Wie wirkt sich Fremdenhass auf Tourismus aus?Studie erforscht erstmals wirtschaftliche Auswirkungen von Ausländerfeindlichkeit auf Gästezahlen
18. September 2018, von Sarah Batelka
Foto: UHH/Batelka
Der Chemnitz-Effekt – davor fürchten sich Politik und Wirtschaft seit den rechten Krawallen in der sächsischen Stadt Anfang September. Unter anderem warnten der Hauptgeschäftsführer der IHK Chemnitz, Hans-Joachim Wunderlich, der Präsident des Deutschen Handwerks, Peter Wollseifer, und Siemens-Chef Joe Kaeser vor einem Imageschaden des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Wissenschaftliche Studien, die diese Befürchtungen untermauern, gab es bisher kaum. Nun legen Wissenschaftler der Universität Hamburg erstmals eine Arbeit über die Auswirkungen von Fremdenhass auf den Wirtschaftsfaktor Tourismus vor.
Das Ergebnis: „Fremdenfeindliche Handlungen – besonders Demonstrationen und Kundgebungen –, die sich gegen Flüchtlinge richten, senken das Wachstum der Gästezahlen signifikant“, erläutert Wirtschaftswissenschaftler Dr. Stephan Michel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Recht und Ökonomik der Universität Hamburg. „Das können wir statistisch zeigen.“ Gemeinsam mit seinem Kollegen, Ökonom Marek Endrich, verglich er Tourismusdaten aus allen 294 Landkreisen und 107 kreisfreien Städten in Deutschland mit einer Datensammlung, die Gewalt gegen Flüchtlinge dokumentierte. Der Untersuchungszeitraum reicht von 2014 bis 2017.
Die negativen Auswirkungen würden sowohl für Gäste aus Deutschland als auch aus dem Ausland gelten. Allerdings „reagieren Touristen aus dem Ausland langsamer“, erläutert Endrich. „Bei Deutschen sieht man den Effekt direkt im folgenden Quartal. Nach einer fremdenfeindlichen Demonstration kommen spürbar weniger Touristen an.“ Bei Besucherinnen und Besuchern aus dem Ausland dauere es hingegen bis zu zwei Quartale. Dr. Michel erläutert: „Als Hamburger macht man spontan einen Wochenendausflug nach Lübeck. Franzosen oder Briten überlegen sich längerfristig, ob sie nach Deutschland in Urlaub fahren.“
Warum eine solche Studie bislang nicht gemacht wurde, erklären sich Michel und Endrich mit der unübersichtlichen Datenlage. „Bislang gab es keinen einheitlichen Datensatz zu Touristenzahlen auf Kreisebene. Die Daten haben wir selbst zusammengetragen – eine sehr arbeitsintensive Aufgabe“, so Endrich. Um andere Erklärungsansätze für die schwankenden Gästezahlen ausschließen zu können, haben die beiden sogenannte fixe Effekte herausgerechnet. „Natürlich hat ein Skigebiet im Winter andere Besucherzahlen als im Herbst. Außerdem haben wir Wetterdaten und ungewöhnliche Ereignisse wie Bundes- und Landesgartenschauen oder Sportveranstaltungen berücksichtigt“, sagt Dr. Michel.
Mit ihrer Forschungsarbeit liefern die Wirtschaftswissenschaftler der Politik und den Kommunen wissenschaftliche Argumente für Präventionsarbeit. Wenn gute Integrations- und Bildungsarbeit fremdenfeindliche Übergriffe verhindere und die Touristenzahlen stabil blieben, würden langfristig Kosten gespart werden. „Gerade in Regionen, die sehr stark vom Tourismus abhängen, ist es wichtig, dass Politikerinnen und Politiker die wirtschaftlichen Konsequenzen von Fremdenfeindlichkeit kennen“, unterstreicht Dr. Michel.
Studie
Marek Endrich and Stephan Michel: The good tourist, the bad refugee and the ugly German: Xenophobic activities and tourism, No 16, ILE Working Paper Series from University of Hamburg, Institute of Law and Economics: www.econstor.eu/bitstream/10419/181998/1/ile-wp-2018-16.pdf