13. Juni 2016
Zwei Millionen Euro für Verbundforschungsprojekt:Universität Hamburg nimmt Führungsposition in zeitaufgelöster Strukturbiologie ein
Foto: privat
Für ein Verbundforschungsprojekt an der Röntgenlichtquelle PETRA III des Forschungszentrums DESY erhält die Universität Hamburg rund zwei Millionen Euro vom Bundesforschungsministerium (BMBF). Beteiligt an dem Projekt mit dem Titel „Hadamard-Kristallographie als Methode zur zeitaufgelösten Untersuchung der Strukturdynamik von Biomolekülen“ sind Wissenschaftlerteams des Exzellenzclusters „The Hamburg Centre for Ultrafast Imaging“ (CUI) der Universität Hamburg, des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Hamburg und vom Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY). Die Laufzeit der Förderung beträgt drei Jahre.
„Das ist ein großer Erfolg für unsere Forschung“, sagt Prof. Dr. Arwen Pearson, Projektleiterin am CUI. „Die Förderung versetzt uns in Hamburg in die Lage, in den nächsten Jahren die führende Position bei der Erforschung der zeitaufgelösten Strukturbiologie einzunehmen. Damit werden wir endlich verstehen, wie sich Biomoleküle verändern, wenn sie im Körper aktiv sind. Dieses Wissen braucht die Forschung, um zum Beispiel passgenaue Medikamente entwickeln zu können“, ergänzt Prof. Pearson. Initiiert wurde das Projekt von Forscherinnen und Forschern des CUI. Außerdem beteiligt sind die Arbeitsgruppen von Prof. Nils Huse (CUI, Universität Hamburg), Dr. Thomas Schneider (EMBL Hamburg), Prof. Henry Chapman (CUI, DESY, Universität Hamburg), Prof. Christian Betzel (CUI, Universität Hamburg) und Prof. Martin Trebbin (CUI, Universität Hamburg).
Die von Prof. Pearson entwickelte Hadamard-Kristallographie basiert auf der mathematischen Methode der Hadamard-Transformation. Dabei wird in einem Biomolekül eine Reaktion angestoßen und diese anschließend mit einer Abfolge von Röntgenpulsen untersucht. Aus diesen Pulsen ergibt sich ein einzelnes kristallographisches Bild – in etwa wie bei einer lang belichteten Fotografie. Das Experiment wird mit anderen Abfolgen von Lichtpulsen wiederholt, sodass jeweils ein anderes kristallographisches Bild entsteht. Aus den Unterschieden in den Bildern und der Pulsabfolge lässt sich mit der Rechenmethode des französischen Mathematikers Jacques Hadamard ein Film gewinnen, der zeigt, wie sich die Struktur im Molekül verändert.
Um die Anwendung der Hadamard-Kristallographie zu erleichtern, sollen mit den Fördergeldern zwei bestehende Strahlführungen der Röntgenquelle PETRA III erweitert werden: Die DESY-Strahlführung P11 erhält ein weiteres Spiegelsystem, mit dem die Röntgenstrahlen gebündelt werden können. Damit werden zeitaufwendige Umbauten in Zukunft überflüssig. Des Weiteren entsteht hinter der Experimentierstation an der EMBL-Strahlführung P14 ein dedizierter Messplatz für die Hadamard-Datensammlung.
Das Projekt ist zwar an PETRA III angesiedelt, gleichzeitig streben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aber auch Experimente an, von deren Ergebnissen Freie-Elektronen-Laser (FEL) profitieren werden: Die innerhalb des Projektes erprobten optimierten Designs sollen direkt auf die geplanten Experimente am 3,4 km langen Röntgenlaser European XFEL übertragen werden, der gerade in der Metropolregion gebaut wird. Beide Systeme können sich ergänzen: Der Europäische XFEL ermöglicht mit seiner Schnelligkeit und Strahlungsstärke den direkten Blick auf ultraschnelle chemische Prozesse; die Synchrotronlichtquelle PETRA III ist dagegen für die Untersuchung der korrespondierenden makromolekularen biologischen Prozesse im vergleichsweise langsamen Nano- und Millisekunden-Bereich ideal.
Prof. Dr. Henry Chapman, Professor für Physik an der Universität Hamburg und Leiter der Abteilung „Kohärente Röntgenbildgebung“ am Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) beim DESY: „Die wissenschaftlichen Erfolgsaussichten unseres Projekts sind hervorragend. Wir entwickeln völlig neue Forschungsmethoden, mit denen wir die besten Röntgenlichtquellen der Welt, die wir hier in Hamburg haben, optimal ausnutzen. Künftig eröffnen sich Forschungsansätze in den Lebenswissenschaften, die bislang nicht möglich waren.“