18. August 2022
Wichtiges Enzym in Labortests blockiertForschende entdecken Naturstoffe gegen das Coronavirus
Foto: UHH/Gevorgyan
Das Team um Prof. Dr. Christian Betzel von der Universität Hamburg und Dr. Alke Meents von DESY hat eine große Naturstoff-Bibliothek einem umfassenden Screening unterzogen. „Wir haben 500 Substanzen aus der Karachi Library of Natural Compounds daraufhin getestet, ob sie an die Papain-like Protease des neuartigen Coronavirus binden, die eines der Hauptziele für ein antivirales Medikament ist“, erläutert die Hauptautorin der Studie, Dr. Vasundara Srinivasan von der Universität Hamburg. „Ein Wirkstoff, der sich an der richtigen Stelle an das Enzym bindet, kann dessen Funktion blockieren.“
Die Papain-like Protease (PLpro) ist ein zentrales Enzym bei der Virusvermehrung. Wenn das Coronavirus eine Zelle kapert, zwingt es diese, Bausteine für neue Viruspartikel zu produzieren: Proteine, die in Form einer langen Kette hergestellt werden. PLpro wirkt dann wie eine molekulare Schere und schneidet diese Kette in einzelne Stücke. Wird dieser Prozess blockiert, können keine neuen Viruspartikel entstehen.
Für die Experimente wurde das Enzym PLpro mit jeder der 500 natürlichen Substanzen gemischt, so dass diese die Möglichkeit hatten, sich daran zu binden. Mit einem herkömmlichen Mikroskop lässt sich jedoch nicht feststellen, ob eine Substanz an das Enzym bindet. Deswegen wurden aus den Mischungen winzige Kristalle gezüchtet. In der hellen Röntgenstrahlung des Teilchenbeschleunigers PETRA III am DESY erzeugten diese Kristalle ein charakteristisches Beugungsmuster, aus dem sich die Struktur des Enzyms bis auf die Ebene einzelner Atome rekonstruieren ließ. „Aus diesen Informationen können wir dreidimensionale Modelle des Enzyms mit atomarer Auflösung erstellen und sehen, ob und wo eine Substanz an das Enzym bindet“, erklärt Dr. Meents.
Drei Stoffe konnten das Enzym tatsächlich binden: Hydroxyethylphenol (YRL), das aus dem Hennastrauch Lawsonia alba isoliert wurde und auch in Rotwein und Olivenöl vorkommt. Es wird als Mittel gegen Herzrhythmusstörungen eingesetzt. Hydroxybenzaldehyd (HBA) wurde aus dem Kupferblatt Acalypha torta isoliert und ist ein bekanntes Antitumormittel. Methyldihydroxybenzoat (HE9), isoliert aus der Studentenblume Tagetes patula, hat eine entzündungshemmende Wirkung und kommt in grünem Tee vor. In Labortests bremsten diese Stoffe die Aktivität von PLpro in lebenden Zellen um 50 bis 70 Prozent.
„Der Vorteil dieser Substanzen ist ihre erwiesene Sicherheit“, sagt Prof. Dr. Christian Betzel, der auch Mitglied des Exzellenzclusters „CUI: Advanced Imaging of Matter“ an der Universität Hamburg ist. „Diese Verbindungen kommen natürlicherweise in vielen Lebensmitteln vor. Grünen Tee zu trinken, wird eine Corona-Infektion allerdings nicht heilen! Genauso wenig wie es Wunden oder Krebs heilen würde. Ob und wie ein Coronamittel auf Grundlage dieser Wirkstoffe entwickelt werden kann, wird jetzt weiter untersucht.“
An der Studie waren Forschende der Universität Hamburg, der Universität Sao Paulo in Brasilien, der Diamond Light Source in Großbritannien, des europäischen Röntgenlasers European XFEL, der Bahauddin Zakariya University in Pakistan, des Hospital Israelita Albert Einstein in Brasilien, der Scientific Platform Pasteur in Brasilien, des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie in Hamburg, des Fraunhofer-Instituts für Translationale Medizin und Pharmakologie in Hamburg, des Jozef-Stefan-Instituts in Slowenien, des Centre of Excellence for Integrated Approaches in Chemistry and Biology of Proteins in Slowenien, der Universität Greifswald und des DESY beteiligt.
Link zur Originalveröffentlichung (Englisch)