24. März 2015
Abgekühlt zu neuen UfernBiologinnen untersuchen Rolle von Heterothermie bei der Besiedlung von Lebensräumen
Foto: UHH/Dausmann
Ob Winterschlaf oder Winterruhe – in Jahreszeiten mit kalten oder anderweitig widrigen Umweltbedingungen die Körperfunktionen auf ein Minimum reduzieren zu können, ist für viele Tiere eine überlebenswichtige Fähigkeit. Doch viele Arten können auch spontan und saisonunabhängig ihren Energiebedarf regulieren, zum Beispiel in akuten Gefahrensituationen. Welche Rolle diese sogenannten heterothermen Tiere bei der Besiedlung von neuen Lebensräumen spielten, haben Dr. Julia Nowack und Prof. Dr. Kathrin Dausmann von der Universität Hamburg untersucht. Besonderer Schwerpunkt war dabei die Besiedlung der Insel Madagaskar. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscherinnen in der aktuellen Ausgabe der „Mammal Review“.
Die Biologinnen untersuchten die Hypothese, dass die Strapazen der Eroberung eines neuen Lebensraums wie die Durchquerung eines unwirtlichen Gebiets nur von Tieren überstanden werden können, die in diesen Situationen in den sogenannten Tagestorpor wechseln können. Dafür erstellten sie einen Überblick des aktuellsten Forschungsstandes. Tagestorpor beschreibt die Herunterregulierung sämtlicher Lebensvorgänge, die kontrolliert und zeitlich eng begrenzt ist, aber dennoch fast den Energiespareffekt des Winterschlafs hat. Im Gegensatz zu diesem kann Tagestorpor aber spontan auftreten und bedarf keiner langen Vorbereitung in Form von Fettspeicherung, was bei der Überwindung unwirtlicher Lebensräume und der Besiedlung eines neuen Gebietes von Vorteil wäre.
Nowack und Dausmann nennen als Beispiel den Moholi-Galago, ein in Afrika beheimateter kleiner Halbaffe. Er kann in Tagestorpor verfallen, tut dies allerdings nur in Notsituationen, zum Beispiel bei Naturkatastrophen und anschließender Nahrungsknappheit. Arten mit dieser Möglichkeit hätten bei der Besiedlung neuer Lebensräume noch einen weiteren Vorteil: Durch den Torpor kann die Austragung des Nachwuchses hinausgezögert werden. Ein schwangeres Weibchen könnte damit im neuen Lebensraum eine Gründerpopulation aufbauen, ohne auf Artgenossen angewiesen zu sein.
Speziell Madagaskar stand in der Untersuchung im Vordergrund. Die afrikanische Insel ist die viertgrößte der Welt und entstand vor 120 Millionen Jahren durch Abspaltung vom Festland. Die Fauna der Insel ist vergleichsweise arm, es gibt nur wenige, nicht flugfähige, am Boden lebende Säugetier-Gruppen. Dausmann und Nowack kommen in ihrer Studie zu dem Schluss, dass die Besiedlung höchstwahrscheinlich durch Individuen stattgefunden hat, die auf Ästen oder anderer Vegetation über das Meer auf die Insel getrieben wurden. Nach einer Untersuchung der heute auf Madagaskar und dem Festland lebenden Tiergruppen folgern die Biologinnen, dass auch im Fall der Besiedlung Madagaskars die Heterothermie eine wichtige Rolle gespielt haben könnte. In vielen dieser Spezies sei die Fähigkeit zum Torpor noch heute vorhanden.
„Die Studien zeigen deutlich die Vorteile des Torpor als Energiespar-Strategie – nicht nur saisonabhängig, sondern auch in akuten Mangelsituationen“, fasst Prof. Dausmann den Artikel zusammen. Er könne sowohl den beschwerlichen Weg zu den neuen Lebensräumen sowie deren Besiedlung begünstigen.
Für Rückfragen
Prof. Dr. Kathrin Dausmann
Universität Hamburg
Abteilung Tierökologie und Naturschutz
Tel.: 040.42838-3864
E-Mail: kathrin.dausmann"AT"uni-hamburg.de
Dr. Julia Nowack
University of New South Wales
Zoology
E-Mail: jnowack"AT"une.edu.au