Forschungspreis zur Nachhaltigkeit geht doppelt an die Universität Hamburg
14. Juni 2018, von Felix Willeke
Foto: Jörg Farys / BUND
Der Umweltökonom Jun.-Prof. Dr. Moritz Drupp und der Pflanzenökologe Dr. Peter Müller haben den Forschungspreis zur Nachhaltigkeit des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erhalten. Ausgezeichnet wurden sie für ihre Dissertationsarbeiten. Drupp beschäftigte sich mit Nachhaltigkeitsbewertung und dem Verhältnis von Ungleichheit und Umweltschutz. Müller erforschte Küstenökosysteme und deren Fähigkeit, CO2 zu binden. Welche Schlüsse die beiden Wissenschaftler gezogen haben und was ihre Forschung in Zukunft bewirken kann, haben sie uns in einem Interview verraten.
Herr Drupp, Sie leiten zwei von über 400 Forschungsprojekten zum Thema Nachhaltigkeit an der Universität Hamburg und sind somit doppelt auf der interaktiven Forschungslandkarte vertreten. Eines Ihrer Projekte beschäftigt sich mit dem Thema „Ökonomische Ungleichheit, Umweltbewertung und Umweltpolitik“. Hierzu trägt auch ein Teil Ihrer Dissertation bei. Können Sie uns erläutern, was Sie genau erforscht haben und zu welchen Ergebnissen Sie gekommen sind?
Drupp: Ich bin unter anderem der Frage nachgegangen, ob Umweltschutz und Verteilungsgerechtigkeit in Konflikt miteinander stehen. Beispielsweise habe ich untersucht, wie Einkommensungleichheit den ökonomischen Wert der natürlichen Umwelt beeinflusst. Meine Arbeit zeigt, dass gerade aus einer Gerechtigkeitsperspektive ein ambitionierterer Umwelt-, und Klimaschutz betrieben werden sollte.
Wieso ist eine geringere Einkommensungleichheit gut für die Natur?
Drupp: Beim Thema Ungleichheit und Umweltschutz kommt es darauf an, wie die Kosten und die positiven Auswirkungen des Umweltschutzes verteilt sind. Meine Arbeit widmet sich den positiven Auswirkungen. Wir müssen den Wert von Umweltschutz aber erst beziffern, da die Natur kein herkömmliches Preisschild trägt. Die Ergebnisse von fast allen bisherigen Umweltbewertungsstudien deuten darauf hin, dass ärmere Haushalte der Natur zwar einen absolut gesehen geringeren Wert beimessen als reichere Haushalte, dass sie Natur aber relativ zum Einkommen höher bewerten. Meine Dissertation zeigt nun, dass sich gesamtgesellschaftlich eine höhere Wertschätzung für Natur ergibt, wenn wir in „Robin-Hood-Manier“ Einkommen von Reich zu Arm umverteilen. Eine geringere Einkommensungleichheit sollte somit zu mehr Umwelt- und Naturschutz führen.
Welche Schlüsse können aus Ihren Forschungsergebnissen gezogen werden?
Drupp: Mit den Ergebnissen meiner Forschung können Bewertungsrichtlinien für öffentliche Projekte, wie zum Beispiel die Elbvertiefung, weiterentwickelt werden. Dementsprechend habe ich konkrete Vorschläge gemacht, etwa zur Analyse der Veränderung der relativen Knappheit von Natur, die zum Teil schon aufgegriffen wurden. So wird nun in den Niederlanden empfohlen, langfristige Umweltverbesserungen höher zu bewerten, da die Natur als begrenzt austauschbar angesehen wird. Insgesamt sollten Projekte im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung anders bewertet und zukünftig verstärkt umgesetzt werden.
Herr Müller, zu welchem Thema haben Sie in Ihrer Dissertation geforscht?
Müller: Ich habe mich damit befasst, wie Küstenökosysteme, insbesondere Salzwiesen, durch Kohlenstoff-Speicherung, also der dauerhaften Bindung von CO2 aus der Atmosphäre, substanziell zum Klimaschutz beitragen Im Fokus standen dabei unterschiedliche Einflüsse des globalen Wandels, wie Meeresspiegelanstieg, Landnutzung und Ausbreitung invasiver – also nicht heimischer – Pflanzenarten.
Warum können die Salzwiesen so viel Kohlenstoff speichern?
Müller: Aus drei Gründen: Zum einen ist ihre Vegetation extrem produktiv und bindet damit so viel Kohlenstoff wie beispielsweise tropische Regenwälder, zum anderen ist der Abbau des gebundenen Kohlenstoffs durch die nassen und sauerstofffreien Bedingungen des Bodens gehemmt. Zudem wird zusätzlich Kohlenstoff durch Überflutung aus angrenzenden, marinen Ökosystemen eingebracht.
Was würde ein klimawandelbedingter Anstieg des Meeresspiegels für die untersuchten Kohlenstoffspeicher bedeuten?
Müller: Solange die Salzwiesen mit dem beschleunigten Meeresspiegelanstieg mithalten können, steigert der Meeresspiegelanstieg sogar die Kapazität zur Kohlenstoff-Speicherung. Unsere Wattenmeer-Salzwiesen wachsen tatsächlich schnell genug mit dem prognostizierten Anstieg mit; das ist aber anderswo in der Welt keineswegs der Fall.
Was kann mit den Erkenntnissen aus Ihrer Forschung praktisch umgesetzt werden?
Müller: Meine Forschung hilft, Vorhersagen zur zukünftigen Kohlenstoff-Speicherung in Küstenökosystemen zu erstellen und weist auf Faktoren des globalen Wandels hin, die diese Ökosystemleistung bedrohen. Dazu gehören insbesondere die Überdüngung der Küstengewässer, der Anstieg des Meeresspiegels und die Klimaerwärmung.
Weitere Informationen
Die Auszeichnungen wurden im Rahmen eines Festaktes am 6. Juni 2018 in Berlin überreicht. Die Preise sind mit jeweils 1.500 Euro dotiert.
Peter Müller, „Global Change and Land Use Effects on Carbon Turnover in Tidal Wetlands“ (Einfluss des Globalen Wandels auf den Kohlenstoffumsatz in Tidebeeinflussten Feuchtgebieten, Hamburg 2017; PDF-Download
Moritz Drupp, „Essays in Sustainability Economics: Economic Distribution and Valuation, Environmental Scarcity, and Ethical Behavior“ (Aufsätze in Nachhaltigkeitsökonomie: Ökonomische Verteilung und Bewertung, Umweltknappheit, und ethisches Verhalten), Kiel 2017; PDF-Download