Der Musikkonsum in Deutschland wird immer digitaler
11. Dezember 2018, von Felix Willeke
Foto: UHH/Luc
Im Schnitt hören die Menschen in Deutschland pro Tag knapp drei Stunden Musik. Eine Langzeitstudie der Uni Hamburg untersucht, welche Medien dabei am meisten genutzt werden. Die ersten Ergebnisse zeigen: Radio, Konzert oder physische Tonträger sind zwar immer noch beliebt, aber jede zweite Hörerin und jeder zweiter Hörer streamt die Musik.
„Uns hat überrascht, dass das Musikstreamen in Deutschland schon derartig verbreitet ist“, sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin Dr. Anke Lepthien vom Institut für Marketing an der Universität Hamburg. Sie untersuchte gemeinsam mit Prof. Dr. Michel Clement von der Fakultät für Betriebswirtschaft das Musiknutzungsverhalten in Deutschland. Bei der repräsentativen Umfrage unter mehr als 5000 Personen gaben 50% der Befragten an, Musik zu streamen. „Jede vierte Person erklärte zudem, dass er oder sie für das Streamen von Musik bezahlt“, so Lepthien weiter. Die Gründe für die verstärkte Nutzung von Streaming-Diensten sind dabei vielfältig: Streaming ist sofort verfügbar, und die Auswahl an Musikrichtungen und –titeln quasi unerschöpflich. Das ist ein wichtiger Faktor; 22% der Teilnehmenden könnten sich vorstellen, ihrem Streaming-Dienst zu kündigen, wenn ihre Lieblingsband dort nicht mehr verfügbar wäre.
Streaming spielt, so Lepthien weiter, vor allem bei einer jüngeren Zielgruppe eine Rolle. In der Studie werden Menschen im Alter von 16 bis 70 Jahren befragt und die Personen, die streamen, sind im Schnitt 38 Jahre alt. „Die Streamer, die auch für die Angebote bezahlen, sind mit im Schnitt 35,5 Jahren sogar noch jünger“, sagt Lepthien. Bei Streaming-Diensten kann häufig zwischen kostenlosen und kostenpflichtigen Angeboten gewählt werden. Um Werbung auszublenden ist häufig die kostenpflichtige Variante nötig, dies war früher eine größere Hürde, so Lepthien, „bei der Preisgestaltung scheinen die Anbieter ein vernünftiges Modell gefunden zu haben, da die Leute es auch akzeptieren.“
Die Rolle des Streamings insgesamt
Einen Vorteil bieten Streamingdienste für eher unbekanntere Künstlerinnen und Künstler. „Ein besonderer Wert der Streaming-Dienste sind die Empfehlungsmechanismen“, erklärt die Wirtschaftswissenschaftlerin, „hier können sich Nutzerinnen und Nutzer beispielsweise automatisierte Playlists zusammenstellen und neue Musik entdecken.“ Das spiegeln auch die Zahlen: 36% der Befragten suchen aktiv nach neuer Musik und 78% geben an, nicht nur Musik von bestimmten Künstlern zu hören, das heißt sie sind hören auch unbekanntere Künstlerinnen und Künstler.
Vom Stream aufs Konzert
Von der wachsenden Streaming-Nutzung scheint auch ein anderer Zweig der Musikindustrie zu profitieren: das Livekonzert. Der Studie zufolge nimmt die Bedeutung dieser Events zu: „Wir sind uns ziemlich sicher, dass die Menschen durch das Streaming dazu gebracht werden, auf Konzerte zu gehen, zum Beispiel durch Werbung auf den Streamingplattformen“, so Lepthien. Von den Konzertbesucherinnen und -besuchern nutzen mehr als 60% Streaming-Dienste.
Aber die Ergebnisse zeigen auch: Streaming ist trotz der wachsenden Nutzung und des Einflusses noch nicht die erste Wahl beim Konsumieren von Musik. „Wenn die Befragten in unserer Studie in den letzten sieben Tagen Musik gehört haben, war es zumeist über das Radio. Im Schnitt neun Stunden und 42 Minuten von insgesamt 21,5 Stunden. Kostenpflichtig gestreamt haben sie in diesem Zeitraum lediglich etwas mehr als zwei Stunden“, stellt Lepthien fest. Damit liegt das Streaming zwar noch deutlich hinter dem Radio aber ein Wandel ist erkennbar und die Studie enthält Hinweise darauf, dass sich dieser Wandel zukünftig weiter fortsetzen wird.
Informationen zur Studie
Im Rahmen der „Studie zur Zukunft der Musik“ werden über drei Jahre 5140 Personen im Alter von 16 bis 70 Jahren befragt. Die Befragungen finden alle sechs Monate statt – also in insgesamt sechs Wellen. Die erste Befragung wurde im August 2018 durchgeführt.
Die Studie wird unter der Leitung von Prof. Dr. Michel Clement, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing & Media am Institut für Marketing der Fakultät für Betriebswirtschaft an der Universität Hamburg, und in Kooperation mit dem Projektbüro Angewandte Sozialforschung durchgeführt.
Auftraggeber sind musikwirtschaftliche Verbände und Institutionen.