8. Juli 2022
Historische Astronomie-Aufnahmen vollständig digitalisiertBlick in die Vergangenheit auch in Zukunft gesichert
Foto: UHH/MIN/Fuchs
In den Archiven der beteiligten Sternwarten lagern unzählige Fotoplatten mit astronomischen Aufnahmen, die teilweise älter als 130 Jahre sind. Neben dem kulturhistorischen Wert stellen diese Fotoplatten für heutige Forschende einen wahren Schatz dar. Denn die Platten und gerade Plattenserien zeigen die Bewegung oder die Entwicklung der Helligkeit von Sternen zum Teil über viele Jahrzehnte hinweg.
Phänomene, die damals noch nicht wissenschaftlich verstanden waren, wurden über lange Zeiträume beobachtet und können jetzt untersucht werden. Wenn heute ein Stern zu einer Nova oder sogar Supernova wird, kann man in den Archiven nachsehen, wie sich der Stern in den Jahrzehnten zuvor verhalten hat. Der wissenschaftlichen Anwendung sind keine Grenzen gesetzt. „Natürlich ist die Präzision der Aufnahmen nicht vergleichbar mit heutigen, modernen Messmethoden, aber die Genauigkeit der digitalisierten Fotoplatten wäre zu den Zeiten, als sie gemacht wurden, absolut unvorstellbar gewesen“, sagt Dr. Detlef Groote von der Hamburger Sternwarte der Universität Hamburg.
Bereits seit 2010 wurden an der Hamburger Sternwarte historische Fotoplatten aufwendig eingescannt, mit wichtigen Metadaten, wie Aufnahmedatum, Himmelsabschnitt und Aufnahmebedingungen verknüpft und in einer Datenbank gespeichert. Aufgrund der langen Scanzeiten und riesigen Datenmengen ging es aber nur sehr schleppend voran: „Ich hatte abgeschätzt, dass ich allein, bei circa 35.000 Fotoplatten in verschiedensten Größen, nur für das Scannen 20 bis 30 Jahre benötigen würde.“
Doch 2012 tat sich die Sternwarte mit dem Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam, der Friedrich- Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Universität Tartu (Estland) im Rahmen des Projekts APPLAUSE (Archives of Photographic PLates for Astronomical USE) zu einem Forschungsverbund zusammen. Hinzu kamen technische Innovationen, wie eine in Potsdam und Tartu entwickelte Software mit Künstlicher Intelligenz, um Staub und Kratzer auf den digitalen Aufnahmen zu erkennen, auszusondern und eine Kalibrierung mit den aktuellsten Katalogen (z.B. vom Gaia-Satelliten) durchzuführen, um sie mit aktuellen Messdaten vergleichbar zu machen. „Mithilfe mehrerer Mitarbeiter und ehrenamtlichen Helfern ging es dann doch viel schneller und inzwischen sind es sogar 45.000 Fotoplatten, die wir digitalisiert haben“, sagt Dr. Groote, der das Projekt an der Hamburger Sternwarte geleitet und nun im Alter von 73 Jahren erfolgreich beendet hat.
Dank wissenschaftlicher Publikationen und Konferenzen wurden weitere Sternwarten auf das Projekt aufmerksam und stellten ihre eigenen digitalisierten Archive für die Datenbank von APPLAUSE zur Verfügung, wie beispielsweise der Vatikan, der am Sommersitz des Papstes in Castel Gandolfo ein astronomisches Observatorium unterhält.
Nach mehr als zehn Jahren wurden nun im Rahmen von APPLAUSE fast 4,5 Milliarden Messungen aus den digitalisierten Fotoplatten gewonnen, kalibriert und publiziert. Die Daten stehen Forschenden weltweit zur Verfügung und sind Teil des internationalen Virtuellen Observatoriums.
Weitere Informationen gibt es auf der Webseite von APPLAUSE und beim Online-Archiv der Hamburger Sternwarte.