30. März 2022
Mit Delegierten aus 12 LändernInternationale Übung zur Abrüstung von Atomwaffen
Foto: Forschungszentrum Jülich/Tobias Schlößer
Die Übung findet vom 4.- 8. April 2022 im Strahlenschutzbereich des Forschungszentrums Jülich statt. Sieben Teilnehmende schlüpfen in die Rolle von Inspektorinnen und Inspektoren und treten gegen sieben Abgeordnete einer fiktiven Atommacht an. Sie üben mit einer eigens entworfenen Attrappe, die statt Plutonium zwar auch radioaktives, aber weniger schädliches Barium und Californium enthält.
Hintergrund der Übung ist die bisher nicht umgesetzte Vereinbarung aus dem Atomwaffensperrvertrag von 1968, Nuklearwaffen unter internationaler Aufsicht abzurüsten. Zwar haben die Atommächte der Welt seitdem schätzungsweise 60.000 Atomsprengköpfe vernichtet – aber nicht unter Aufsicht. Wichtige Aspekte blieben infolgedessen ungeprüft: beispielsweise die Frage, ob das radioaktive Material in den Waffen tatsächlich so behandelt wurde, dass es nicht noch einmal für Kriegszwecke eingesetzt werden kann. Noch heute existieren weit über 10.000 Sprengköpfe: Genug, um die Welt mehrfach zu vernichten.
„Atommächte halten die Konstruktionsdetails ihrer Nuklearwaffen streng geheim. Deswegen wollen sie sich bei deren Abrüstung nicht in die Karten schauen lassen und lehnen die international kontrollierte Abrüstung ab, solange keine Verfahren entwickelt sind, die die Geheimhaltung solcher Informationen garantieren“, erklärt der Physiker Prof. Dr. Gerald Kirchner, Leiter des Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrums für Naturwissenschaft und Friedensforschung der Universität Hamburg. „Bei unserer Übung darf deswegen niemand den von uns entworfenen Nuklearsprengkopf sehen und die Atommacht verweigert viele Messungen, weil diese Rückschlüsse auf den Aufbau und die Sprengkraft ihrer Waffe ermöglichen würden.“
Bei einer vorangegangenen Übung im Jahr 2019 wurden Verfahren getestet, welche die Anforderungen der Nuklearwaffenstaaten erfüllten, beispielsweise die Verwendung von Messgeräten, die statt konkreter Werte nur Ampelfarben anzeigten. „Das Ganze funktionierte, aber die Inspizierenden waren zu langsam“, erklärt Prof. Kirchner. „Sie brauchten dreieinhalb Tage, um die Demontage eines bereits vom Trägersystem getrennten Sprengkopfs zu überwachen, sogar noch ohne Weiterverarbeitung des radioaktiven Materials.“
Diesmal werden die Teilnehmenden – darunter Delegierte der Atommächte Frankreich, Großbritannien und USA sowie Expertinnen und Experten aus Ländern, die keine Atomwaffen besitzen, wie Kanada, Japan oder Norwegen – Verfahren testen, welche die Abläufe beschleunigen sollen. Beispielsweise wurden die Gebäude bislang mit Geigerzählern nach heimlich zur Seite geschafftem, radioaktivem Material durchsucht. Nun soll ein neues, bildgebendes Verfahren mit einer einzigen Messung zeigen können, ob die fiktive Atommacht versucht, radioaktives Material abzuzweigen.
„Kommt es jemals zu einer vertragsgemäßen Abrüstung, müssen mehrere hundert Nuklearwaffen jährlich beseitigt werden. Dreieinhalb Tage für einen einzelnen Sprengkopf und einen einzigen Schritt des Abrüstungsprozesses wären zu langsam“, so Kirchner. „Aber entscheidend ist die Botschaft, dass kontrollierte Abrüstung möglich ist – unter Wahrung der Geheimhaltung und auch in einem akzeptablen Zeitrahmen.“
Ein Interview mit Prof. Kirchner zu der Übung finden Sie im Newsroom der Universität Hamburg.