Forschen im All
20. Juli 2017, von Anna Lena Bärthel
Foto: ESA
Für seine Doktorarbeit an der Universität Hamburg hat er ins Innere der Erde geblickt, dann schaute er aus dem All auf sie herab: Alexander Gerst war 2014 sechs Monate Astronaut auf der Internationalen Raumstation (ISS). 2018 wird er als Kommandant auf die ISS zurückkehren.
Wir erinnern uns: Von Mai bis November 2014 war Gerst einer von sechs Astronauten, die die Erde auf der Internationalen Raumstation in einer Umlaufbahn von etwa 400 Kilometern Entfernung umrundeten. Sie erreichten dabei eine Geschwindigkeit von 28.000 Kilometern pro Stunde.
Während viele seiner Astronauten-Kollegen ausgebildete Piloten sind, kommt er aus der Wissenschaft. Im Rahmen seiner Mission „Blue Dot“ liefen 162 Experimente auf der ISS, allein 40 davon aus Deutschland. Natürlich war Gerst nicht für alle von ihnen Experte und vieles geschah automatisch in sogenannten Experimentierschränken. Aber seine wissenschaftliche Erfahrung half ihm bei den Laboruntersuchungen. Mit einem kleinen Projekt blieb er sogar seinem Fachgebiet, der Vulkanforschung, treu:
Er machte spezielle Aufnahmen von aschereichen Vulkanausbrüchen aus dem Weltraum, die in Hamburg ausgewertet werden. Neben der Erdbeobachtung konzentrierte sich die Forschung auf der ISS hauptsächlich auf die Gebiete Astronomie, Physik, Materialforschung, Biologie und Humanmedizin. „Ich wünschte, jeder Mensch könnte einmal einen Sonnenaufgang aus dem Orbit sehen. Habe jedes Mal eine Träne im Auge.“ Seit 2008 steht dafür auch das europäische Forschungslabor „Columbus“ auf der ISS zur Verfügung. Als dieses Labor an Bord gebracht wurde, war Alexander Gerst noch Doktorand am Fachbereich Geowissenschaften der Universität Hamburg.
Alexander Gerst promovierte an der Universität Hamburg
Gebürtig aus Künzelsau, einer Kleinstadt in Baden-Württemberg, kam er nach seinem Geophysik-Studium am heutigen Karlsruher Institut für Technologie 2004 nach Hamburg, um bei Prof. Dr. Matthias Hort, Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN), zu promovieren.
Das Thema: der antarktische Vulkan Mount Erebus. „Als Forscher war Alexander sehr engagiert und äußerst erfolgreich“, erinnert sich Gersts Doktorvater und erklärt: „Uns interessierten die ersten Sekunden einer typischen ‚strombolianischen‘ Eruption, die durch eine im Vulkanschlot aufsteigende Gasblase ausgelöst wird. Alexander konnte nachweisen, dass der Überdruck in einer Gasblase wenige Bar – wie der Druck in einem gut aufgepumpten Fahrradreifen – beträgt. Der Überdruck zusammen mit dem enormen Volumen der Gasblase führt dann zu einem solchen kurzen, aber heftigen Vulkanausbruch.“
Für seine Forschung harrte Gerst damals sechs Wochen lang bei bis zu minus 45 Grad Celsius aus. „Antarktis und Weltall, das sind beides lebensfeindliche Umgebungen und schwierig zu erreichen“, benennt er die Parallelen zu seiner jetzigen Aufgabe.
Von der Antarktis ins All
„Ich erinnere mich, dass wir zusammen auf einer Expedition im Südpazifik am Vulkan Yasur waren, als Alexander die Nachricht bekam, dass er die erste Bewerbungsrunde bei der ESA (Anm.d.Red.: European Space Agency) geschafft hatte“, berichtet Hort. „Die Zahl der Kandidaten reduzierte sich dann von 8.000 auf 2.000. Und natürlich haben wir das weitere Verfahren mit Spannung verfolgt.“ Auch wenn Gerst sich 2008 nur „versuchsweise“ beworben und nie gezielt auf den Beruf als Astronaut hingearbeitet hatte, war dies schon immer sein Kindheitstraum und „als Alternative im Hinterkopf“.
Ein Jahr später – nach weiteren vier Bewerbungsrunden – stand fest: Gerst ist physisch und psychisch geeignet. Die ESA präsentierte ihn als einen ihrer neuen Astonauten. Gemeinsam mit dem Russen Maxim Surajew und dem US-Amerikaner Reid Wiseman startete Gerst im Mai in einer Sojus-Rakete vom Weltraumbahnhof im kasachischen Baikonur zur ISS. Er war der elfte Deutsche im All und der dritte Deutsche auf der ISS.
Gerst nutzt seine Perspektive auf die Erde, um immer wieder auf die Verletzlichkeit der Atmosphäre, „dieser unglaublich dünnen Schutzschicht“, hinzuweisen. Bei Live-Schalten zu ihm in die ISS schwärmt er regelmäßig vom Blick auf unseren faszinierenden Planeten: Auf seinem Blog schrieb er: „Wir sehen einen einzigartigen Planeten mit einer dünnen, zerbrechlichen Atmosphäre, der in der weiten Dunkelheit des Alls schwebt. Von hier oben wird einem klar, dass die Menschheit auf der Erde eins ist und wir dasselbe Schicksal teilen.“
Der Text erschien zuerst im Hochschulmagazin 19neunzehn, Ausgabe 3. Der Text wurde leicht durch die Redaktion geändert.