Paläogenetikerin Dr. Anna Schulz entwickelt neue Methoden zur Untersuchung von Manuskripten
30. Juli 2018, von Felix Willeke
Foto: UHH/Schulz
Woraus bestehen Manuskripte? Das ist eine der Fragen, denen an der Universität Hamburg ein Pilotprojekt im Rahmen der Kooperation „Artefact Profiling“ nachgeht. Dabei steht die Entwicklung neuer Untersuchungsmethoden im Fokus der interdisziplinären Zusammenarbeit der Geistes- und Naturwissenschaften. Dr. Anna Schulz vom Institut für Lebensmittelchemie forscht in dem Zusammenhang pflanzenbasierten Manuskripten und testet nicht-invasive Methoden, bei denen die wertvollen Artefakte nicht zerstört werden. Im Interview erzählt sie von ihrer Arbeit.
Wie ist es zu der Kooperation von Manuskriptforschung und Lebensmittelchemie gekommen?
Die Idee dazu gab es schon länger. Die Manuskriptwissenschaftler haben bei uns angefragt, welche zusätzlichen naturwissenschaftlichen Methoden es gibt, um Schriftstücke zu untersuchen. Bisher wurden die Schriftstücke vor allem mikroskopisch analysiert, um generelle Rückschlüsse auf das Material ziehen zu können. Die von uns angewendeten Analysemethoden wurden bislang nur vereinzelt auf Manuskripte angewendet und die DNA-Analysen können beispielweise entziffern, aus welcher Palmenart genau ein Schriftstück hergestellt wurde. Letztendlich ist es egal, ob man Lebensmittel oder Schriftstücke untersucht, die Methoden sind gleich.
Für mich ist es interessant, dass ich durch die Kooperation die Ergebnisse besser interpretieren kann. Als Naturwissenschaftlerin sehe ich vor allem die Methodik, also wie DNA aus dem Material gewonnen werden kann. Die Hintergrundinformationen, um meine Ergebnisse zu interpretieren – zum Beispiel wie die Manuskripte gelagert wurden, was sich auf den DNA-Erhalt auswirkt – liefern mir dann die Manuskriptwissenschaftler. Im aktuellen Projekt untersucht das Institut für Holzwissenschaften zudem das gleiche Material mit anderen Methoden, sodass auch diese Erkenntnisse einfließen.
In Ihrem Projekt haben Sie pflanzenbasierte Schriftstücke untersucht. Welche Methoden haben Sie dazu genutzt?
Ich habe untersucht, welchen Einfluss die Herstellungsprozesse auf den DNA-Gehalt des Papiers haben, und im Anschluss die DNA selbst analysiert. Für die Untersuchungen hatte ich Rohmaterial und Material aus den verschiedenen Produktionsschritten vorliegen. Bei den einzelnen Proben habe ich das Gewicht der DNA gemessen. Die Analysen haben gezeigt: Je weiter der Produktionsprozess fortschreitet, desto weniger DNA-Masse ist im Papier enthalten.
Woran liegt das?
Für die Herstellung von gutem Papier aus Pflanzen muss man sehr viel reine Cellulose gewinnen. Dafür wird das Rohmaterial –zum Beispiel Pflanzenrinde– zunächst gekocht. Anschließend wird das Material zerstampft, um eine Pulpe – eine Art Faserbrei – zu gewinnen. Ein Teil des organischen Materials geht verloren, weil für die Gewinnung der Cellulose die beiden anderen Komponenten, Lignin und Hemicellulose, weggewaschen werden. Vermutlich ist deswegen in Papier weniger DNA enthalten als im Rohmaterial, was die Untersuchung schwieriger macht.
Sie wollten auch die Pflanzenart, aus der das Papier hergestellt wurde, identifizieren. Wie haben Sie das gemacht?
Wir haben zunächst dem Material DNA entnommen. Dabei war es wichtig, dass dies nicht-invasiv geschieht, dass also die Schriftstücke nicht zerstört werden. Dazu haben wir beispielsweise Bindemembrane benutzt; diese sind positiv geladen, werden angefeuchtet, auf das Papier gedrückt und binden die DNA. Nach dem Wiegen der DNA, habe ich sogenannte PCR-Amplifikationen durchgeführt. Dabei wird auf einen spezifischen Abschnitt der DNA geschaut, der Informationen über die Pflanze, aus der das Papier hergestellt wurde, enthält. Um diese Informationen auslesen zu können, muss dieser meist sehr kleine Abschnitt vervielfacht werden. Wenn die kopierte DNA ausgelesen wurde, kann sie mit einer Datenbank abgeglichen werden. Im Idealfall gibt es bereits veröffentlichte DNA-Sequenzen, mit denen die untersuchte DNA verglichen werden kann. Wenn nicht, dann müssen, wie zum Teil auch bei dieser Studie, selbst Referenzen hergestellt werden. Dafür wird die DNA aus möglichst unbearbeitetem Material- etwa aus Rinde oder aus einem Blatt- untersucht. Wichtig ist dabei, dass die Pflanze genau bestimmt wurde und dass das Material frei von Verunreinigungen ist, so dass die gewonnene DNA auch wirklich der Pflanzensorte gehört.
Welche Erkenntnisse haben Sie mit Ihrer Forschung gewonnen?
Eine Erkenntnis ist, dass Palmblattmanuskripte ein sehr guter Speicher für DNA sind, da sie quasi unbearbeitet sind. Das konkret untersuchte Manuskript stammt aus dem 18. Jahrhundert und der DNA-Gehalt war sehr hoch. Die zweite Erkenntnis ist, dass Manuskripte nicht vergessen: Insbesondere bei Papier, das stark verarbeitet ist, muss die Methode zur DNA-Entnahme verbessert werden.
Im Fokus steht aber vor allem noch die Methodik: Ich habe verschiedene nicht-invasive Methoden angewendet, um DNA ohne visuellen Schaden aus dem Papier herauszubekommen. Mit handelsüblichen Radiergummis hat das beispielsweise nicht funktioniert, da Papier dafür zu zerbrechlich ist. Diese Methode eignet sich eher für Pergament – also nicht gegerbte und nur leicht bearbeitete Tierhaut –, da dieses stabiler ist. Bei Papier hat sich dagegen die erwähnte Methode mit der Bindemembran als sehr gut erwiesen.
Wie wird die Forschung nun fortgesetzt?
Wir müssen die Datengrundlage noch weiter vergrößern und dafür noch mehr Material analysieren. Dazu zählen Papiere, die aus unterschiedlichen Pflanzen hergestellt wurden, und auch unterschiedlich dick sind. Außerdem wollen wir noch weitere Methoden zur DNA-Analyse ausprobieren, zum Beispiel, ob Spurensicherungsfolien aus der Forensik auch bei Papier funktionieren oder ob das Papier dann auseinanderfällt.
Im Moment arbeite ich konkret mit einer Manuskriptforscherin an einem methodischen Vergleich zu Pflanzen aus Tibet. Meine Kooperationspartnerin macht dabei die mikroskopischen Analysen und ich untersuche die DNA. Wir wollen herausarbeiten, welche Methoden zur Analyse angewendet werden können und welche Vor- und Nachteile sie haben.
Weitergehende Informationen
Artefact Profiling ist eine Kooperation der Universität Hamburg mit der Technischen Universität Hamburg (TUHH) und dem Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY. Diese Kooperation soll die Identität, Herkunft und Geschichte schriftlicher Artefakte auch anhand ihrer chemischen Profile entschlüsseln. Damit soll die, ursprünglich in den Geisteswissenschaften angesiedelte, Manuskriptforschung interdisziplinärer werden. Es wird eine Brücke zwischen den Geistes- und Naturwissenschaften und der Technik geschlagen.
Nähere Informationen unter: http://artefact-profiling.org