Richtlinie zum Schutz vor sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt
Inhalt
Präambel
Die Universität Hamburg fördert die gleichberechtigte Zusammenarbeit ihrer Mitglieder und Angehörigen auf allen Funktionsebenen in Lehre, Forschung, Ausbildung, Verwaltung und Selbstverwaltung. Sie legt Wert auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sowie einen respektvollen und wertschätzenden Umgang. Die Universität Hamburg setzt sich dafür ein, dass innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs die Persönlichkeitsrechte und die individuellen Persönlichkeitsgrenzen von Personen gewahrt werden.
Alle Mitglieder und Angehörigen der Universität Hamburg sind aufgefordert, zu einem Arbeits- und Studienklima beizutragen, in dem die persönliche Integrität und die Selbstachtung respektiert und sexualisierte Diskriminierung, Belästigung und Gewalt nicht geduldet werden. Insbesondere Personen mit Ausbildungs-, Qualifizierungs- und Leitungsaufgaben in Lehre und Forschung, Verwaltung und Selbstverwaltung tragen dafür aufgrund ihrer Fürsorgepflicht eine besondere Verantwortung.
Diese Richtlinie dient dem Schutz vor sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt, soll sensibilisieren sowie Maßnahmen zur Prävention und Verfahrenswege zur Intervention aufzeigen. Mit ihr regelt die Universität Hamburg die Verantwortlichkeiten und das Verfahren bei sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt in ihrem Zuständigkeitsbereich. Die Richtlinie beschreibt die konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der diesbezüglichen Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und des Hamburgischen Hochschulgesetzes (HmbHG) sowie der internen Verpflichtungen durch die Gleichstellungsrichtlinie für den Wissenschaftsbereich sowie dem Gleichstellungsplan für das Technische-, Bibliotheks- und Verwaltungspersonal der Universität Hamburg.
§ 1 Geltungsbereich
Diese Richtlinie gilt für alle Mitglieder und Angehörigen der Universität Hamburg im Sinne des § 2 der Grundordnung der Universität Hamburg sowie Stipendiat:innen, Habilitand:innen und Gasthörer:innen.
§ 2 Begriffsbestimmung
- Die Universität Hamburg versteht sexualisierte Diskriminierung gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) als unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung aufgrund von Geschlecht oder sexueller Identität. Darunter fallen auch sexualisierte Belästigung und Gewalt, also ein unerwünschtes sexuelles oder geschlechtsbezogenes Verhalten, das sich in verbaler, nonverbaler oder physischer Form äußert und bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betroffenen Person verletzt oder ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Dabei ist nicht die Intention oder der Vorsatz eines Verhaltens ausschlaggebend, sondern die grenzüberschreitende Wirkung auf die Betroffenen, z.B. durch einseitiges, unangemessenes oder unter Druck setzendes Verhalten. Es ist nicht ausschlaggebend, ob die betroffene Person ihre Ablehnung deutlich gemacht hat.
- Dieses Verhalten kann verbal, nonverbal oder physisch ausgeübt werden und beinhaltet laut der Antidiskriminierungsstelle des Bundes beispielsweise:
- aufdringliche oder beleidigende Kommentare über die Kleidung, das Aussehen oder das Privatleben
- sexuell anzügliche Bemerkungen, Witze oder Fragen, z.B. zum Privatleben oder zur Intimsphäre
- sexuell zweideutige Kommentare
- sexualisierte oder unangemessene Einladungen zu einer Verabredung
- Herabsetzen oder Benachteiligen aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität
- unerwünschtes, aufdringliches oder einschüchterndes Starren oder anzügliche Blicke
- Hinterherpfeifen
- Zeigen, Verbreiten oder sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen
- unsittliches Entblößen
- Nachstellen mit sexuellem Hintergrund
- unerwünschte, unangemessene oder sexuell bestimmte körperliche Berührungen
- wiederholte körperliche Annäherung, wiederholtes Herandrängeln, wiederholt die übliche körperliche Distanz (ca. eine Armlänge) nicht wahren
- unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen
Die hier genannten Begriffsbestimmungen ergänzen die Begrifflichkeit zu Benachteiligungen i.S.d. § 3 AGG, sie stellen keinen abschließenden Katalog dar, sondern dienen der besseren Klärung der Fälle, die unter diese Richtlinie fallen.
- Ein besonderes Risiko, von sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt betroffen zu sein, haben Frauen, sowie lesbische, schwule, bisexuelle, trans-, inter-, und queere Personen (LGBTIQ+). Zudem steigt das Risiko für Personen, denen zusätzlich eine anderweitige Herkunft, Religion, Alter oder Behinderung zugeschrieben wird. Eine Mehrfachdiskriminierung, d.h. die Diskriminierung aufgrund mehrerer Personenmerkmale hat zudem besonders schwere Folgen für Betroffene.
§ 3 Allgemeines Verbot
- Sexualisierte Diskriminierung, Belästigung und Gewalt sind in der Universität Hamburg und im außeruniversitären dienstlichen Umgang verboten. Sie können ein einschüchterndes, stressbeladenes und entwürdigendes Arbeits- und Lernumfeld schaffen, gesundheitliche Risiken bedingen und eine massive Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte darstellen.
- Sexualisierte Diskriminierung, Belästigung und Gewalt unter Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen am Ausbildungs- oder Arbeitsplatz und im Studium unter Androhung persönlicher oder beruflicher Nachteile bzw. unter Zusage von Vorteilen werden als besonders schwerwiegend bewertet.
- Alle Mitglieder und Angehörigen der Universität Hamburg, insbesondere solche mit Ausbildungs-, Qualifizierungs- und Leitungsaufgaben in Lehre, Forschung, Ausbildung, Verwaltung und Selbstverwaltung, haben in ihrem Aufgabenbereich aufgrund ihrer Fürsorgepflicht Sorge dafür zu tragen, dass sexualisierte Diskriminierung und Gewalt unterbleiben.
§ 4 Präventive Maßnahmen
- Die Universität Hamburg ist bestrebt, zur Verhinderung und Abwendung von sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt, besondere Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören z. B.:
- Bekanntgabe dieser Richtlinie an alle Mitglieder und Angehörigen der Universität Hamburg
- die Bereitstellung von Beratungsangeboten für Beschäftigte und Studierende
- regelmäßige Fort- und Weiterbildungsangebote zu sexualisierter Diskriminierung Belästigung und Gewalt für Mitglieder der Universität Hamburg, insbesondere für Führungskräfte
- Erarbeitung spezieller Konzepte zur Prävention von sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt in der Lehre, z.B. durch Schulung von Lehrkräften und sensibilisierendem Lehrmaterial
- Handlungshilfen und Verfahrenssicherheit, u.a. für Betroffene, Zeug:innen und Führungskräfte, z.B. durch Handreichungen, Broschüren, Flyer und Informationen auf den universitären Webseiten
- innerbetriebliche Sensibilisierung, z.B. durch Plakate und allgemeine Informationen zum Thema
- Gründung eines regelmäßig tagenden Arbeitskreises zu sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt
- bauliche Maßnahmen (z. B. Beleuchtung, Frauenparkplätze)
- erhöhte Aufmerksamkeit durch sensibilisierten Wachdienst
§ 5 Beratungsangebote und Ansprechpersonen der UHH
- Die Universität Hamburg stellt qualifizierte und weisungsfrei arbeitende innerbetriebliche Beratungsstellen für Beschäftigte, Studierende und sonstige Mitglieder und Angehörige der Universität Hamburg zur Verfügung. Betroffene, beteiligte, beobachtende oder angesprochene Personen (z. B. Vorgesetzte oder Interessensvertretungen) können sich im Falle von sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt an die Beratung bei sexualisierter Diskriminierung und
Belästigung für Beschäftigte (Sozialberatung, Suchtprävention und sexualisierte Diskriminierung) oder die Kontakt- und Beratungsstelle bei sexueller Diskriminierung und Gewalt für Studierende wenden. Alle Beratungsgespräche sind streng vertraulich und auf Wunsch anonym. - Weitere Anlaufstellen im Sinne der Erst- und Verweisberatung sowie angrenzende Fachberatungsstellen sind:
- Gleichstellungsbeauftragte
- Personalräte
- Schwerbehindertenvertretungen
- Konfliktberatung für Beschäftigte
- Sozialberatung für Beschäftigte
- Psychologische Beratung für Studierende
Auch diese Beratungsgespräche sind streng vertraulich und auf Wunsch anonym.
- Hochschulleitung und Ansprechpersonen mit Leitungsaufgaben bzw. Fürsorgepflichten:
Die Hochschulleitung, Vorgesetzte, Personalverantwortliche, Dekanate und die Personalabteilung können ebenfalls angesprochen werden. Im Sinne der Betroffenen wird auch von diesen eine vertrauliche Behandlung der Informationen angestrebt. Es kann aber keine gänzliche Verschwiegenheit zugesichert werden, da es im Rahmen der Fürsorgepflicht für alle in § 1 genannten Personen notwendig sein kann, konkrete Personen und Handlungsweisen zu benennen.
§ 6 Beschwerderecht und Beschwerdeverfahren
- Personen nach § 1 haben nach dem AGG das Recht, Beschwerde bei der jeweils zuständigen AGG-Beschwerdestelle zu erheben. Die AGG-Beschwerdestelle für Beschäftigte der Universität Hamburg ist in der Stabsstelle Recht, die AGG-Beschwerdestelle für Studierende in Abteilung 3 (Studium und Lehre) verortet.
- Die Beschwerde kann frist- und formlos an die AGG-Beschwerdestelle für Beschäftigte oder Studierende gerichtet werden. Dabei ist mitzuteilen, welche Personen und Stellen in derselben Angelegenheit bereits angesprochen wurden und welche Maßnahme diese ggf. eingeleitet haben. Die Beschwerde wird kurzfristig in Bearbeitung genommen, um mit der betroffenen Person das weitere Verfahren zu klären. Bei möglichen Gesprächen kann auf Wunsch der beschwerdeführenden Person eine Person ihres Vertrauens teilnehmen.
- Bei Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen oder Entschädigungen sind die Fristen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu beachten.
- Zum Schutz der Betroffenen sind die Ansprechpartner:innen zur vertraulichen Behandlung verpflichtet. Eine Offenbarung der betroffenen Person erfolgt jedoch im notwendigen Umfang, sofern dies zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens oder aufgrund von gesetzlichen Vorschriften oder wesentlich überwiegenden Gemeininteressen (beispielsweise zur Anzeige einer geplanten Straftat) geboten ist. Je nach Sachverhalt wird beispielsweise die Personalabteilung oder die Hochschulleitung einbezogen, um arbeitsrechtliche, hausrechtliche oder strafrechtliche Konsequenzen zu prüfen. In diesem Fall wird die betroffene Person vorab darüber informiert. Insgesamt wird das weitere Vorgehen mit der betroffenen Person besprochen.
- Der beschuldigten Person wird Gelegenheit zur mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme gegeben.
- Die verfahrensführende Stelle ermittelt den Sachverhalt und prüft, ob ein Verstoß gegen diese Richtlinie und/oder das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorliegt. Dazu werden gegebenenfalls Beweismittel gesichtet sowie Zeug:innen angehört.
- Das Ergebnis der Beschwerde ist den Beschwerdeführenden mitzuteilen, § 13 Abs. 1 S. 2 AGG.
§ 7 Maßnahmen und Sanktionen
- Der sofortige Schutz von Betroffenen ggf. durch vorläufige Maßnahmen muss unabhängig von den Sanktionen sichergestellt werden.
- Die verfahrensführende Stelle prüft dienst-, arbeitsrechtliche und hochschulrechtliche Maßnahmen. Maßnahmen gegenüber belästigenden Beschäftigten und Studierenden können je nach Verhältnismäßigkeit z. B. folgende sein:
- Gegenüber Beschäftigten der Universität Hamburg kommen folgende Maßnahmen in Betracht:
- persönliches Gespräch durch die Vorgesetzten und Hinweis auf das Verbot der sexualisierten Belästigung und Gewalt
- Ermahnung
- Abmahnung
- Versetzung oder Umsetzung an einen anderen Arbeitsplatz
- ordentliche oder außerordentliche Kündigung (bei Arbeitnehmer:innen) bzw. die Einleitung eines Disziplinarverfahrens (bei Beamt:innen)
- Strafanzeige
- Gegenüber Studierenden sowie allen unter § 1 Abs. 1 Genannten, die kein Beschäftigungsverhältnis mit der Universität Hamburg haben, kommen folgende Maßnahmen in Betracht:
- persönliches Gespräch, z.B. durch Dekanat
- Ausschluss von Lehrveranstaltungen
- Ausschluss von der Nutzung universitärer Einrichtungen
- Hausverbot
- Exmatrikulation
- Strafanzeige
- Gegenüber Beschäftigten der Universität Hamburg kommen folgende Maßnahmen in Betracht:
§ 8 Inkrafttreten
Die Richtlinie wurde am 15.11.2021 vom Präsidium beschlossen. Mit der Bekanntgabe tritt die neue Richtlinie zum Schutz vor sexualisierter Diskriminierung, Belästigung und Gewalt an der Universität Hamburg in Kraft und die Richtlinie vom 16.04.2009 außer Kraft.