24. August 2023
Neue Emmy Noether-Gruppe erforscht supermassereiche schwarze Löcher
Foto: UHH/MIN/Fuchs
Supermassereiche schwarze Löcher befinden sich in der Regel in den Zentren von Galaxien und besitzen eine Masse von mehr als 100.000 Sonnen. Astronominnen und Astronomen nehmen an, dass diese schwarzen Löcher durch massereiche Sterne im frühen Universum entstanden sind. Die Entdeckung von einigen dieser Objekte mit Massen von Milliarden Sonnen im frühen Universum, weniger als 800 Millionen Jahre nach dem Urknall, stellt die gängigen Theorien ihrer Entstehung vor große Herausforderungen.
„Das Ziel meiner Emmy Noether-Gruppe ist es, den Ursprung dieser supermassereichen schwarzen Löcher und ihr frühes Wachstum besser zur verstehen“, sagt Dr. Jan-Torge Schindler von der Hamburger Sternwarte im Fachbereich Physik der Universität Hamburg. „Unsere Ergebnisse beleuchten damit auch die Entstehung der ersten Galaxien im frühen Universum. Damit forschen wir letztendlich an unserem kosmologischen Weltbild und prüfen, ob und wie die einzelnen vorhandenen Theorien und Vorstellungen ineinandergreifen.“
Für die Beantwortung dieser Fragen verwenden die Forschenden große Himmelsdurchmusterungen, die in verschiedenen Wellenlängen Bilder vom Himmel machen, und suchen auf diesen Bildern nach passenden Lichtquellen. Schwarze Löcher sind zwar nicht sichtbar, aber während sie wachsen, umgeben sie riesige, heiße Scheiben aus Gas und Staub. Diese können in der Distanz als punktförmige Lichtquellen beobachtet werden. Anschließend bewerben sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Beobachtungszeit an großen Observatorien, um durch Spektroskopie festzustellen, ob es sich bei den Lichtquellen tatsächlich um die gesuchten Objekte aus dem frühen Universum handelt.
„Zeitlich passend zu meiner Emmy Noether-Gruppe ist vor kurzem die Euclid-Mission gestartet. Das ist ein Weltraumteleskop der Europäischen Weltraumorganisation ESA, welches in den kommenden sechs Jahren ein Drittel des Nachthimmels im nahen Infrarotbereich beobachten wird“, sagt Schindler, der auch im universitären Exzellenzcluster „Quantum Universe“ forscht. „Da keine Atmosphäre im Weg ist, erhalten wir eine sehr lichtsensitive Karte von Milliarden von Galaxien, die es uns erlaubt, wachsende supermassereiche schwarze Löcher nur wenige 100 Millionen Jahre nach dem Urknall zu finden. Zudem gibt es eine hohe Wahrscheinlichkeit, auch völlig neue Objekte zu entdecken.“
Um supermassereiche schwarze Löcher noch früher im Universum zu entdecken, nutzt die Nachwuchsgruppe auch künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. Dafür entwickeln sie auf die neuen Himmelsdurchmusterungen angepasste Datensätze, um vorhandene Methoden effizient zu trainieren.
„Das Angebot von interdisziplinärer Forschung im Bereich des maschinellen Lernens, zum Beispiel im ‚Center for Data and Computing in Natural Sciences‘, war einer von vielen Gründen, warum ich mich entschieden habe, meine Emmy Noether-Gruppe in Hamburg anzusiedeln“, sagt Schindler. „Der Hauptgrund, an die Universität Hamburg zu kommen, waren allerdings die Synergien im Bereich der extragalaktischen Astrophysik. An der Hamburger Sternwarte gibt es bereits Expertise im Bereich von Galaxien, Galaxienclustern und Kosmologie. Da passt meine Forschung gut dazu. Ich bringe ein neues Thema mit, das sich sehr gut in die vorhandenen Themenfelder einfügt.“
Zur Person
Dr. Jan-Torge Schindler hat Physik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel studiert. Anschließend promovierte er am Steward Observatory der University of Arizona (USA) in den Bereichen Astronomie und Astrophysik. Nach seiner Promotion forschte er als Postdoktorand am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und am Leiden Observatory der University of Leiden in den Niederlanden. Am 1. Juni 2023 startete seine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe an der Hamburger Sternwarte im Fachbereich Physik der Universität Hamburg. Die Fördersumme über 1,7 Millionen Euro schließt die Programmpauschale mit ein.
Das Emmy Noether-Programm
Das Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft eröffnet besonders qualifizierten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern die Möglichkeit, sich durch die eigenverantwortliche Leitung einer Nachwuchsgruppe über einen Zeitraum von maximal sechs Jahren für eine Hochschulprofessur zu qualifizieren. Das Programm erinnert an Emmy Noether (1882–1935), eine deutsche Mathematikerin, die als eine Begründerin der modernen Algebra gilt. Zahlreiche Phänomene und Theorien sind nach ihr benannt.