Studentisches Projekt in der Gipsabguss-SammlungDie Farben der Antike
15. Februar 2018, von Anna Priebe
Ein Adonis in Pink oder ein hellenistisches Relief in Himmelblau? Kann man sich kaum vorstellen, entspricht aber der antiken Realität. 15 Bachelor- und Masterstudierende der Klassischen Archäologie haben sich in einem Seminar mit der Polychromie – also der Farbigkeit – in der Antike beschäftigt. Und dafür in der Gipsabguss-Sammlung selber farbige Stücke hergestellt. Ein Interview mit Dr. Nadine Leisner, die die Sammlung betreut und das Seminar angeboten hat.
Worum geht es bei dem Seminar?
Historisch bedingt haben wir eine Wahrnehmung von klassischen Skulpturen, dass sie entweder aus weißem Marmor oder aus weißem Gips bestehen. Dazu tragen Sammlungen wie diese natürlich bei. Aber das entspricht gar nicht dem Originalzustand, denn in der Antike waren eigentlich alle Statuen bemalt – für unser ästhetisches Empfinden auch unangenehm bunt.
Im Seminar geht es darum, die eigene Wahrnehmung zu verändern: Die Studierenden sollen hinterfragen, wie sie die Statuen bisher wahrgenommen haben und warum. Außerdem wollen wir antike Techniken austesten und einen Eindruck geben, wie das antike Handwerk funktioniert hat.
Und warum sind die Statuen heute nicht mehr farbig?
Die Originale waren hauptsächlich mit Naturfarben bemalt, also Erdfarben wie Ocker, mit Farben, die aus Blumen wie Lavendel hergestellt wurden, oder auch mit Krapplack, der aus einer Wurzel gekocht wird. Diese Farben haben sich über die Zeit nicht gut erhalten.
Andere Farbstoffe, die zum Beispiel aus Eisenoxid bestehen sind besser erhalten, allerdings nur, solange sie unter der Erde konserviert sind. Das heißt, selbst von den Statuen, bei denen man beim Fund noch mit bloßem Auge die Farbe sehen konnte, haben wir mittlerweile nur noch die Berichte, in denen das festgehalten ist, auf der Statue selbst ist aber kaum noch Farbe zu erkennen. Erst durch moderne Verfahren wie den Einsatz von UV-Licht oder Streiflicht können sie trotzdem wieder sichtbar gemacht werden.
Mit welchen Farben waren die Statuen bemalt?
Charakteristisch ist vor allem die Verwendung von Komplementärfarben nebeneinander. Bei vielen Rekonstruktionen – und deshalb erregen sie oft auch Anstoß – sieht das aus wie Neonfarben. Knalliges Grün, knalliges Gelb – und das in Kombination mit einem kräftigen Rot. In der Archaik waren es vor allem Rot und Blau, im Hellenismus dagegen eher Pastellfarben, wo dann auch ganz oft Pink auftaucht.
Wie läuft das Seminar ab – Stichwort Theorie und Praxis?
Es gibt relativ viele Forschungen auf die wir zurückgreifen können. Neben den genannten Methoden wurden auch oft massenspektrographische Untersuchungen gemacht, um die Zusammensetzung der einzelnen Farbpigmente herauszufinden. Im theoretischen Teil haben wir uns daher angesehen, welche Methoden es überhaupt gibt, um Farben wieder sichtbar zu machen, was für Farben in der Antike verwendet wurden und wie wir das auf die Stücke, die wir haben, projizieren können.
Als Vorbereitung haben wir vor den zwei Praxiseinheiten kleine Übungen gemacht, Stein bearbeitet und beobachtet, wie unterschiedliche Steinarten, zum Beispiel Marmor und Speckstein, Farbe aufnehmen – auch im Vergleich zu Gips.
Wie werden die Farben gemischt?
Wir haben uns in einem Spezialmarkt für Künstlerbedarf Pigmentfarben besorgt, die mit Wasser und Ei angemischt werden. Wir haben darauf geachtet, dass die Farben auf den natürlichen Rohstoffen basieren, die in der Antike verwendet wurden, d. h. wir haben Rottöne aus Eisenoxid, Blautöne, die Azurit enthalten und das Weiß ist entweder Bleiweiß oder Kreide.
Von welchen Stücken machen die Studierenden jetzt Abgüsse?
Wir machen Abgüsse von den Formen, die wir bereits in der Sammlung haben. Hauptsächlich sind es archaische Reliefs, auch ein klassisches Stück ist dabei. Ansonsten haben wir eine Mischung unterschiedlicher Porträtköpfe, die wir nachgießen können. Mit diesen können wir unterschiedliche Epochen abdecken, da wir archaische, klassische, aber auch römische Porträts in unserem Bestand haben.
Gibt es für diese speziellen Stücke denn Vorstellungen, wie die Farben ausgesehen haben könnten?
Bei zweien der Stücke, die wir zum Nachgießen ausgewählt haben, haben wir Originale vorliegen, an denen Farbspuren erhalten sind, die die Studierenden jetzt auch herausgearbeitet haben und auf deren Grundlage sie ihre Rekonstruktion aufbauen. Bei den anderen Stücken arbeiten wir mit Analogien, d.h. es gibt durchaus andere archaische Reliefs, bei denen noch Farbspuren erhalten sind und die unseren sehr stark ähneln, sodass wir mit relativer Sicherheit davon ausgehen können, dass die Farbrekonstruktion zutrifft.
Die Ergebnisse werden in die bestehende Sammlung eingebaut. Welche Rolle spielt Ausstellungsdesign im Archäologiestudium?
Das Museum ist ein häufig gewählter Berufszweig, in den Archäologen nach dem Studium wechseln. Dort konzipieren sie natürlich auch Ausstellungen, grade mit antiken Stücken. Daher finde ich es gut, das ins Studium zu integrieren und den Studierenden unterschiedliche Museumskonzepte zu zeigen.
Was gehört noch zum Seminar?
Zum Seminar gehören neben dem praktischen Teil ein Tutorium, in dem die Ausstellung vorbereitet und der begleitende Katalog erstellt wird und eine Tagesexkursion. Wir werden am Ende des Semesters zur Gipsformerei nach Berlin fahren, die immer noch nach historischen Formen gießt und aus der auch viele unserer Abgüsse stammen.