Dance studies pioneer Prof. Dr. Gabriele Klein celebrates her 60th birthday
5 July 2017, by Anna Priebe
Photo: Clara Marie Herrmann
Prof. Dr. Gabriele Klein has been a major force behind the establishment of dance and performance studies in Germany. For her 60th birthday, academics and artists held a symposium to honor her work. An encounter with a pioneer who has navigated the worlds of modern dance, Hip Hop, and urban movement. [Read on in German]
Wenn man in einem Interview zum 60. Geburtstag auf das wissenschaftliche Leben zurückblickt, ist mitunter viel Vergangenes und wenig Anschauliches dabei. Wenn man aber mit der Pionierin der Tanzwissenschaft und der Performance Studies in Deutschland zu diesem Anlass spricht, gibt es dazu eine spontane Demonstration wie Hip-Hop das Körperkonzept des klassischen Balletts dekonstruiert. Gabriele Klein braucht in ihrem Büro in der Feldbrunnenstraße nicht viel Platz, um zu zeigen, wie sich beim Breakdance die Achsen verschieben, der Körperschwerpunkt sich auch in die Hände verlagern kann und wie sich dadurch Bewegungsformen verändern. So erklärt sie, was dies für eine Sozialtheorie der Bewegung bedeutet.
Dabei tanzt die Professorin für Soziologie und Psychologie von Bewegung, Sport und Tanz heute nach eigener Aussage eigentlich kaum noch aktiv. „Bis ich 1994 nach Hamburg gekommen bin, habe ich am Mozarteum in Salzburg Choreografie, Komposition und Improvisation unterrichtet, in Hamburg habe ich anfangs selbst noch Unterricht genommen.“ Aber inzwischen möge sie lieber Bewegungsarten wie Yoga und Thai Chi, die sie „sehr gerne und auch sehr intensiv“ betreibt.
Improvisation im Ruhrgebiet
Geboren und aufgewachsen im Ruhrgebiet, studierte Gabriele Klein Sozialwissenschaft, Geschichte und Sportwissenschaft an den Universitäten Bielefeld und Bochum sowie Pädagogik an der Universität GH Essen und zeitgenössischen Tanz an der Theaterhochschule Amsterdam. „Soziologie und Geschichte waren Studiengänge, die ich interessant fand, weil ich mich sehr für Politik interessiert habe und auch in der Frauenbewegung engagiert war“, so Klein.
Zum Tanz kam sie im ersten Semester über ihre Leidenschaft für Bewegung: „Meine Mutter war eine begeisterte Tänzerin, die mich häufig zu Ballettaufführungen mitgenommen hat.“ Aber erst eine Dozentin der Bewegungswissenschaft habe dann einen Tanzkurs in Improvisation gegeben, nahm sie mit zu Stücken der weltbekannten Choreografin Pina Bausch und führte sie an den zeitgenössischen Tanz heran. „Das Finden von Bewegungsformen im eigenen Körper, das war für mich durchschlagend“, erinnert sich Klein. Das Ruhrgebiet wurde für sie auch zur künstlerischen Heimat. „Das Ruhrgebiet war schon damals sehr unterschätzt, schon damals gab es dort eine sehr lebhafte Theater- und Kulturlandschaft. Es war und ist eines der Zentren des modernen Tanzes in Deutschland.“ Die Region habe mit ihren in Kulturorte umgewandelten alten Industrieanlagen vor allem für junge Künstlerinnen und Künstler Räume eröffnet, „es war dort sehr viel möglich.“.
Tanz und Gesellschaft
Neuland betrat sie 1990 mit ihrer Dissertation „Frauen Körper Tanz. Eine Zivilisationsgeschichte des Tanzes“ –nicht nur in der Soziologie, sondern in der Tanzwissenschaft: „Als ich meine Dissertation geschrieben habe, stammten die Arbeiten zu Tanz vornehmlich aus der Musikwissenschaft und wenige aus der Theaterwissenschaft." Ihre Dissertation war die erste, die Tanz in einen breiteren, kulturtheoretischen und soziologischen Kontext stellte. Diesen Weg geht Klein nun seit mehr als 30 Jahren, seit 1994 an der Universität Hamburg, wo sie 2002 Professorin wurde und den 2005 gegründeten Masterstudiengang „Performance Studies“ leitet. „In meiner Forschung habe ich im Grunde immer zwei Spuren verfolgt: Zum einen, wie sich gesellschaftliche Bewegungen und Veränderungen in Tänze übersetzen – das ist quasi die klassische Frage nach der sozialen Rahmung.“ Die andere Frage sei die nach dem Verhältnis zwischen Ästhetischem und Politischem in den Tänzen selbst. In diesem Zusammenhang beschäftigte sie sich mit künstlerischem Tanz am Beispiel des weltweiten Wirkens Pina Bauschs, aber auch mit populären Tänzen wie der Transnationalisierung des Tango oder der Theatralität des Hip-Hop. Aktuell arbeitet sie mit fünf Choreografinnen und Choreografen aus verschiedenen afrikanischen Ländern zusammen und untersucht, „wie sie ihre Erfahrungen, die Geschichte ihrer Länder und (post-)koloniale Muster in ihre Tänze übersetzen“.
Darüber hinaus erweitert Klein den Begriff „Choreografie“ in ihrer Forschung auf die Gesellschaft, die viele „soziale Choreografien“ kennt. „Alle Räume, also etwa ein Bahnhof, ein Flughafen, der Stadtverkehr haben eine choreografische Ordnung, d. h. dort wird ein Bewegungsflow organisiert.“ Die Wissenschaftlerin beschäftigt sich in diesem Zusammenhang etwa mit Protestentwicklung in Städten: „Nehmen Sie das Beispiel G20: Wie wird der Flow in der Stadt organisiert, wenn ein ganz zentraler Kern der Innenstadt abgesperrt wird?“
Hamburg tanzt
Hamburg ist auch durch ihre Arbeit zu einem Zentrum der Tanzwissenschaft geworden. Auch auf die lokale Tanzszene hat dies Auswirkungen: Als sie an der Uni angefangen habe, sei sie überrascht gewesen, wie klein die lokale zeitgenössische Tanzszene in einer so großen Stadt war, „aber auch das hat sich sehr verändert. Darüber bin ich sehr glücklich und dazu hat sicher auch der Studiengang ‚Performance Studies beigetragen.“ Kulturelle Kooperationen gibt es vor allem mit Kampnagel, „einer der größten Orte für zeitgenössische Kunst in Europa“, K3, dem Zentrum für Choreografie, aber auch mit dem Schauspielhaus, dem Thalia und dem Fundus-Theater.
Kann sie als Tanzwissenschaftlerin diese Orte besuchen und ein Stück rein zum privaten Vergnügen genießen? „Das ist wie bei einem Buch: Man liest viel, aber nicht jedes Buch fängt einen.“ Sie habe in ihrem Leben schon sehr viele Stücke gesehen, und „wenn ich eines sehe, wo ich hineinfallen kann, ist das für mich immer noch ein großes Geschenk“.
Geburtstags-Symposium
Am 29. Juni fand zur Feier des 60. Geburtstages von Prof. Dr. Gabriele Klein ein Symposium zum Thema „Adressierungen. Praktiken zwischen Wissenschaft, Kunst und Kultur“ statt, bei dem Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter aus Wissenschaft, Kunst und Kultur ihr Wirken als Soziologin und Tanzwissenschaftlerin in Hamburg würdigten. Unter anderem sprachen die künstlerische Leiterin von Kampnagel, Amelie Deuflhard, die künstlerische Leiterin des „K3 – Zentrum für Choreografie in Hamburg“, Dr. Kerstin Evert, der Dekan der Fakultät für Psychologie und Bewegungswissenschaft, Prof. Dr. Michael Braumann, Prof. Dr. Michael Meuser, Soziologe an der TU Dortmund und Prof. Dr. Gabriele Brandstetter, Professorin für Theaterwissenschaft mit Schwerpunkt Tanzwissenschaft an der Freie Universität Berlin und langjährige Mitstreiterin Kleins. Prof. Dr. Stephan Brinkmann, Professor für zeitgenössischen Tanz an der Folkwang-Universität Essen, zeigte eine Lecture Performance. 75 weitere Kolleginnen und Kollegen sowie zahlreiche Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs „Performance Studies“ gratulierten.
Zur Person
Prof. Dr. Gabriele Klein wurde 1957 in Wanne-Eickel geboren. Nach dem Abitur studierte sie von 1977 bis 1985 Sozialwissenschaft, Geschichte und Sportwissenschaft sowie zeitgenössischen Tanz und Pädagogik. Sie wurde 1990 an der Universität Bochum promoviert und wechselte 1994 an die Universität Hamburg, wo sie sich 1998 habilitierte. Seit 2002 ist Klein Professorin für Soziologie und Psychologie von Bewegung, Sport und Tanz am Institut für Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg. Sie war 1987 Gründungsmitglied der Gesellschaft für Tanzforschung (GTF) und wurde mit dem Dorothy-Ainsworth-Award für Internationale Forschungsleistungen zur Frauen- und Geschlechterforschung im Tanz sowie dem Frauenförderpreis der Universität Hamburg ausgezeichnet.