Neue Spinnenart nach Bob Marley benanntSpinnenforscher Dr. Danilo Harms im Interview
26. Januar 2018, von Daniel Meßner
Die „Desis bobmarleyi“ ist eine neue Spinnenart, die in Australien auf Korallen entdeckt wurde. In „Evolutionary Systematics“, dem Wissenschaftsjournal des Centrums für Naturkunde (CeNak), wurde die Spinne jetzt erstmals beschrieben. Wir haben beim Spinnenforscher Dr. Danilo Harms nachgefragt, warum die Spinne nach dem legendären Reggae-Sänger benannt wurde.
Was ist das Besondere an der neu entdeckten Spinnenart?
Die Lebensweise, denn das ist eine der wenigen Spinnenarten, die im Meer vorkommt. Die Tiere leben in der Brandungszone, auf Korallen oder Steinen. Während der Flut verstecken sie sich unter einem selbstgewebten, kleinen Haubennetz wie unter einer Taucherglocke und können so auch lange Phasen der Überflutung überstehen. Bei Ebbe begeben sich die Spinnen dann auf den Korallen auf Nahrungssuche. Das ist ziemlich einmalig, denn normalerweise sind Spinnen rein terrestrische Tiere.
Die Art ist nach Bob Marley benannt. Wie kam es dazu?
Meine Kollegin Barbara Baehr, die die Spinnen in Australien gesammelt hat, und ich, mögen beide Reggae. Ich höre Reggae oft bei der Arbeit, und als der Song „High Tide Low Tide“ (deutsch: Flut oder Ebbe) lief, dachte ich: Das passt perfekt zum Lebensstil der Spinne. Es ist also keine Namensgebung aufgrund einer äußeren Ähnlichkeit – obwohl die Spinne ziemlich haarig ist. Zudem kommt die Spinne in Queensland vor, wo es viel Sonne und Strand gibt. Das passt perfekt zu Reggae und Bob Marley.
Wer bestimmt eigentlich die Namen einer neuen Art?
Wir können selbst einen Namen proklamieren. Er muss nur mit dem „International Code of Zoological Nomenclature“ übereinstimmen. In diesem Regelwerk wird definiert, wie Arten beschrieben werden müssen. Eine Voraussetzung ist zum Beispiel, dass die Arbeit in einem wissenschaftlichen Journal publiziert wird, das mehrere Male aufgelegt wird und auch gedruckt vorliegt. Die Namensgebung unterliegt außerdem einigen formalen Kriterien, etwa muss der Name latinisiert werden.
Werden häufig neue Spinnenarten entdeckt?
Das kommt darauf an. Die Chance, in Mitteleuropa eine neue Spinnenart zu entdecken, ist eher gering. Das liegt daran, dass die Diversität der Spinnen hier geringer und der Bearbeitungsstand schon sehr gut ist. In den Tropen sind hingegen in einigen Gebieten 30 bis 50 Prozent aller Arten noch nicht beschrieben. Ich war erst neulich in Westafrika unterwegs und da finden Sie sehr viele unbekannte Arten.
Ein Problem der Biodiversitätsforschung ist: Wir leben in einer Zeit, in der wir Lebensräume in großem Umfang verlieren. Und wir verlieren diese Arten, bevor wir sie kennen. Daher beschreiben wir neue Arten nicht nur morphologisch, sondern wir entnehmen auch Gewebeproben und speichern die DNA in einer Biodiversitätsdatenbank für die Zukunft.
Ist Desis bobmarleyi denn gefährdet?
Wir wissen nicht genau, wie weit die Spinne verbreitet ist. Wir gehen davon aus, dass sie an der ganzen tropischen Ostküste des Kontinents vorkommt. Klar ist: Sie lebt auf Korallen und wir erleben – auch durch den Klimawandel – gerade ein großes Korallensterben. Es gibt keine Untersuchung, ob es eine Auswirkung auf die Spinnenpopulation gibt, aber ich würde im Moment nicht davon ausgehen, dass es sich um eine gefährdete Art handelt.
Neues Wissenschaftsjournal: „Evolutionary Systematics“
Das CeNak gibt mit dem „Evolutionary Systematics” ein neues Wissenschaftsjournal heraus. Das Journal knüpft an die Geschichte der traditionsreichen „Mitteilungen aus dem Hamburgischen Zoologischen Museum und Institut” und der „Entomologischen Mitteilungen aus dem Zoologischen Museum Hamburg“ an. Inhaltlich konzentrieren sich die Artikel auf Taxonomie – also die Benennung von neuen Arten – Biosystematik, Evolution und Morphologie und haben in der Regel einen Bezug zu den wissenschaftlichen Sammlungen.
Link zum Journal: https://evolsyst.pensoft.net/
Link zum Artikel: https://evolsyst.pensoft.net/article/15735/