. So landeten Teebeutel in 30 verschiedenen Regionen Europas, Asiens, Nord- und Südamerikas in der Erde und Nolte und Müller konnten untersuchen, welchen Einfluss verschiedene Faktoren wie der Temperaturunterschied, der Meeresspiegel oder das verstärkte Eindringen von Salzwasser in Flussmündungen auf die Zersetzung haben.
Zersetzungsraten mit dem Tea Bag Index vergleichen
Für ihre Studie verwendeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an jedem Ort zwei verschiedene Sorten: Rooibos-Tee und Grün-Tee. „Die Sorten unterscheiden sich in ihrer Qualität und damit Zersetzbarkeit. Das ist wichtig, um zwei Abbauparameter zu erfassen: Zum einen die Abbaugeschwindigkeit, also den Verlust an Masse pro Tag, und den Stabilisierungsfaktor. Dieser beschreibt, wieviel von dem eingebrachten Kohlenstoff dauerhaft im Boden gespeichert wird“, sagt Dr. Stefanie Nolte, Leiterin der Arbeitsgruppe Küstenökologie. Setzt man die Abbauraten der beiden Sorten ins Verhältnis, ergibt sich daraus der sogenannte Tea Bag Index (TBI), der in den Niederlanden entwickelt wurde. Mit ihm sollen Zersetzungsraten weltweit verglichen werden.
Nach 90 Tagen gruben die Forscherinnen und Forscher die Beutel wieder aus, lösten die Blätter von den Nylonsäcken, trockneten diese und wogen sie. „Insgesamt konnten wir wenig signifikante Effekte auf die Abbaugeschwindigkeit der Biomasse feststellen. Wir fanden aber heraus, dass die Temperatur und die Überflutungsfrequenz den Stabilisierungsfaktor und damit die potenzielle Kohlenstoffspeicherung stark beeinflussen“, fasst Müller die Studienergebnisse zusammen. Zum Beispiel wurde an Standorten, die öfter geflutet wurden, 29 Prozent weniger Kohlenstoff gebunden als an weniger gefluteten Orten. Und ein Grad Celsius Temperaturunterschied führte dazu, dass etwa fünf Prozent weniger Kohlenstoff gespeichert wurde.
Die Studie liefert damit erste Hinweise darauf, dass erhöhte Temperaturen und ein Meeresspiegelanstieg die Leistungsfähigkeit von Küsten-Feuchtgebieten, Kohlenstoff im Boden zu binden, schwächt. Im Zuge des Klimawandels, so das Fazit der Studienautorinnen und -autoren, könnten größere Mengen des Klimagases in die Atmosphäre freisetzen werden als bisher.