Diversity means . . .
17 April 2017, by Anna Priebe
Photo: UHH/Sukhina
A university should be, by definition, a place where many different perspectives, interests, and people meet. As a concept, diversity encourages us to think critically about what these differences mean for a university and how we can make diversity a natural part of everday campus life. [Read on in German . . .]
Nyla Becker studiert im 4. Bachelorsemester Sozialökonomie und wippt, während sie von ihrem Ausbildungsweg erzählt, sachte den Kinderwagen, in dem ihr drei Monate alter Sohn schläft: „Ich habe meinen Realschulabschluss und später eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation gemacht.“ Ihr sei aber immer klar gewesen, dass sie nicht ewig in diesem Beruf arbeiten, sondern sich weiterbilden wollte. „Während ich vor drei Jahren mit meiner Tochter in Elternzeit war, habe ich eine alte Schulfreundin getroffen, die mir von dem Studiengang an der Uni Hamburg erzählte – und nachdem ich mich informiert hatte, habe ich mich beworben und angefangen, mich auf die Aufnahmeprüfung vorzubereiten“, so die 27-Jährige.
Im Bachelor Sozialökonomie sind 40 Prozent der jährlich etwa 600 Studienplätze für Studierende reserviert, die keine sogenannte allgemeine Hochschulreife haben, sondern eine abgeschlossene Berufsausbildung, mehrjährige Berufserfahrung oder eine Fachhochschulreife. „Menschen mit anderen Bildungsbiografien bereichern unseren Studiengang mit neuen Perspektiven“, erklärt Dr. Grischa Perino, Professor für Volkswirtschaftslehre und am Fachbereich zuständig für das Projekt „Studieren ohne Abitur“. Über eine Aufnahmeprüfung, die je nach Schulabschluss aus verschiedenen Prüfungsteilen besteht, qualifizierten sich 2016 rund 120 Studieninteressierte für das Fach.
Verschiedene Dimensionen der Vielfalt
Der Hochschulzugang ist aber nur eine der Dimensionen, die Vielfalt an einer Universität ausmachen. „Alter, Geschlecht, Herkunft, sexuelle Orientierung und Religion sind hier ebenso zu nennen wie der Bildungshintergrund, der Familienstand oder eine eventuelle gesundheitliche Beeinträchtigung“, erklärt Antje Newig, Referentin für Gleichstellung und in der gleichnamigen Stabsstelle zurzeit für Diversity zuständig. Natürlich würden die meisten dieser Merkmale nicht offiziell erfasst werden, aber ihr Vorhandensein dürfe dem Studieren und Arbeiten an der Universität dennoch nicht im Wege stehen.
Seit 2016 nimmt die Universität am Diversity-Audit „Vielfalt gestalten“ des Stifterverbandes der Deutschen Wissenschaft teil. „Unser Ziel ist, an der Universität die Strukturen zu festigen oder neu zu schaffen, die Chancengleichheit und gleichberechtigte Teilhabe für alle Mitglieder garantieren“, erklärt Newig. Basis für Maßnahmen wie den „Runden Tisch Diversity“ oder den „Diversity-Tag“ ist unter anderem das Hamburger Hochschulgesetz, das die Universitäten dazu auffordert, „Konzepte zum konstruktiven Umgang mit Verschiedenheit (Diversity Management)“ zu erarbeiten. So sollen auch Benachteiligungen und Diskriminierung verhindert werden.
Interreligiöser Dialog als Bereicherung
An der Universität Hamburg hat Prof. Dr. Racheli Haliva Diskriminierung noch nicht erlebt, aber Antisemitismus ist der aus Jerusalem stammenden Wissenschaftlerin nicht fremd. „Bei Konferenzen und Kooperationen mit Wissenschaftlern merkt man entsprechende politische Einflüsse manchmal schon“, erklärt die Juniorprofessorin für Jüdische Philosophie und Religion. Als Beispiel nennt sie die anti-israelische Bewegung „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen” (BDS), die auch Universitäten zum Boykott aufruft. „Auch wenn wir zum Beispiel Wissenschaftler aus Ägypten oder dem Iran einladen, sind Reisegenehmigungen oft schwer zu bekommen“, so Haliva. Sie betont aber, dass sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler trotz der Herausforderungen nicht davon abhalten ließen, an Tagungen und Veranstaltungen teilnehmen; zur Summer-School 2016 etwa seien auch zwei Studierende aus dem Iran gekommen.
Am Ende des Semesters waren wir in der Lage, uns gegenseitig zu verstehen.
Der interreligiöse Dialog ist für Halivas Arbeit existenziell. Die 40-Jährige, die selbst nicht orthodox ist, aber eine „starke Verbindung mit den jüdischen Traditionen“ hat, erforscht in der DFG-Kolleg-Forschergruppe „Maimonides Centre for Advanced Studies“ anhand mittelalterlicher jüdischer Schriften, welchen Einfluss Philosophie damals auf die jüdische Religionsauslegung hatte. Viele der Quellen basieren auf arabischen Übersetzungen der griechischen Originale, „der Einfluss von Muslimen auf Juden ist hier offensichtlich“, so Haliva. Interreligiöser Dialog ist für sie aber nicht nur in dieser Hinsicht eine Bereicherung: „Letztes Jahr hatte ich eine Afrikanistik-Studentin im Seminar, die aus einer missionarischen christlichen Familie kommt.“ Deren Ansichten und Herangehensweisen seien für sie neu und unerwartet gewesen, „aber am Ende des Semesters waren wir in der Lage, uns gegenseitig zu verstehen“.
Gesellschaftliche Vielfalt darstellen
Unterschiede als Chance zu sehen, ist die Grundannahme des Diversity-Konzepts. Dr. Viola Georgi, Professorin für Diversity Education an der Stiftung Universität Hildesheim, schreibt in der „DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung“: „[Der Diversity-Begriff] transportiert die Wertschätzung der Pluralität von Lebensentwürfen und hebt Vielfalt als gesellschaftliche Ressource hervor.“
Dieses Prinzip repräsentiert auch Klaus Rudat. Der 26-Jährige studiert auf Lehramt – mit dem Ziel Grundschule. Als Mann ist er hier deutlich in der Unterzahl. „Es ist nicht so, dass ich immer der einzige Mann bin, aber das Verhältnis in den Seminaren ist schon so 1:5“, erzählt er. Ihm war nach dem Zivildienst im Kindergarten klar, dass er etwas mit Kindern machen möchte: „Ich finde es spannend, etwas zu vermitteln, das die Basis für alles Spätere ist, also Lesen, Schreiben und Rechnen.“ Warum sich so wenig Männer für das Grundschullehramt entscheiden? Für Rudat könnte das mit der Annahme zusammenhängen, mit kleinen Kindern zu arbeiten sei intellektuell nicht anspruchsvoll, „dabei ist es ja gerade eine didaktische Herausforderung, den jungen Kindern alles beizubringen“.
Rudat will aber nicht nur als Rollenvorbild für die Jungs gesehen werden: „Es geht darum, die gesellschaftliche Vielfalt darzustellen – und eine didaktische Diversität.“ Männer hätten manchmal eine andere Art, Sachen zu vermitteln, so Rudat. Das habe nichts mit der Qualität des Unterrichts zu tun, aber mit der Herangehensweise – und davon könnten auch Schülerinnen profitieren. Eine Sonderrolle als Mann will er daher nicht: „In erster Linie fühle ich mich als angehende Lehrkraft.“
Auch für Nyla Becker spielt ihr Bildungsweg keine große Rolle. Zwar gebe es Unterschiede zwischen Studierenden mit und ohne Abitur, „wer schon eine Ausbildung gemacht hat, weiß glaube ich viel besser, wo er hinwill“, aber das Ziel sei für alle das gleiche. Die Möglichkeiten, die es in der Sozialökonomie gibt, sollte es daher ihrer Meinung nach in allen Fächern geben. Damit Vielfalt noch selbstverständlicher wird.
Gegen Diskriminierung: Neben der Förderung der Vielfalt steht beim Diversity-Management der Kampf gegen Diskriminierung im Vordergrund. Denn die kommt trotz aller Maßnahmen immer noch zu oft vor. An der Universität Hamburg gibt es daher entsprechende Anlaufstellen für Studierende und Mitarbeitende. „Wir beraten und helfen, gegen die Diskriminierung anzugehen“, erklärt Dipl.-Psych. Susanne Witte von der Kontakt- und Beratungsstelle bei sexueller Diskriminierung und Gewalt.
- Kontakt- und Beratungsstelle bei sexueller Diskriminierung und Gewalt (Studierende): uhh.de/beratung-diskriminierung
- Kontakt- und Beratungsstelle bei sexueller Diskriminierung und Gewalt (Mitarbeitende): uhh.de/beratung-diskriminierung-intern
- Referat für Antidiskriminierung des Allgemeinen Studierendenausschusses: https://www.asta.uni-hamburg.de/0-kontakt/1-kontakt/08-antidiskriminierung.html