Eine Fußbodenheizung für die Salzwiese
3. August 2017, von Maike Nicolai
Foto: UHH/Nicolai
Hamburger Forscherinnen und Forscher richten auf der Hamburger Hallig ein weltweit einzigartiges Experiment zu Auswirkungen der globalen Erwärmung ein.
Versucht sich der Inselschäfer in Tomatenzucht? Oder haben Außerirdische ihr Lager auf der Hamburger Hallig aufgeschlagen? Kleine, mit Technik gespickte Gewächshäuschen auf der Salzwiese vor dem Hallig Krog werfen bei Ausflüglern Fragen auf. Die Erklärung liefern Forscherinnen und Forscher des Fachbereichs Biologie der Universität Hamburg. In Kooperation mit dem Smithsonian Environmental Research Center (USA) und der Nationalparkverwaltung Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer untersuchen sie auf 27 Testflächen unter Kuppeln aus Metallstreben, die mit Kunststoff-Folie überspannt sind, in einem weltweit einzigartigen Experiment, wie sich der globale Temperaturanstieg auf Salzwiesen auswirkt.
Bis zum Jahr 2022 beobachten sie jeweils von März bis September den Einfluss von Erwärmung auf die Entwicklung der Artenzusammensetzung in verschiedenen Vegetationszonen sowie auf die Produktion und den Abbau von Biomasse, auf Nährstoffumsätze und die Festlegung von Kohlenstoff im Boden. So können sie besser abschätzen, ob Salzwiesen auch in Zukunft ihre wertvollen Funktionen erfüllen können.
Salzwiesen: Lebensraum, Kohlenstoffspeicher und Sturmflutschutz
„Salzwiesen bieten vielen hochspezialisierten Pflanzen und Tieren eine Heimat. Manche davon gibt es nur in diesem extremen Lebensraum“, weiß Dr. Stefanie Nolte. Die Biologin der Universität Hamburg leitet das Experiment auf der Hamburger Hallig. „Außerdem speichern die Pflanzen der Salzwiese pro Hektar etwa zehnmal mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre, als zum Beispiel Wälder es tun. Und bei Sturmfluten sorgt dieses flache Vorland dafür, dass anrollende Wellen ihre Kraft verlieren. So schützen sie Deiche und alles, was dahinter liegt.“
Wie verändern sich die Salzwiesen, wenn die Temperaturen im Zuge der globalen Erwärmung ansteigen?
Frühere Studien zeigten, dass Erwärmung die Biomasse-Produktion von Pflanzen steigert. Daher fragen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ob dies auch auf Salzwiesen zutrifft. Größere Pflanzen könnten mehr Sediment aus dem Wasser kämmen und die Salzwiese bis zu einem gewissen Punkt „in die Höhe wachsen“ lassen, während der Meeresspiegel ansteigt.
Die Sedimentation würde auf diese Weise allerdings auch die verschiedenen Vegetationszonen und die Abfolge typischer Pflanzengemeinschaften verändern. Gewinner dieser Entwicklung könnte die Strandquecke sein, ein hohes Gras, das andere Pflanzenarten verdrängt. Gänse und Brutvögel, wie der für die Nordsee typische Austernfischer, meiden Wiesen, die bereits von der Strandquecke beherrscht werden.
Eine Zunahme an Biomasse könnte sich auch positiv auf die Funktion der Salzwiesen als Kohlenstoffspeicher auswirken. Allerdings könnten höhere Temperaturen auch zu einer erhöhten Aktivität von Mikroorganismen führen, die Biomasse im Boden abbauen. Daher lässt sich noch nicht vorhersagen, ob sich die Erwärmung insgesamt positiv oder negativ auf die Funktion der Kohlenstoffspeicherung auswirkt. Darum werden auch Bodenproben genommen und in den Laboren der Universität Hamburg ausgewertet.
„Mit Experimenten dieser Art können wir Effekte des Klimawandels weitaus besser abschätzen, als dies allein aus Ableitungen aus bekanntem Wissen möglich wäre“, betont Prof. Dr. Kai Jensen, Sprecher des Fachbereichs Biologie. „Unsere Feldstudie gibt einen deutlich verlässlicheren Gesamteindruck der Veränderungen, weil sie die Salzwiese als System betrachtet.“
Kuppeln mit Fußbodenheizung
Bis die ersten Daten fließen, wird auf der Hallig gehämmert, geschraubt und verkabelt: In jeder der drei verschieden feuchten Zonen der Salzwiesen markieren die Forschenden neun Versuchsflächen und versehen diese mit einem umlaufenden Steg. Darüber decken sie die Kuppeln, unter denen sich die Luft durch die Sonneneinstrahlung wie in einem Gewächshaus erwärmt.
Kabel, die einen Meter in die Tiefe ragen, heizen außerdem den Boden: Je Zone werden drei Flächen um anderthalb Grad Celsius und drei weitere um drei Grad Celsius erwärmt. Drei Flächen bleiben als Referenz auf Umgebungstemperatur. Steigt und fällt die Temperatur auf den Referenzflächen im Verlauf der Tages- und Jahreszeiten, wird diejenige der Versuchsflächen automatisch entsprechend angepasst.
„Zurzeit bereiten wir drei Kuppeln für den Testbetrieb vor“, berichtet Dr. Nolte. „Nächstes Frühjahr richten wir alle 27 Kuppeln ein, um die erste Vegetationsperiode zu dokumentieren. Ende 2018 sollten wir auf den erwärmten Flächen erste Veränderungen erkennen.“
Verantwortlich für das Versuchsdesign ist Dr. Roy Rich, Research Associate am Smithsonian Environmental Research Center (USA). Der US-Amerikaner hat schon ähnliche Anlagen dieser Art entworfen und gebaut – etwa in den Nadelwäldern Minnesotas oder im Feuchtland der Chesapeake Bay in Maryland. Für die Hamburger Hallig entwickelte er ein besonders stabiles System, das einerseits mit möglichst wenig Material auskommt und andererseits den Nordseestürmen Stand hält. Der Aufbau wird durch Mittel der Universität Hamburg finanziert und kostet etwa 200.000 Euro.