1. Oktober 2019
Experiment zeigt:Menschen lügen ungeliebte Instanzen häufiger an
Foto: Stefan Baumgärtner
Die Ehrlichkeit von Fischern spielt eine wesentliche Rolle bei der Einhaltung von EU-Fischereiquoten und anderen Vorschriften wie dem erst kürzlich eingeführten „Rückwurfverbot“. Nach dieser Regelung muss der gesamte Fang an Land gebracht werden – auch Tiere, die zugunsten des Erhalts der Bestände nicht gefangen werden dürfen. Die Tiere überleben den Fang in der Regel nicht und wurden bislang zurück ins Meer geworfen. Auch wegen solcher Verbote genießt die EU unter deutschen Fischern keinen guten Ruf.
„Eine Überwachung würde viel Geld kosten“, sagt Erstautor Prof. Dr. Moritz Drupp von der Universität Hamburg und verweist darauf, dass das Verbot aktuell kaum kontrolliert wird. „Deshalb ist die Frage, wie ehrlich Fischer gegenüber der ungeliebten Kontrollinstanz sind, von wesentlichem Interesse bei der Regulierung öffentlicher Ressourcen wie Meeresfischen.“
Im Rahmen der Studie, die gemeinsam mit dem Kieler Institut für Weltwirtschaft, dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) sowie der Universität Leipzig durchgeführt wurde, bekamen alle knapp 900 deutschen Berufsfischer einen Brief, der eine Umfrage zu ökonomischen Entscheidungen ankündigte.
Unter anderem sollten sie vier Mal eine Ein-Euro-Münze werfen und den Forschenden zurückmelden, wie oft diese mit der Kopf- oder Zahl-Seite nach oben liegen blieb. Jede ‚Zahl‘ bedeutete einen realen Geldgewinn von fünf Euro, jeder ‚Kopf‘ jedoch keinen Gewinn. Allerdings bekamen nicht alle Fischer denselben Brief: Ein Teil der Briefköpfe zeigte nur die Logos der Universitäten, ein anderer Teil zusätzlich das Logo der EU.
Den 120 Teilnehmenden war klar, dass die Angaben nicht kontrolliert werden konnten. Und so machten einige falsche Angaben: drei und vier ‚Zahl‘-Würfe wurden überproportional häufig gemeldet. Allerdings hielten sich im Schnitt immerhin vier von fünf Fischern an die Wahrheit – wenn der Briefkopf nur die Logos der Forschungseinrichtungen enthielt. Sobald aber die Flagge der EU im Briefkopf erschien, änderte sich das Ergebnis. Dann antwortete fast jeder dritte Fischer unehrlich.
Auch bei einer weiteren EU-kritischen Gruppe zeigte sich ein größerer Hang zur Unehrlichkeit gegenüber der wenig geschätzten Institution: den Brexit-Wählerinnen und -Wählern. Wenn bei dieser Gruppe auf der Antwortseite die EU-Flagge abgebildet war, haben auch sie häufiger unehrliche Ergebnisse zur eigenen Bereicherung gemeldet als wenn die Flagge fehlte. Eine weitere Kontrollgruppe bestand aus Studierenden der Universität Kiel. Hier antworteten sogar insgesamt weniger als die Hälfte ehrlich über ihre Münzwurf-Ergebnisse.
„Die Ergebnisse zeigen klar: Wenn nicht kontrolliert wird, kommt es wesentlich darauf an, welche Einstellung der Regulierte gegenüber der regulierenden Instanz hat – in diesem Fall der EU“, sagt Ko-Autor Prof. Martin Quaas, Professor für Biodiversitätsökonomik in Leipzig.
Originalpublikation:
Drupp, M. A., Khadjavi, M., Quaas, M. F. (2019), Truth-telling and the regulator. Experimental evidence from commercial fishermen. European Economic Review. DOI: https://doi.org/10.1016/j.euroecorev.2019.103310