17 December 2004
Archäologie auf neuen Wegen
Archäologen der Universität Hamburg haben in den letzten zehn Jahren im Rahmen von Drittmittelprojekten einen neuen Zweig in den Kulturwissenschaften entwickelt: die Angewandte Archäologie. Die nicht nur in Deutschland beachteten Resultate werden nun von den Wissenschaftlern bilanziert. Wie diese faszinierende Wissenschaft funktioniert und was man heute damit anfangen kann zeigen die Hamburger im nächsten Jahr auf einer Präsentation im Archäologischen Institut.
Archäologie ist „in“. Lara Croft und Indiana Jones verlassen den Elfenbeinturm der Universität und bewahren mit Sachverstand, Peitsche und Schlapphut die größten Schätze der Menschheit vor bösen Besessenen und anderen Schurken. Archäologie erforscht weltweit und durch alle Epochen der Menschheitsgeschichte die Vergangenheit, gewinnt durch Ausgrabungen, Forschungen und Experimente neue Erkenntnisse über das Leben der Menschen. Die in Hamburg entwickelte „Angewandte Archäologie“ vermittelt diese Erkenntnisse mit erlebnispädagogischen Methoden hautnah zum Erfahren und Begreifen. Ausgehend von fächerübergreifenden Untersuchungen in Zusammenarbeit mit den Naturwissenschaften werden alte, vergessene Techniken mit Experimenten wiederentdeckt und populär aufbereitet weitergegeben – das Geheimnis des Feuers, die Technik des Bogenbaus, alte Heilpflanzenrezepte oder Schmiedekünste.
Ein Beispiel Angewandter Archäologie ist der Steinzeitpark Albersdorf in Dithmarschen (Schleswig-Holstein), nur 70 Autominuten von Hamburg entfernt. Im Sommer diesen Jahres haben dort Studenten erstmals ein Hausmodell der ersten Bauern Norddeutschlands wohnlich eingerichtet. Zusammen mit dem Trägerverein des Archäologisch-Ökologischen Zentrums wurden im Praxisseminar „Wohnen in der Steinzeit“ Lehmwände mit Ockerfarben bemalt; Öfen und Mobiliar gebaut, Matten und Hausrat gefertigt. Grundlagen für diese praktische Arbeit lieferten zahlreiche Forschungsergebnisse aus ganz Mitteleuropa, die z.B. Wandbemalungen und plastische Verzierungen in jungsteinzeitlichen Hausresten nachweisen.
Aber nicht nur das Ausgraben und Forschen sowie der Praxisbezug stehen im Mittelpunkt dieses bisher in Deutschland einmaligen Ausbildungskonzeptes. Anwendungsorientiert ist auch die Vermittlung und Vermarktung von Archäologie. Sie bietet Studierenden und Absolventen eine berufliche Perspektive, ihren Platz in Museen oder der Selbständigkeit zu finden. So entstanden erfolgreiche Projekte wie „Archäologie im Kinderzimmer“, eine Wanderausstellung mit Playmobilfiguren und Aktivstationen für die Kleinen in den neuen deutschen Kindermuseen, oder mobile Schulprogramme und Archäologie-Workshops zum mittelalterlichen Kochen oder antiker Glasperlenherstellung. Diese neu entwickelten „Histotainment-Produkte“ stehen Pate für zahlreiche weitere Attraktionen: Diese reichen von kompletten Begleitprogrammen für große Archäologie-Ausstellungen des Europarates zur Bronzezeit oder der Zeit Karls des Großen bis hin zu Aktivangeboten für Kinder und Erwachsene wie die länderübergreifende Archäologiepräsentation „Menschen-Zeiten-Räume“ in der Bundeskunsthalle Bonn.
Dass Archäologische Forschung nicht nur Geld kostet, sondern auch qualitativ hochwertig vermarktet Mehrwerte schafft, dafür stehen Kulturtourismusprojekte wie die ZEITSPUREN in der Lüneburger Heide oder das Jugendsozialprojekt „Geschichtsspielplatz Roter Hahn“ in Lübeck, die auf dem besten Weg sind, als non-profit-Organisationen wirtschaftlich und kostendeckend zu arbeiten. In Lübeck bauen Kinder und Jugendliche Wikingerhäuser und setzen sich spielerisch mit Multikulti im Mittelalter auseinander. Gesundheit und Geschichte stehen im Mittelpunkt des Konzeptes im jüngsten niedersächsischen Kurort Bad Bodenteich: Barfuß ins Mittelalter erleben Kurgäste hier Vergangenheit hautnah, wandeln auf den Spuren Robin Hoods und Hildegard von Bingens. Umwelt und Natur, Geschichte und Kultur werden wie im Steinzeitpark Albersdorf zu einem Ganzen verknüpft. Lernen mit Kopf, Herz und Hand macht eben auch Spaß.
Das finden nicht nur Kurgäste und Kinder, sondern auch die Hamburger Studenten. „Wohnen in der Steinzeit“ wird in diesem Semester fortgesetzt. Aber nicht im Steinzeitpark Albersdorf, sondern direkt in Hamburg im Kindermuseum KLICK: Hier wird nun im kommenden Jahr eine spannende Aktivfläche mit Rentierjägerzelten und mehr direkt im Stadtgebiet entstehen.
Für Rückfragen:
Birte Meller, Dr. Frank M. Andraschko
Archäologisches Institut der Universität Hamburg
AG Angewandte Archäologie
Tel.: (040) 428 38 3070
E-Mail: archaeologie.fb09"AT"uni-hamburg.de
Internet: http://www.uni-hamburg.de/Wiss/FB/09/ArchaeoI/Vfg/andraschko.htm