Ein Leibniz-Institut für die naturkundlichen Sammlungen?Interview mit Prof. Dr. Matthias Glaubrecht
19. September 2018, von Anna Priebe
Foto: UHH/CeNak/Reiss
Wie geht es mit den naturkundlichen Sammlungen der Universität Hamburg weiter, deren Erhalt der Wissenschaftsrat bereits mehrfach angemahnt hat? Montag gab es eine Diskussionsveranstaltung der Umweltstiftung Michael Otto. Außerdem haben der Hamburger Senat und das zuständige Ministerium des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern die Einrichtung eines neuen, gemeinsamen Leibniz-Instituts aus dem Centrum für Naturkunde (CeNak) und dem Zoologischen Forschungsmuseum Alexander König (ZFMK) in Bonn beantragt. CeNak-Direktor Prof. Dr. Matthias Glaubrecht über die aktuellen Entwicklungen.
Zehn Millionen Objekte haben die naturkundlichen Sammlungen der Universität Hamburg. Nun wurde die Aufnahme als Leibniz-Institut beantragt. Was erwarten Sie sich davon?
Wir erhoffen uns durch eine Aufnahme, unsere Forschungspotenziale besser zu erschließen. Von den anderen großen Naturkundemuseen in Deutschland sind bereits drei als Leibniz-Institutionen in der ersten Forschungsliga. Nicht nur angesichts der Größe unserer Sammlungen, sondern auch aufgrund unserer Expertise, vor allem in der Evolutions- und Biodiversitätsforschung, ist es eigentlich ein natürlicher Schritt.
Unser Vorschlag ist ein Institut für die Analyse des Biodiversitätswandels, kurz LIB genannt, das zwei Standorte haben soll. Wir wollen die evolutionsbiologische Perspektive – also lange Zeiträume in der Vergangenheit, anhand derer wir natürlichen Wandel verstehen können – um die Perspektive des Anthropozäns erweitern und schauen, was wir als Menschen der Natur antun und welche Zeiträume bzw. Wandelprozesse hier eine Rolle spielen.
Es handelt sich um eine Kooperation mit Bonn, wo es bereits ein Museum gibt. Gehen die Sammlungsbestände dann nach NRW?
Nein, ganz und gar nicht. Unsere Sammlungen bleiben Eigentum der Freien und Hansestadt und sie bleiben auch in Hamburg. Auch wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden weiterhin an der Universität tätig sein. Es ist kein Herausgehen aus der Universität, sondern eine Ergänzung durch außeruniversitäre Partner.
Wir schlagen das gemeinsame Dach einer Leibniz-Institution vor, weil wir überzeugt sind, dass mit den Sammlungen so besser geforscht werden kann. Zumal sich die Sammlungen ganz wunderbar ergänzen: Wir haben in Hamburg in unseren Sammlungen zum Beispiel einen marinebiologischen Schwerpunkt, die Bonner einen terrestrischen.
Was würde Leibniz für die Museumspläne bedeuten?
Wir haben jetzt ein innovatives Forschungskonzept formuliert und gezeigt, wie dabei die Sammlungen zusammenpassen. Leibniz ist aber – genauso wie wir und die Kollegen aus Bonn – daran interessiert, diese Forschung auch einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Deswegen ist es Konsens, dass es einen neuen Forschungsbau, also ein Museum, geben wird.
Entscheidend für die Diskussion ist, dass es bei Leibniz nicht nur eine gesicherte Finanzierung der Betriebskosten geben wird, die sich aus einem Länder- und einem Bundesanteil zusammensetzt. Vielmehr ist eine Bedingung für die Leibniz-Aufnahme, dass Hamburg klärt, wo und wie die Sammlungen und die Forschungsinstitution untergebracht sein werden, wenn es zu einer Aufnahme kommt.
Wir würden mit einem Museum einen Standort im Norden Deutschlands schaffen, dessen Alleinstellungsmerkmal der Fokus die Analyse des Biodiversitätswandels wäre. Das ist ein Zukunftsthema, das uns noch sehr lange beschäftigen wird.
Am 17. September gab es eine Diskussionsveranstaltung der Umweltstiftung Michael Otto über die Zukunft der naturkundlichen Forschung und Sammlung in Hamburg. Was war das Ergebnis?
Es war eine Veranstaltung, bei der Stakeholder und Interessierte aus der Hansestadt darüber informiert haben, wohin diese Fahrt gehen soll.
Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank hat zum Beispiel noch mal betont, dass sich der Senat sehr bewusst ist, dass der eingereichte Antrag die Finanzierung eines neuen Forschungsmuseums mit sich bringt. Prof. Matthias Kleiner, der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft hat zudem herausgestellt, dass die Gesellschaft nicht auf Einkaufstour ist. Für sie sind die Relevanz der wissenschaftlichen Fragestellung und vor allem die Qualität der Forschungsinstitution entscheidend für die Aufnahme.
Von Seiten des Staatssekretärs des Bundesumweltministeriums, Jochen Flasbarth, ist zudem betont worden, wie wichtig naturkundliche Bildung für den Naturschutz ist – und die findet eben in solchen Naturkundemuseen statt. Professor Lenzen hat in diesem Zusammenhang kurz umrissen, was in unserem ‚Evolutioneum‘ gezeigt werden soll. Wir wollen im Bereich der Naturwissenschaften das Fenster der Hamburger Wissenschaft sein. Hamburg soll in Zukunft nicht nur eine Handelsstadt sein, sondern den Handel mit Wissen auch nach außen hin darstellen.
Wie sehen die nächsten Meilensteine aus?
Es gibt zwei Schienen, die im besten Fall parallel laufen werden. Das eine ist die Leibniz-Bewerbung. Um im Januar 2021 in die Leibniz-Gemeinschaft aufgenommen werden zu können, musste bis zum 1. September der Antrag gestellt werden. Am 25. und 26. September gibt es eine Sitzung der GWK, der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder. Dort fällt die Entscheidung, ob der Antrag angenommen wird. Damit würde für uns der Aufnahmeprozess beginnen, der unter anderem mit einem Eigenbericht und zwei Begehungen durch Gutachterkommissionen im Jahr 2019 verbunden ist. 2020 fällt dann die Entscheidung über eine Aufnahme.
Zudem müssen wir uns jetzt schon Gedanken machen, wie ein Museum konkret aussehen sollte, also was wir dort zeigen wollen und wie. Dafür muss ein szenografisches Gestaltungskonzept erstellt werden, etwa durch Workshops und Besuche von anderen Museen. Bevor die Hülle gebaut wird, muss man ja wissen, was man da eigentlich zeigen will. Idealerweise können wir dann im Jahr 2021 direkt mit dem Bau beginnen.