Humanitäre Krisen managen:Prof. Dr. Daniel Geiger forscht zur Koordination von Krisensituationen in Uganda
4. Oktober 2017, von Geiger/Red.
Foto: UHH/Geiger
Wie können Organisationen humanitäre Krisen managen? Und wie können dabei zahlreiche unterschiedliche Organisationen koordiniert werden? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hamburg forschen zur Koordination in und von Krisensituationen und arbeiten dafür seit März 2017 mit dem ugandischen Roten Kreuz zusammen. Bei zwei Aufenthalten in dem ostafrikanischen Land wurden Daten gesammelt und ein erstes Zwischenfazit gezogen.
Uganda hat rund 35 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner und erlebt seit Ende 2016 einen großen Zustrom von Flüchtlingen aus dem Südsudan, die dem Krieg in ihrem Heimatland entkommen wollen. Gegenwärtig beheimatet Uganda mehr als eine Millionen Flüchtlinge aus dem Südsudan. Im März 2017 erreichte der Zuzug seinen Höhepunkt, als 6000 bis 7000 Flüchtlinge pro Tag in der Aufnahmestelle in Norduganda ankamen. Wie können Organisationen, die zur Bewältigung der Krise beitragen sollen, in solche einer Situation Strukturen schaffen und ihre Arbeit koordinieren?
Ethnografische Studie zur Krisenkoordination
Daniel Geiger, Professor für Organisation an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, und sein Team erforschen, wie Organisationen mit unerwarteten Ereignissen und Krisen umgehen, welche Rolle Regeln, Prozesse und Routinen bei der Koordination spielen und wie ein möglichst hohes Maß an Resilienz erreicht werden kann.
Die Bewältigung der Flüchtlingskrise in Uganda ist eine solche Herausforderung für die örtlichen Behörden, die mit dem UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, sowie 47 internationalen Hilfsorganisationen zusammenarbeiten. Die Hamburger Forscherinnen und Forscher haben daher gemeinsam mit dem ugandischen Roten Kreuz eine ethnografische Studie durchgeführt, um zu untersuchen, wie diese Organisation die Situation bearbeitete.
„Im März dieses Jahres habe ich gemeinsam mit meinem Doktoranden Philipp Darkow das ugandische Rote Kreuz vier Wochen bei seinem Einsatz begleitet. Wir haben dokumentiert, wie Einsätze organisiert sind, wie in solch komplexen und dynamischen Situationen Strukturen aufgebaut und verändert werden und wie die Zusammenarbeit mit den anderen beteiligten Organisationen abläuft “, so Geiger.
Geflüchtete bleiben dauerhaft im Land
Die Situation der ankommenden Flüchtlinge ist oft dramatisch: Sie leiden unter Mangelernährung, Krankheiten wie Malaria und posttraumatischen Belastungsstörungen. 86% der Geflüchteten sind Frauen und Kinder. „Die ugandische Regierung gewährt allen Flüchtlingsfamilien ein kleines Stück Land, das sofortige Recht auf Arbeit oder Gründung eines Unternehmens und die volle Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes“, erläutert Philipp Darkow. „Es wird davon ausgegangen, dass die Mehrzahl der Flüchtlinge dauerhaft im Land bleiben wird.“
Die Forschung des Hamburger Teams konzentrierte sich auf zwei Flüchtlingssiedlungen: Palorinya, wo Flüchtlinge bereits im Dezember 2016 ankamen und sich nun dauerhaft niedergelassen haben, und Imvepi, das die größte Zahl der Neuankömmlinge aufnimmt.
Ergebnisse anwendbar machen für vergleichbare Situationen
„Die Ergebnisse unseres ersten Forschungsaufenthaltes zeigen, dass es in der Anfangsphase der Krisenbewältigung darauf ankommt, schnell Strukturen zu schaffen, die aber so angelegt sein müssen, dass sie rasch umgebaut werden können“, berichtet Prof. Geiger. Da die Rahmenbedingungen der Situation sich mitunter schnell änderten, sei für die erfolgreiche Bewältigung eine hohe interne Koordinationskomplexität erforderlich, was bisweilen durchaus chaotisch wirken kann, aber funktional sein könne. „Das zeigt sehr anschaulich die Grenzen der Planbarkeit solcher Einsätze und rückt die Fähigkeit zur flexiblen Organisation anstelle von Planung in den Vordergrund“, so Geiger.
Im Herbst 2017 kehrte das Team nach Uganda zurück, um diese Ergebnisse vorzustellen und die Entwicklung der Situation erneut zu analysieren; in die neue Studie wird auch eine Masterarbeit integriert, die von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert wird und die Messung des Erfolgs von Hilfsmaßnahmen untersucht und kritisch reflektiert. „Es zeichnet sich ab, dass sich die Situation inzwischen stabilisiert und der Notfalleinsatz weitestgehend abgeschlossen ist“, berichtet Prof. Geiger. Alle Hilfsmaßnahmen würden sich nun darauf konzentrieren, die Situation der Geflüchteten nachhaltig zu verbessern.
„Wir werden die Ergebnisse weiter auswerten und auch diese mit unseren Kooperationspartnern in Uganda anwenden“, erklärt Philipp Darkow das weitere Vorgehen. Zudem sei geplant, gemeinsam mit dem Uganda Management Institute einen universitären Aufbau-Lehrgang „Emergency and Disaster Management“ zu entwickeln, um Praktikerinnen und Praktiker vor Ort im Krisenmanagement ausbilden zu können.