Neues ErdzeitalterCeNak-Wissenschaftler schlägt Schnecke als Leitfossil für das Anthropozän vor
26. Juli 2018, von Anna Priebe
![Haus einer Großen Achatschnecke](https://assets.rrz.uni-hamburg.de/instance_assets/uni/9360388/anthropozaen-leitfossil-733x414-a08a163fc7319390739d36cc2386206f48073457.jpg)
Foto: UHH/Hausdorf
Im 20. Jahrhundert hat der Einfluss des Menschen auf die Umwelt zu langfristigen und unumkehrbaren Veränderungen geführt. Daher haben Geologinnen und Geologen vorgeschlagen, ein neues Erdzeitalter abzugrenzen: das Anthropozän – das Zeitalter des Menschen. Doch wie können Ablagerungen aus dieser Epoche identifiziert werden? Prof. Dr. Bernhard Hausdorf, Leiter der Abteilung Malakologie des Centrums für Naturkunde der Universität Hamburg, hat im Fachmagazin „Anthropocene“ die Große Achatschnecke (Lissachatina fulica) als Leitfossil vorgeschlagen.
Es geht um das Menschenzeitalter. Warum eignet sich gerade die Große Achatschnecke als Leitfossil?
Ein Leitfossil muss unterschiedliche Eigenschaften haben: Es muss charakteristisch sein für den Zeithorizont, um den es geht, und es sollte weit verbreitet sein, sodass es in einem möglichst großen geografischen Bereich zu finden ist.
Das Verbreitungsgebiet der Achatschnecke war früher sehr beschränkt, sie kam nur in den Küstenregionen Ostafrikas vor. Erst durch menschliche Verschleppung, etwa ab 1800, hat sich das Tier stark ausgebreitet – bis nach Indien und Südostasien. In der Zeit des 2. Weltkrieges hat sich das noch erheblich beschleunigt, weil die Japaner die Schnecke als Nahrungsressource verwendet und sie auf viele pazifische Inseln gebracht haben. Später ist sie auch noch nach Amerika gekommen und hat sich in Afrika weiter verbreitet.
Einerseits hat der Mensch hier als Vehikel für die Verbreitung fungiert, aber andererseits hat er auch die Umwelt so verändert, dass die Art sich etablieren konnte. In natürliche Wälder dringt sie normalerweise nicht vor; sie ist aber hervorragend angepasst an vom Menschen veränderte Landschaften, also an landwirtschaftliche Nutzflächen. Insofern ist sie ein Indikator für die menschlichen Veränderungen, die das Anthropozän charakterisieren.
Wie werden Leitfossilien überhaupt festgelegt?
Im Moment ist die Frage des Anthropozäns noch in der Diskussion. Es gibt eine Kommission, die eingesetzt wurde von internationalen Fachgesellschaften, die sich mit Stratigrafie – also der Gliederung der Erdgeschichte – beschäftigen. Es wird erwogen, das Anthropozän als eigene Zeitepoche anzuerkennen, aber noch ist das nicht erfolgt.
Wenn sie anerkannt wird, muss ein sogenannter „Global Stratotype Section and Point“ festgelegt werden – ein geologischer Aufschluss mit Sedimenten, der als Referenz für die Grenze des Anthropozäns dient. Danach kann man sich Gedanken machen, welche der vorgeschlagenen Anzeiger oder welche Kombinationen von Anzeigern am geeignetsten sind, anthropozäne Ablagerungen als solche zu erkennen.
Welche anderen möglichen Anzeiger werden diskutiert?
Es gibt schon etliche Vorschläge; das müssen nicht unbedingt tierische Überreste sein, sondern auch menschliche Hinterlassenschaften sind im Gespräch, beispielsweise Plastik. Plastik ist weit verbreitet und ein sehr guter Anzeiger für das Anthropozän.
Aber mit Plastik ist es ganz ähnlich wie mit der Achatschnecke: Auch Plastik tritt nicht überall auf der Welt in gleichem Maße auf. Es gibt heute noch große Bereiche in den Tropen und in den gemäßigten Regionen, wo kein Plastik vorhanden ist. Achatschnecken treten ebenfalls vor allem dort auf, wo es menschliche Veränderungen gibt, und sind dazu noch auf einen bestimmten Klimabereich angewiesen. Inmitten des übrig gebliebenen Kongo-Regenwaldes werden Sie sie genauso wenig finden wie Plastik.
Ein weiterer Vorschlag sind radioaktive Nukleotide in Sedimenten, die es erst seit den Kernwaffentests Mitte der 1950er-Jahre gibt. Aber um diese zu detektieren, ist man auf relativ aufwendige Analysen angewiesen.
Und die Schnecke ist besser zu finden?!
Die Schnecke wird im Extremfall bis zu 17 Zentimeter groß, meistens ist sie allerdings kleiner – so um die zehn Zentimeter. Zudem ist ihre Schale so fest, dass eine gute Möglichkeit besteht, Fragmente oder ganze Schalen in den Ablagerungen zu finden.
Bei der Art ist es außerdem so, dass es – sobald sie in ein neues Gebiet eingeschleppt wird – zu einem starken Wachstum der Population kommt. In der Gegend sind dann besonders viele Schalen vorhanden. Letzten Endes bin ich so auch auf die Idee gekommen: Ich war auf Java und habe dort Schnecken gesammelt. Und was man immer findet, sind die Schalen der Achatschnecke – obwohl sie dort keine einheimische Art ist, sondern Anfang des letzten Jahrhunderts eingeschleppt wurde.
Man muss allerdings sagen, dass sie eben nicht alle Kriterien ideal erfüllt, denn sie ist klimatisch beschränkt auf die Tropen und Subtropen.
Sie forschen zu Schnecken und Weichtieren. Welche Auswirkungen des Anthropozäns beobachten Sie bei diesen Tieren?
Es gibt wenige Arten, die vom Anthropozän tatsächlich profitieren – und zwar die, die an Kulturlandschaften angepasst sind. Die meisten Arten sind allerdings an natürliche Lebensräume wie Regenwälder angepasst. In dem Moment, wo ich einen Regenwald in eine Kulturlandschaft verwandele, gewinnt die Achatschnecke an Gebiet, aber die einheimischen Arten verschwinden. Das sind oft Arten, die nur in kleinen Gebieten vorkommen und sehr rasch ausgerottet werden können. Mehr als ein Drittel der Tierarten, von denen bekannt ist, dass sie ausgestorben sind, gehört zu den Mollusken, den Weichtieren. Da der Kenntnisstand bei den Weichtieren viel schlechter ist als beispielsweise bei den Wirbeltieren, muss man annehmen, dass in Wirklichkeit noch wesentlich mehr Weichtierarten ausgestorben sind, als bisher bekannt ist.
Zum Artikel
„The giant African snail Lissachatina fulica as potential index fossil for the Anthropocene.”