6 February 2017
Volkswagen Foundation funding:675,000 euros for digital humanities projects at Universität Hamburg
Photo: privat
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Das auf drei Jahre angelegte Projekt „Hermeneutic and Computer based Analysis of Reliability, Consistency and Vagueness in historical texts” (HerCoRe) unter Leitung von Dr. Cristina Vertan, Arbeitsstelle Computerphilologie an der Universität Hamburg, erhält 450.000 Euro und startet im April. Zwei interdisziplinäre Teams aus den Geisteswissenschaften und der Informatik der Universitäten Hamburg und Bukarest werden im Rahmen von HerCoRe eine neue Methode der digitalen Textanalyse entwickeln. Bisher ist es im Bereich der Digital Humanities gängige Praxis, Texte zu annotieren – also sie auf bestimmte Merkmale zu analysieren und entsprechende Stellen zu markieren – und mithilfe dieser meist quantitativen Auswertungen Fragestellungen zu beantworten. Erfasst werden können dabei bisher nur Merkmale, die sicher zugeordnet werden können, etwa die konkrete Jahreszahl 1590.
Doch insbesondere historische Texte enthalten zahlreiche Äußerungen, die nicht eindeutig sind, wie zum Beispiel „Ende des 16. Jahrhunderts“. Diese wurden bisher nicht erfasst. Das Projekt HerCoRe wird daher eine neue Anwendung erarbeiten, mit der auch solche Formulierungen ausgewertet werden können. Sie soll „Ende des 16. Jahrhunderts“ als Zeitangabe erkennen und mehrere Interpretationsmöglichkeiten präsentieren, auf deren Basis die endgültige wissenschaftliche Bewertung vollzogen werden kann. Die Annotationen werden auf mehreren Ebenen möglich sein, z. B. Verfasser, Übersetzer, Herausgeber, sodass Vergleiche vorgenommen werden können.
„Exemplarisch wird das Projekt zwei Werke von Dimitrie Cantemir analysieren“, erklärt Dr. Cristina Vertan, Leiterin des Projektes. Im 18. Jahrhundert war der Herzog des damaligen Moldawien einer der großen Universalgelehrten. Die lateinischen Originale von zwei seiner Werke – eines über die Geschichte des Osmanischen Reichs und eines über die Geschichte Moldawiens – waren lange Zeit verschollen; die deutschen, englischen, französischen, russischen und rumänischen Übersetzungen galten bis Mitte des 19. Jahrhunderts als Referenzen. Inzwischen ist aber bekannt, dass die Urheber der Übersetzungen oft das Original interpretiert und mitunter historische Fakten anders als der Autor dargestellt hatten. Diese Unterschiede sollen durch HerCoRe herausgearbeitet und gedeutet werden.
In Hamburg beteiligen sich neben Dr. Vertan der Turkologe Prof. Dr. Yavuz Köse und der Germanist und Informatiker Prof. em. Dr. Walther von Hahn. Das Bukarester Team, mit dem vorher bereits im Rahmen einer Universitätspartnerschaft zusammengearbeitet wurde, leitet Dr. Anca Dinu.
Ein zweites gefördertes Projekt, „Rhythm detector. A digital tool to identify free verse prosody”, ist eine Kooperation der Universität Hamburg und der Freien Universität Berlin. 225.000 Euro gehen an die Universität Hamburg. Das Projekt untersucht Muster in moderner und postmoderner Lyrik, die nicht mehr auf klassische Muster der Metrik zurückgreift, sondern eher alltagssprachliche und musikalische Rhythmen (Beat, Jazz, HipHop) verwendet. Daher werden in diesem Projekt erstmals Hörgedichte untersucht, die von den Originalautoren wie Jandl oder Enzensberger eingelesen wurden. Diese Hörgedichte werden zunächst von Dr. Burkhard Meyer-Sickendiek von der FU Berlin auf ihre spezifischen lautlichen Muster hin bestimmt. Unter der Leitung des Informatikers Dr. Timo Baumann von der Universität Hamburg werden diese Klassifikationen dann automatisiert verarbeitet und mit Methoden des maschinellen Lernens systematisiert und erweitert, sodass eine Software nach wiederkehrenden Mustern in Tempo und Betonung sucht. Das Ziel ist, die besondere Rhythmik und Phrasierung besser zu verstehen, um so beispielsweise Übersetzungen optimieren zu können.
Insgesamt gingen im Rahmen der Ausschreibung „Interaktion qualitativ-hermeneutischer Verfahren und Digital Humanities: 'Mixed Methods' in den Geisteswissenschaften?“ 101 Anträge bei der VolkswagenStiftung ein, neun Projekte wurden bewilligt. Ziel der Ausschreibung ist es, Möglichkeiten auszuloten, wie neue Verfahren der Digital Humanities mit den bisherigen, im weitesten Sinne „qualitativ-hermeneutischen“ Ansätzen kombiniert werden können.