12. Oktober 2022
Förderung über zwei Millionen EuroWas das „Wir“ bewirkt – Neue Forschungsgruppe zur Verwendung von Pronomen
Foto: pixabay/Altmann
Als sogenannte „Fürwörter“ können Pronomen für Personen, Gegenstände, Zustände oder Sachverhalte stehen. Pronomen stellen aber nicht nur einen Bezug her, sondern sagen auch etwas über die Beziehungen aus, zum Beispiel zu einer Person. So verrät etwa die Entscheidung für Duzen oder Siezen oder – in früheren Sprachstufen – das ‚Ihrzen‘ viel über soziale Beziehungen. Und auch das Personalpronomen „wir“ kann je nach Kontext jemanden einschließen, aber auch herablassend und ausschließend wirken wie bei der Frage „Haben wir denn schon unsere Tabletten genommen?“
Die konkrete Verwendung von Pronomen gestern und heute sowie welche Wirkung sie haben, untersucht die neue Forschungsgruppe „Praktiken der Personenreferenz: Personal-, Indefinit- und Demonstrativpronomen im Gebrauch“ unter Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Imo vom Institut für Germanistik der Universität Hamburg. Dabei sollen die Pronomen sowohl über die Epochen vom Althochdeutschen bis heute als auch aktuell in unterschiedlichsten medialen Zusammenhängen betrachtet werden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Gruppe, die ihre Arbeit voraussichtlich Ende 2022 aufnimmt, in den kommenden vier Jahren mit rund zwei Millionen Euro.
Beteiligt sind außerdem Dr. Irina Mostovaia (ebenfalls Institut für Germanistik), Prof. Dr. Antje Dammel, Prof. Dr. Susanne Günthner und Dr. Jens Philip Lanwer (alle Universität Münster) sowie Prof. Dr. Karola Pitsch und Dr. Maximilian Krug (beide Universität Duisburg-Essen). Die Nachwuchsförderung steht bei der Forschungsgruppe besonders im Fokus, drei der sieben beteiligten Forscherinnen und Forscher befinden sich in der Postdoc-Phase.
In sieben Teilprojekten wird der Pronomengebrauch auf Basis unterschiedlicher Datensets empirisch erforscht: Interaktionen zwischen Arzt bzw. Ärztin und ihren Patientinnen und Patienten, private Tischgespräche, WhatsApp-Chats, Videoaufzeichnungen von Notfallübungen und Zeitungsleserbriefe – für das heutige gesprochene und geschriebene Deutsch. Außerdem werden Texte aus den Epochen des Althochdeutschen, Mittelhochdeutschen und Frühneuhochdeutschen sowie Dramentexte aus dem Barock, der Aufklärung, des Sturm und Drang und der Klassik für frühere Sprachstufen in den Blick genommen. In der Forschungsgruppe soll es auch um einen Austausch über best practices bei der Verschlagwortung und automatischen Auswertung der Datensets gehen.
„Die Daten sollen Aufschluss geben über die kommunikativen Praktiken, die sich mithilfe der Pronomen ergeben und darüber, inwieweit sie sich über die Epochen betrachtet etablieren, verändern oder ob sie wieder verschwinden“, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Imo. Dabei werde es auch darum gehen, welche Rolle Textsorten und kommunikative Gattungen für die Auftretenswahrscheinlichkeit von bestimmten Pronomen haben, wie durch Pronomen soziale Positionierung entsteht und wie Situationen unterschiedlich konstruiert und perspektiviert werden können.
DFG-Forschungsgruppen sollen es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglichen, sich aktuellen Fragen ihrer Fachgebiete zu widmen und innovative Arbeitsrichtungen zu etablieren. Die von der DFG bereitgestellten Mittel sollen in großen Teilen für neue Projektstellen für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler verwendet werden.