13. Juli 2020
Befragung zur Coronavirus-Pandemie in sieben europäischen LändernDie Impfbereitschaft sinkt, die Sorge über Nebenwirkungen wächst
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In einer repräsentativen Studie unter Leitung des Hamburg Center for Health Economics (HCHE) der Universität Hamburg wurden jeweils im April und Juni 2020 mehr als 7.000 Menschen in Deutschland, Dänemark, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Portugal und dem Vereinigten Königreich befragt.
Insgesamt sank die Impfbereitschaft gegen das Coronavirus in den befragten Ländern von 74 Prozent im April auf 68 Prozent nur zwei Monate später. Bis auf Portugal verzeichnen alle Länder geringere Zahlen, die größten Abweichungen gibt es in Italien (minus 13 Prozent) und Deutschland (minus 9 Prozent). Deutschland weist zudem – neben Frankreich – die geringste Zustimmung zur Impfung unter den befragten europäischen Ländern auf. Gleichzeitig verdoppelte sich hierzulande die Zahl der Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen. In Deutschland sagt dies inzwischen jeder Fünfte. „Bedenklich ist, dass zunehmend mehr Menschen eine Impfung gegen das Coronavirus ablehnen, und dies sind weit mehr Menschen als die, die grundsätzlich Impfungen ablehnen“, erklärt Prof. Dr. Jonas Schreyögg, wissenschaftlicher Direktor des HCHE.
Mit großem Abstand sorgen sich die meisten Menschen in allen befragten Ländern vor möglichen Nebenwirkungen und um eine nicht ausreichende Wirksamkeit eines möglichen Impfstoffes. 45 Prozent der Menschen, die eine Impfung ablehnen, und 61 Prozent derjenigen, die unsicher sind, nennen dies als die wichtigsten Gründe. Immerhin jeder Siebte, der gegen eine Impfung ist, glaubt nicht, dass das Virus gefährlich für die eigene Gesundheit ist.
Die Studie zeigt allerdings auch, dass Befragte, die von sich selbst sagen, dass sie Informationen von Regierung, Europäischer Union und der Weltgesundheitsorganisation vertrauen, aufgeschlossener gegenüber einer Impfung sind. „Politik und Wissenschaft sollten daher über mögliche Nebenwirkungen sowie die Wirksamkeit eines Impfstoffes sehr transparent kommunizieren und für das Vertrauen der Bürger werben“, empfiehlt Jonas Schreyögg.
Nord-Süd-Gefälle in Deutschland
„Die höchste Zustimmung in allen Ländern finden wir bei Männern, die älter als 55 Jahre sind, und bei denjenigen, die in einem Haushalt mit älteren Menschen oder mit einer Person mit chronischen Vorerkrankungen leben“, so Schreyögg weiter. Frauen sind über alle Altersgruppen hinweg unsicherer, ob sie sich impfen lassen wollen oder nicht. Speziell in Deutschland zeigt sich, dass Familien und Haushalte mit körperlich oder geistig behinderten Menschen die geringste Impfbereitschaft unter allen Haushaltskonstellationen haben.
Zudem verteilt sich die Impfbereitschaft innerhalb Deutschlands unterschiedlich: Die Impfbereitschaft nimmt von Norden (67 Prozent) nach Süden (56 Prozent) ab. In Bayern beispielsweise ist nur jeder Zweite (52 Prozent) bereit, sich impfen zu lassen. Zwischen alten (60 Prozent) und neuen Bundesländern (65 Prozent) gibt es dagegen nur geringe Unterschiede.
Gerechte Verteilung eines Impfstoffes
Mit der Verfügbarkeit eines Impfstoffs stellt sich zugleich die Verteilungsfrage, schließlich wird nicht für alle impfbereiten Menschen unmittelbar Impfstoff bereitstehen. Wer sollte darüber bestimmen, wer einen Impfstoff gegen das Coronavirus als Erstes erhält? Hier sind sich die Befragten in allen Ländern einig: Sie sprechen die höchste Kompetenz Krankenhäusern und Ärzten (61, in Deutschland 54 Prozent), dem Gesundheitsministerium (55, in Deutschland 47 Prozent) oder einem nationalen Expertenteam (54, in Deutschland 46 Prozent) zu.
Weniger geeignet sind aus Sicht der Befragten die Regierung oder das Parlament. Die Entscheidung darüber dem Pharmaunternehmen zu überlassen, das den Impfstoff auf den Markt bringt, lehnt die Bevölkerung in allen befragten Ländern mehrheitlich ab (über alle Länder 55, in Deutschland 61 Prozent), ebenso wie eine Volksabstimmung (56, in Deutschland 54 Prozent) oder eine Verlosung (67, in Deutschland 71 Prozent).
Eine Darstellung der ersten Ergebnisse des Projektes ist auf der Webseite des HCHE zu finden.
Die Befragung erfolgt als Kooperationsprojekt des Hamburg Center for Health Economics der Universität Hamburg, der Universitäten Nova School of Business and Economics (Portugal), Bocconi University (Italien) und Erasmus University Rotterdam (Niederlande). Die Universität Hamburg fördert das Projekt aus Mitteln der Exzellenzstrategie.