15. Juni 2023
Neue Studie zur Wirksamkeit außenpolitischer StrafmaßnahmenWie schwer treffen Sanktionen die betroffenen Länder?
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Internationale Sanktionen sind eines der am häufigsten eingesetzten Zwangsmittel in der internationalen Politik. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es mehr als 1400 Fälle, in denen Wirtschaftssanktionen, Finanzsanktionen, militärische Sanktionen oder andere Sanktionen wie z.B. Reisebeschränkungen gegen Staaten angedroht oder verhängt wurden. Bekannte Sanktionsziele waren etwa der Iran, Kuba, Libyen, Südafrika oder Nordkorea. Aber auch die Vereinigten Staaten und die Mitglieder der Europäischen Union haben sich bereits gegenseitig sanktioniert.
Forschende der Universitäten Hamburg und Trier und des ifo Instituts in München untersuchten in einer umfassenden Studie alle 92 Staaten, die weltweit zwischen 1960 und 2016 betroffen waren. Weiteren 41 Staaten wurde mit Sanktionen gedroht, ohne dass diese umgesetzt wurden. In mehr als der Hälfte aller Fälle wurden die Zwangsmaßnahmen von den USA allein verhängt. Darüber hinaus berücksichtigten die Forschenden vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verhängte Sanktionen sowie EU-Sanktionen. Auf Grund des Untersuchungszeitraums konnten die seit 2022 verhängten Sanktionen gegen Russland nicht mit ausgewertet werden.
Sanktionen zielen grundsätzlich darauf ab, wirtschaftlichen Schaden anzurichten und sollen dadurch das Zielland zu einer Änderung seiner Politik zwingen. Im Idealfall ersetzen oder verkürzen sie militärische Auseinandersetzungen. Dabei können sie auch für die sanktionierenden Staaten kostspielig werden. Das zeigten beispielsweise die gegenseitigen Sanktionen zwischen Russland und europäischen Staaten nach Russlands Annexion der Krim im Jahr 2014 oder die wesentlichen Sanktionen gegen China nach dem Tian’anmen-Massaker im Jahr 1989.
In den sanktionierten Ländern gab es einen deutlichen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) unter dem Einfluss von Sanktionen. Das Pro-Kopf-BIP sank in den ersten zwei Jahren einer Sanktionsepisode um durchschnittlich 2,8 Prozent gegenüber der sonst zu erwartenden Wirtschaftsleistung. Weiterhin gingen Konsum und Investitionen zurück, der Außenhandel schrumpfte und ausländische Direktinvestitionen wurden weniger.
„Wir konnten zeigen, dass internationale Sanktionen insbesondere in den ersten Jahren einer Sanktionsepisode eine starke negative Wirkung entfalten und dass sich die sanktionierten Länder währenddessen und in den ersten Jahren nach einer Episode nicht erholten. Dies unterstreicht die Wirksamkeit von Sanktionen als politisches Zwangsinstrument. Mit einer Einschränkung: Lang andauernde Sanktionen bieten nach unseren Erkenntnissen keine messbaren Anreize mehr, um politische Zugeständnisse zu erzwingen“, fasst Prof. Gutmann die Ergebnisse zusammen.
Ein weiterer Fokus der Forschenden lag auf der Entwicklung der Militärausgaben sanktionierter Länder. Dabei stellte sich heraus, dass insbesondere sanktionierte Demokratien den Anteil der Staatsausgaben erhöhen, der für das Militär ausgegeben wird.
„Die Gründe für die anteilige Erhöhung der Militärausgaben lassen sich nicht abschließend klären. Unsere Ergebnisse zeigen jedoch, dass es sich nicht nur um einen statistischen Effekt handelt, der darauf beruht, dass der gesamte Staatshaushalt schrumpft, während die Militärausgaben konstant bleiben. Vielmehr scheint es so zu sein, dass sanktionierte Demokratien staatliche Ressourcen zugunsten ihrer Militärausgaben umverteilen“, so Gutmann. Diese Umverteilung stärkt die negativen Folgen der Sanktionen für die Zivilbevölkerung: erhöhte Armut, wachsende Einkommensungleichheit und eine sinkende Lebenserwartung insbesondere bei Frauen.