26. Oktober 2023
Forschende der Uni Hamburg an drei neuen EU-Projekten beteiligt
Foto: UHH/Esfandiari
Die geförderten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden mit ihren Teams zu innovativen Forschungsfragen arbeiten – und dabei mit verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen kooperieren. Die Projektgruppen sollen einander ergänzende Fertigkeiten, Kenntnisse und Ressourcen auf innovative Weise zusammenführen, um Forschungsprobleme gemeinsam anzugehen. Die Förderung kann bis zu 15 Millionen Euro betragen und für eine Laufzeit von bis zu sechs Jahren vergeben werden.
Universitätspräsident Prof. Dr. Hauke Heekeren: „Die Exzellenzuniversität Hamburg steht für herausragende Forschung. Stellvertretend dafür stehen die UHH-Forschenden, die an drei neuen EU-Projekten beteiligt sind. Diese herausragenden Persönlichkeiten und ihre großartigen wissenschaftlichen Leistungen und Vorhaben im Bereich der Spitzenforschung werden nun jeweils mit ERC Synergy Grants gewürdigt – einer der renommiertesten Förderlinien des Europäischen Forschungsrats in der Wissenschaft. Ich beglückwünsche alle Ausgezeichneten herzlich zu diesem Erfolg, der die thematische Breite der Universität Hamburg unterstreicht.“
Prof. Dr. Arwen Pearson und Dr. Irene Fernandez-Cuesta: Time-resolved imaging of membrane transporter dynamics under physiological ionic gradients (GRAIL)
Die Zellen aller lebendigen Systeme interagieren permanent mit ihrer Umgebung. Aber was genau passiert, wenn Proteine arbeiten? Im neuen ERC-Forschungsprojekt „GRAIL“ soll diese Frage beantwortet werden. Mit ihm sollen sogenannte Gradienten untersucht werden, also die sich ständig verändernden chemischen Bedingungen innerhalb und außerhalb der Lipidmembranen, die die Zellen umgeben. Die Forschenden wollen herausfinden, wie die Struktur und Funktion der Gradienten die in der Zellhülle eingebetteten integralen Membranproteine beeinflussen. Diese Proteine sind wichtige Ziele für die Entwicklung von Arzneimitteln, etwa zur Behandlung von Parkinson und Krebs, oder zur Überwindung von Antibiotikaresistenzen.
„Trotz ihrer Bedeutung war es bisher nicht möglich, die strukturelle Dynamik der Proteine direkt unter Einfluss eines Gradienten zu beobachten. Im ‚GRAIL‘-Projekt wollen wir diese fundamentale Lücke schließen, indem wir eine neue Methode entwickeln, um Membranproteine in Aktion und in Gegenwart eines Gradienten zu beobachten“, erklärt Prof. Dr. Arwen Pearson, Professorin für experimentelle Biophysik und Leiterin von „GRAIL“. Sie forscht am Fachbereich Physik und im Exzellenzcluster „CUI: Advanced Imaging of Matter“ der Universität Hamburg gemeinsam mit CUI-Gruppenleiterin Dr. Irene Fernandez-Cuesta, die eine Nanovorrichtung entwerfen und herstellen wird, um die Membranproteine in Aktion zu beobachten. Im Projekt werden sie eng mit Prof. Dr. Dirk Slotboom und Dr. Wiktor Szymanski von der Universität Groningen zusammenarbeiten. „GRAIL“ wird für sechs Jahre mit rund elf Millionen Euro gefördert.
Dr. Orna Almogi, Prof. Dr. Harunaga Isaacson und Prof. Dr. Dorji Wangchuk: „Geology of Texts, Genealogy of Concepts, Intellectual Ecosystems: Mapping the Indic and Tibetic Buddhist Text Corpora“ (Intellexus)
Indien wie Tibet als Heimat großer buddhistischer Kulturen haben eine enorme Menge an gelehrter Literatur in Sanskrit bzw. Tibetisch hervorgebracht. Schon lange werden diese Texte mit philologisch-historischen Methoden untersucht. Im neuen Synergy Grant sollen nun hochmoderne computergestützte Tools entwickelt werden, um das Material auf ganz neue Weise studieren zu können. Dabei sollen insbesondere künstliche Intelligenz und natürliche Sprachverarbeitung zum Einsatz kommen. Dafür haben sich Dr. Orna Almogi, Prof. Dr. Harunaga Isaacson und Prof. Dr. Dorji Wangchuk vom Asien-Afrika-Institut der Fakultät für Geisteswissenschaften mit dem Informatik-Team um Prof. Dr. Shai Fine von der Reichman Universität in Israel zusammengeschlossen.
Ziel ist es, drei große buddhistische Textkorpora in Sanskrit und Tibetisch zu erfassen und ihre Interdependenz sowie ihre Interaktionen auch mit anderen, nicht-buddhistischen Texten und die Prozesse ihrer Entwicklung zu beleuchten. Drei Aspekte stehen dabei im Mittelpunkt: die Geschichte der Entstehung von Texten und Textkorpora, die Geschichte der in den Texten enthaltenen Schlüsselkonzepte und -ideen sowie die Netzwerke von Individuen, die an ihrer Entstehung und Überlieferung beteiligt waren und die als intellektuelle Ökosysteme bezeichnet werden können. Die Fördersumme beträgt rund zehn Millionen Euro, wobei knapp sieben Millionen auf die Universität Hamburg entfallen. Die Projektlaufzeit beträgt 72 Monate.
Prof. Dr. Chris Biemann: „The Cultures of the Cryosphere. Infrastructures, Politics and Futures of Artificial Cooling“ (CultCryo)
Ob Logistik, Wissenschaft oder die Klimaanlage im Eigenheim – die Möglichkeit der künstlichen Kühlung beeinflusst fundamental die Welt, in der wir leben. Dabei sind diese „künstliche Kryosphäre” und ihre Folgen, etwa für den Klimawandel, bisher kaum erforscht. Das will das ERC-Projekt „CultCryo“ ändern. Untersucht wird, wie die Infrastruktur der künstlichen Kühlung auf dem Planeten mit kulturellen Praktiken verbunden ist – beispielhaft an den Bereichen Nahrungsmittel, Raumkühlung, Biomedizin und Computerwissenschaft. Dabei geht es unter anderem um eine historische Rekonstruktion sowie die ethische Diskussion der mit der Kryosphäre verbundenen Praktiken und Normen.
Koordiniert wird das Projekt, das rund 9,9 Millionen Euro erhält, von Dr. Alexander Friedrich vom Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin, der das Projekt mit der TU Darmstadt als federführender Institution eingeworben hat. Die UHH ist als Projektpartner beteiligt. Prof. Dr. Chris Biemann, Professor für Sprachtechnologie an der Uni Hamburg, wird mit seinem Team durch das Programm „Sense Clustering Over Time“ (SCoT) die technische und computerwissenschaftliche Expertise zur digitalen Begriffsgeschichte der „künstlichen Kryosphäre“ bereitstellen. Neben der TU Darmstadt und der UHH sind auch die Universitäten Paderborn und Duisburg-Essen, die Australian National University Canberra sowie die Universität Halle und das Institut für sozialökologische Forschung Frankfurt beteiligt.