Professur „Ethik in der Informationstechnologie“Chancen und Risiken von „Big Data“
23. November 2017, von Maike Nicolai
Foto: UHH/Nicolai
In ihrer neuen Arbeitsgruppe im Fachbereich Informatik der Universität Hamburg führt Prof. Dr. Judith Simon Perspektiven aus Philosophie, Politikwissenschaften, Informatik sowie Wissenschafts- und Technikforschung zusammen. Das interdisziplinäre Team erforscht Chancen und Risiken rund um „Big Data“ und hilft so, den digitalen Wandel zu gestalten. Im Rahmen der Konferenz „Hamburger Horizonte“ spricht Prof. Dr. Judith Simon am 24. November über „Dystopien des Digitalen“.
Social Media, Cloud-Dienste oder frei verfügbare Kollaborations-Software ist inzwischen allgegenwärtig. Prof. Dr. Judith Simon hat keine Scheu vor der Nutzung dieser Dienste. „Ich bin eine pragmatische Nutzerin“, erklärt die Philosophin, die seit Februar 2017 eine Professur für „Ethik in der Informationstechnologie“ am Fachbereich Informatik der Universität Hamburg innehat.
„An mir selbst kann ich sehr gut beobachten, weshalb Menschen Online-Services nutzen: Es ist bequem und erleichtert die Teilhabe. Allerdings ist für fast jeden schwer zu durchschauen, welche Informationen diese Dienste über sie speichern und was mit den gespeicherten Daten geschieht. Natürlich kann ich mich entscheiden, bestimmte Services nicht zu verwenden, meine Datenspuren zu verschleiern oder meine E-Mails zu verschlüsseln. Allerdings benötige ich hierfür Wissen und Zeit. Weniger Daten preiszugeben kann zudem Kosten verursachen. Neben finanziellen Kosten sind dies vor allem soziale Kosten, zum Beispiel durch den Ausschluss von bestimmten Kommunikationskanälen oder kognitive Kosten, etwa durch einen höheren Arbeitsaufwand.“
Disziplinübergreifende Zusammenarbeit
In ihrer neuen Arbeitsgruppe vereint Simon Forschungsansätze aus Philosophie, Politikwissenschaften, Informatik sowie Wissenschafts- und Technikforschung. Ein Schwerpunkt der Arbeitsgruppe ist die Analyse zeitgenössischer Datenpraktiken in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, welche unter dem Stichwort „Big Data“ derzeit sowohl große Hoffnungen als auch große Ängste auslösen.
Ethische und politische Fragen
Disziplinübergreifend betrachten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diverse erkenntnistheoretische, ethische und politische Fragen: Welche Art von Wissen wird durch Big-Data-Analysen generiert? Welche Konsequenzen kann das Geschäft mit den Online-Daten für Einzelpersonen und die Gesellschaft haben? Sollen persönliche Informationen demjenigen gehören, der sie preisgibt oder demjenigen, der sie sammelt und speichert? Wer ist Kunde und wer ist Käufer in einer Welt, in der Daten bares Geld wert sein können? Wird Privatsphäre zum Luxusgut? Spaltet sich die Gesellschaft in diejenigen, die ihre Daten vor dem Zugriff schützen können und diejenigen, denen dies nicht möglich ist?
Bildung und Regulierung
„Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen ist es im Grunde nicht möglich, als Einzelperson souverän zu agieren“, so Prof. Dr. Simon. „Wissen um Datenpraktiken und deren Folgen ist sicherlich nötig. Allerdings darf die Lösung nicht darin liegen, die Bürgerinnen und Bürger lediglich zu informieren. Wie in anderen Lebensbereichen hat der Staat hier eine Schutzpflicht. Deswegen bedarf es im Kontext von Big Data auch rechtlicher Regulierung. Die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung, die im Mai 2018 in Kraft tritt, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“
Andererseits seien aber auch kartellrechtliche Regulierungen wichtig, um Monopole zu verhindern, die dem Wettbewerb und somit auch den Nutzerinnen und Nutzern schaden. Weiter könne es sinnvoll sein, Daten- oder Privatsphäre-Schutz direkt in Technologien einzuschreiben. Selbstverpflichtungen von Unternehmen, etwa in Bezug auf Datensparsamkeit, können zudem flankierend wirken, seien aber keine alleinige Lösung, sagt Simon.
Den Wandel mitgestalten
Die neue Professur im Fachbereich Informatik hilft, das Themenfeld zu ordnen, Begriffe zu klären – und für eine fundierte Entwicklung zu sorgen. „Durch meine Lehre möchte ich die Studierenden ermutigen, über ihre Gestaltungsmacht als Informatikerinnen und Informatiker zu reflektieren und durch ihr Handeln die Gesellschaft zum Besseren zu verändern“, erklärt Prof. Dr. Judith Simon. Jenseits von Wissenschaft und Bildung ist den Forscherinnen und Forschern der Arbeitsgruppe auch der Dialog mit Wirtschaft, Politik und der breiteren Öffentlichkeit wichtig. Durch Vorträge, Diskussionsbeiträge und Politikberatung möchten sie zu einer breiteren Reflexion über das Verhältnis von Technologien, Werten und Gesellschaft beitragen.
Hamburger Horizonte
Konferenz „Hamburger Horizonte“ am 23. und 24. November 2017, Panel IV, 24. November, 13:45 Uhr: „Dystopien des Digitalen“ mit Prof. Dr. Judith Simon (Universität Hamburg), Frank Rieger (Chaos Computer Club), Prof. Dr. Gary S. Schaal (Helmut-Schmidt-Universität), Moderation: Dr. Christoph Kucklick (GEO). Die Veranstaltung kann auch in einem Video-Livestream verfolgt werden.
Weitere Informationen: http://www.hamburger-horizonte.de