Dem Mikroplastik auf der Spur
16. August 2018, von Maria Latos
Foto: UHH/MIN/Latos
Es steckt im Wasser sowie im Boden. Und sogar in Tieren wurde es nachgewiesen: Mikroplastik. Doch über die winzigen Partikel ist immer noch wenig bekannt. Wie viel Mikroplastik befindet sich tatsächlich in der Natur? Wie kann man es erforschen? Fragen, auf die Dr. Elke Fischer und ihr Team der Arbeitsgruppe Geosystemanalyse an der Universität Hamburg nach Antworten suchen.
Es ist dunkel im Labor. Unter dem Fluoreszenzmikroskop: Eine Petrischale mit lila eingefärbtem Filter. Winzige Krümel sind darauf zu sehen; unscheinbar und so klein wie Chipsbrösel. Nach ein paar Klicks mit der Maustaste erscheint auf dem Computerscreen des Mikroskops plötzlich eines der Krümelstücke – leuchtend gelb und mit der Größe einer Untertasse. Es ist Mikroplastik.
„Unglaublich, wie gut man an den Rändern erkennen kann, dass es zersetzt wurde“, sagt Dr. Elke Fischer und beugt sich zum Bildschirm vor. Bilder wie dieses hat Fischer, Laborleiterin der Abteilung Physische Geographie an der Universität Hamburg, zwar schon häufig gesehen. Sie ist dennoch jedes Mal fasziniert von dem Anblick der leuchtenden Plastikpartikel unter dem Mikroskop.
Die Geowissenschaftlerin forscht seit 2011 zu Mikroplastik in Süßgewässern und Meeren. Zusammen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sucht sie nach Methoden, mit denen sich das Mikroplastik besser analysieren lässt. Ihr Ziel: Eine empirische Datenlage zu schaffen, die es erlaubt, zukünftig verlässlichere Aussagen über Mikroplastik zu machen. Denn bis heute sind viele Fragen rund um die winzigen Partikel noch offen: So ist zum Beispiel noch ungeklärt, wie viel Mikroplastik sich tatsächlich in der Umwelt befindet und wo es sich am häufigsten ansammelt.
Mikroplastik in Kosmetikprodukten
Seit vielen Jahren ist Plastikmüll Thema in der öffentlichen Debatte. Schildkröten, die sich in Fischernetzen verfangen haben, Vogelkadaver, deren Bäuche voll mit Plastikteilen sind, oder die schwimmenden Müllinseln im Meer – es sind Bilder, die in Kampagnen gegen Umweltverschmutzung immer wieder zu sehen sind.
Zunehmend drängt sich ein weiteres Thema in die Öffentlichkeit: Mikroplastik. Es sind Kunststoffpartikel, die kleiner als fünf Millimeter sind. Sie stammen aus Kosmetika wie Peelings und Zahnpasta oder lösen sich als Fasern von Fleece- und Polyesterkleidung. Die Plastikstücke können aber auch aus größeren Plastikteilen, etwa von Mülltüten oder Flaschen entstehen. Über das Abwasser und in der Natur zurückgelassenen Müll gelangen sie in Meere, Seen, Flüsse und in den Boden. Muscheln filtern die Teile aus dem Wasser, Fische nehmen sie mit Plankton auf. Sogar im Trinkwasser werden die winzigen Partikel mittlerweile nachgewiesen.
Umweltorganisationen warnen davor, dass sie die Schleimhäute und den Verdauungstrakt von Fischen verletzen und verstopfen kann. Bei Muscheln können sie in hohen Dosen zu Entzündungen führen. In wieweit Mikroplastik gefährlich für den Menschen ist, ist wissenschaftlich noch nicht geklärt.
Aufwendige Laborverfahren
Ein weiteres Problem: Anders als Mülltüten oder Plastikflaschen ist Mikroplastik meistens nicht mit dem bloßen Auge erkennbar. Expertinnen und Experten können deshalb schwer abschätzen, wie viel sich davon tatsächlich in der Natur befindet. „Außerdem hat Mikroplastik ganz unterschiedliche Farben, Formen und Größen, weshalb wir es in einer Probe oft nicht direkt bestimmen können. Manchmal ist es leicht und schwimmt im Wasser, manchmal ist es schwer und sinkt zum Grund. Einige Plastikteile verhalten sich wie ein Sandkorn, andere wie Algen“, erklärt Fischer die Problematik der Analyse.
Im Labor müssen Dr. Fischer und ihr Team deshalb zunächst in aufwendigen Verfahren Algen, Muscheln, Sand und Mikroplastik voneinander trennen. Zunächst wird das organische Material mit Wasserstoffperoxid und Natriumhypochlorit zerstört. Anschließend teilen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die restlichen Bestandteile mit einer sogenannten Elutriationssäule nach der Größe auf. In dieser sinken schwere Partikel wie Sand zum Boden, leichte Partikel wie etwa Mikroplastik schwimmen weiter oben.
Studienergebnisse sind nicht vergleichbar
Seit fünf Monaten kann die Arbeitsgruppe für die Analyse auch auf ein Raman-Spektrometer zurückgreifen. Darin wird eine Probe mit monochromatischem Licht eines Lasers bestrahlt, das beim Auftreffen streut. Jede Plastikart – sei es Polyethylenterephthalat (PET), Polypropylen (PP) oder Polyvinylchlorid (PVC) – hat eine charakteristische Streuung.
Schließlich kommt bei der Analyse der Proben auch das Fluoreszenzmikroskop zum Einsatz: Mikroplastik leuchtet hell gelb, anderes Material wie Algen dagegen orange. Etwa 90 Bilder machen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von einer einzigen Petrischale. „Für Mikroplastikforschung ist Manpower wichtiger als riesige Geräte“, sagt Fischer. „Auch, weil das Forschungsfeld noch so neu ist und es keine Standardmethoden gibt, müssen wir vieles einfach ausprobieren – man könnte sagen, wir MacGyvern viel, probieren also Neues aus. Wir tragen jeden Tag dazu bei, dass neues Wissen generiert wird.“
Derzeit gehen Fischer und ihr Team auch der Frage nach, wie effizient Substanzen – wie das Natriumhypochlorit – bei der Zerstörung des organischen Materials sind. „Uns interessiert die Frage, ob die Polymere des Plastiks sich dabei ebenfalls verändern“, sagt Fischer. „Etwa 44 verschiedene Methoden testen wir und untersuchen, welche am besten funktioniert.“ Das Ergebnis soll einen Beitrag zur Standardisierung leisten. Denn derzeit fährt jede Forschergruppe ihr eigenes Programm. Zum Beispiel werden die Wasserproben mal mit Pumpen gesammelt, mal über einen sogenannten Manta Trawl, der hinter dem Boot hergezogen wird. Ähnlich ist es auch mit den anschließenden Analysen im Labor. Die unterschiedlichen Methoden führen dazu, dass die einzelnen Studienergebnisse wenig vergleichbar und zuverlässige Aussagen schwer möglich sind. „Beim Klimawandel hat es sehr lange gedauert, bis die statistischen Werte erwiesen haben, dass es ihn gibt“, erklärt Dr. Fischer. „Und beim Mikroplastik wird es wahrscheinlich auch sehr lange dauern. Wir stehen gerade erst am Anfang der Mikroplastikforschung.“