Wie wird das Wetter bis 2028? Trefferquote bei 10-Jahres-Vorhersagen verbessert
3. Juli 2018, von Stephanie Janssen
Foto: CC3.0 B.Abis, MPI-M
Leonard Borchert möchte Wetterprognosen für die nächsten zehn Jahre zuverlässiger machen. Dazu betrachtet er den Nordatlantik, der das Wetter in Europa stark beeinflusst. Borcherts Ergebnisse wurden jetzt im Fachmagazin Journal of Climate veröffentlicht. Er ist Doktorand am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) und erklärt unter anderem, warum extreme Wetterlagen gut für die Prognosen sind.
Sie arbeiten mit Klimarechenmodellen, dem Handwerkszeug aller Klimaforscherinnen und ‑forscher, um Prognosen für die Zukunft zu erstellen. Wie würden Sie ein Klimamodell in drei Worten charakterisieren?
Spielplatz – groß – komplex. Ich kann mit den Naturgesetzen spielen, ohne Schaden anzurichten, und daraus etwas lernen.
Wer braucht Vorhersagen für die nächsten zehn Jahre?
Sie sind für Politik und Landwirtschaft, aber auch Versicherer hoch relevant. Es könnte zum Beispiel weniger regnen als im Durchschnitt und eine Dürre drohen. Oder das Risiko für Hurrikane steigt.
Bisher sind langfristige Vorhersagen schwierig. Warum?
Die 10-Jahres-Prognosen nennen wir auch dekadische Vorhersagen. Sie sitzen genau zwischen den Wettervorhersagen und den Klimaprojektionen. Beide erfordern eine ganz unterschiedliche Herangehensweise. Für eine gute Wettervorhersage ist wichtig, genau zu wissen, wie das Wetter jetzt ist. Zusammen mit Größen wie der Windrichtung kann dann das Wetter für bis zu fünf Tage vorhergesagt werden – mehr geht kaum.
Ganz anders die Klimavorhersagen…
Ja, hier sind Zeiträume ab 30 Jahren interessant. Die physikalischen Abläufe werden also auf sehr großen Zeitskalen in die Klimarechenmodelle eingebunden. Wie hoch ist der Anteil von Treibhausgasen in der Atmosphäre? Wie entwickeln sich Land- und Meereis?
Für eine 10-Jahres-Prognose muss ich jetzt die beiden unterschiedlichen Ansätze verbinden. Technisch ist das bereits möglich. Aber das Problem sind die Ergebnisse, die Vorhersagen treffen nicht besonders gut.
Wie kontrolliere ich, wie gut die Vorhersage ist?
Wir testen die Vorhersagemodelle mit „Rückhersagen“. Dazu lassen wir das Rechenmodell mehrfach Zeitspannen in der Vergangenheit vorhersagen. Von denen wissen wir ja schon, wie das Wetter gewesen ist. Anschließend vergleichen wir, wie gut die Prognosen mit den tatsächlich gemessenen Werten übereinstimmen. Daraus errechnen wir eine Art Qualitätsindex. Der liegt zurzeit für 10-Jahres-Prognosen bei 0,5 bis 0,6. Das ist nur ein wenig besser als zu raten. Eine 1 wäre perfekt. Mein neuer Wert liegt bei 0,8 – das ist beinahe sensationell.
Wie haben Sie das geschafft?
Das Problem liegt im Qualitätsindex. Er setzt sich aus vielen Komponenten wie Wassertemperatur, Lufttemperatur und Luftströmungen zusammen. Aus allen zusammen berechnet er die Güte der Vorhersage. Doch die Wirkung der einzelnen Faktoren könnte sich zum Beispiel auch gegenseitig aufheben.
Ich habe den Index auseinandergenommen und nur einen Faktor betrachtet, den Wärmetransport im Nordatlantik. Das Wetter in Europa wird nämlich entscheidend durch den Golfstrom beeinflusst, der hier warmes Wasser Richtung Norden transportiert. Und siehe da, dieser Faktor bestimmt auch deutlich die Qualität der Vorhersagen.
Wie beeinflusst der Wärmetransport die Vorhersagen?
Meine Berechnungen zeigen, dass nur gute Vorhersagen gemacht werden können, wenn der Ozean zu Beginn der Prognose entweder besonders viel oder besonders wenig Wärme transportiert. Hat das Wasser durchschnittliche Temperaturen, trifft die Vorhersage schlecht. Das gleiche gilt für die transportierte Wassermenge. Ist sie besonders groß oder besonders klein, wird die Vorhersage gut, bei Mittelwerten eher schlecht.
Extreme sind also gut für die Prognose. Kann ich in den Jahren mit durchschnittlichen Werten dann gar keine gute Vorhersage machen?
Genau. Entweder sind die Modelle dafür noch nicht gut genug oder das Klima weiß sozusagen selbst noch nicht so genau, wohin es sich bei den mittleren Zuständen entwickeln wird.
Wie genau können Sie jetzt etwas vorhersagen?
Eine Vorhersage könnte beispielweise so lauten: Das Risiko, dass in acht bis zehn Jahren ein Hurrikan nach Nordeuropa kommt, ist deutlich erhöht. Aber ich kann nicht sagen: Im April 2026 kommt ein Hurrikan nach Niedersachsen.
Was passiert mit Ihren Erkenntnissen?
Sie regen hoffentlich dazu an, die aktuelle Praxis in der Wissenschaft zu überdenken. Dies ist ja nur ein erstes Beispiel für den Nordatlantik. Man könnte den Wärmetransport in anderen Regionen betrachten, zum Beispiel für das wiederkehrende Klimaphänomen El Niño. Genauere Prognosen wären hier weltweit von Interesse.
Link zum Fachartikel: https://journals.ametsoc.org/doi/10.1175/JCLI-D-17-0734.1
Weitere Infos
Leonard Borchert hat an der School of Integrated System Sciences (SICSS) des Exzellenzclusters für Klimaforschung CliSAP sein Masterstudium abgeschlossen. Zurzeit ist er Stipendiat an der IMPRS (International Max Planck Research School) und promoviert an der Universität Hamburg.
Mehr Infos zu Klima- und Erdsystemforschung:
Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN)
Exzellenzcluster für Klimaforschung CliSAP
Graduiertenschule SICSS: School of Integrated Climate System Sciences