13. Mai 2011
Beschluss des Akademischen Senats der Universität Hamburg vom 12. Mai 2011Anforderungen der Universität an den neuen Senat
Die Universität Hamburg ist durch permanente Unterfinanzierung und durch zahlreiche Bestimmungen des geltenden Hochschulgesetzes in der Weiterentwicklung von Forschung, Lehre und Bildung behindert worden. Der Akademische Senat hat sich mit seinen Beschlüssen mehrfach dagegen gewendet und für einen Kurswechsel plädiert.
Im Folgenden formuliert die Universität ihre Erwartungen an den neu gewählten politischen Senat in Hamburg.
Studiengebühren
Der Akademische Senat spricht sich für die baldigst mögliche Abschaffung der Studiengebühren aus. Dabei ist unerlässlich, dass die bis dahin von den Studierenden eingeholten Einnahmen der Hochschulen in vollem Umfang staatlich kompensiert werden.
Die Studiengebühren sind zum WiSe 2011/12 abzuschaffen. Das stärkt die studentische Beteiligung an der Studienreform. Studiengebühren stehen einer demokratischen Studienreform entgegen, weil sie sozialen Druck und damit Mangel an Zeit bedeuten sowie ein Kunden/Dienstleisterverhältnis konstituieren sollen.
Finanzierung der Hochschulen
Die Unterfinanzierung der öffentlichen Hochschulen ist Ausdruck des Widerspruchs zwischen einerseits der wachsenden gesamtgesellschaftlichen Bedeutung wissenschaftlicher Bildung und Forschung und andererseits der politischen Entscheidung für eine restriktive Haushaltspolitik. Seit den frühen 1990er Jahren ist die Universität Hamburg mehrfach durch sogenannte Sparrunden in der Erfüllung und Erweiterung ihrer Aufgaben in Forschung, Lehre, Studium und Selbstverwaltung stark eingeschränkt worden. Die Fächer und die Studienplätze haben darunter gelitten.
Im Leitbild der Universität sind als Maßstäbe einer gesellschaftlich notwendigen Entwicklung die Kooperation zwischen den Fächern und die Förderung der Internationalität, die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre, die Bildung mündiger Menschen, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Zuwendung der Wissenschaften zu gesellschaftlichen Aufgaben formuliert. Die Universität will damit einen Beitrag zur zivilen, ökologisch nachhaltigen, sozial verantwortlichen und demokratischen Entwicklung der Gesellschaft leisten.
Für die verantwortungsvolle Verwirklichung der gesellschaftlichen Aufgaben der Universität, wie sie im Leitbild gefasst sind, ist die Überwindung ihrer Unterfinanzierung unerlässlich. Der Akademische Senat unterstützt den Präsidenten der Uni Hamburg in der Forderung, den Etat der Universität dauerhaft gegenüber den Ansätzen der vergangenen Jahre um errechnete 50 Mio. Euro aufzustocken und das strukturelle finanzielle Defizit zu beheben.
Hochschulstruktur
Ausgangslage
Angesicht der im Rahmen der Evaluation von mehreren Hochschulen dargelegten Probleme ergeben sich erhebliche Defizite in der Kommunikation, Transparenz und Arbeitsfähigkeit in den Hochschulen. Dies erfordert Verbesserungen bei den Mitwirkungsverfahren der Hochschulangehörigen, die eine Beteiligung an Entscheidungen der Hochschule vorsehen und die Entwicklung der Wissenschaft, und dafür auch die Entwicklung der Hochschule, in die Hände ihrer Mitglieder legen.
Transparenz und Partizipation
Eine künftig gestärkte Beteiligung der Mitglieder an der Entwicklung der Hochschulen darf sich nicht auf Bestätigungs- und Auskunftsrechte beschränken, sondern sollte Entscheidungsbefugnisse einschließen. Die Einrichtung von Organisationseinheiten (unterhalb der Fakultäten) muss im Gesetz soweit geregelt werden, dass dort geregelte Willensbildungsprozesse unter Beteiligung aller Gruppen möglich sind.
Das HmbHG sieht z.Zt. eine Auffangzuständigkeit von Präsidium/Dekanat vor; damit werden die Gremien (Hochschulsenat/Fakultätsrat) zu Organen von minderem Rang. Dies ist im HmbHG zu ändern, indem Aufgaben, die nicht explizit einem Organ zugeordnet sind, von beiden Organen zu entscheiden sind.
Wahl der Leitungsgremien
Der Akademische Senat befürwortet die Verlagerung der Entscheidung zur Wahl der Leitungsorgane auf die Gremien. Deren volles Wahlrecht sollte nicht durch eine mögliche Findungskommission auf die Wahl nur einer/s möglichen Kandidatin/en beschränkt werden.
Hochschulrat
Der Hochschulrat ist in ein Beratungsgremium umzuwandeln.
Ziel- und Leistungsvereinbarungen
Wenn Ziel- und Leistungsvereinbarungen innerhalb der Hochschulen getroffen werden, dürfen diese nicht Entscheidungen der Selbstverwaltungsorgane aufheben oder umgehen. Zudem müssen die durch die Ziel- und Leistungsvereinbarungen regelbaren Fragen enger gefasst werden, so dass keine zu detailtiefe Steuerung möglich wird.
Hochschulverträge müssen gleichberechtigt verhandelt werden; eine ersatzweise einseitige Festlegung von Zielen und Leistungen seitens der Behörde wird daher abgelehnt.
Für gleichberechtigte, kooperative Verhandlungen zur Entwicklung der Hochschule ist eine bedarfsdeckende Finanzierung der Hochschulen erforderlich.
Studienbedingungen
- Der Master muß zum Regelabschluß werden. Jeder Bachelor-Absolvent muß die Möglichkeit erhalten, in seinem Fach/einem verwandten Fach einen Masterstudiengang ohne weitere Eingangsprüfung/Zulassungsbeschränkung zu belegen. Dafür sind die notwendigen Kapazitäten zu schaffen.
- Die Hochschulen müssen wieder über die Struktur der Studiengänge souverän entscheiden können anstatt durch Ziel- und Leistungsvereinbarungen und andere behördliche Vorgaben in diesem Recht eingeschränkt zu werden. Damit sollen die Hochschulen auf Grundlage von § 52 i.V.m. § 67 HmbHG wieder die Möglichkeit erhalten, Studiengänge auch in der klassischen Struktur und mit den tradierten Abschlüssen anzubieten, wenn dies wissenschaftlich geboten ist.
- Die Gremien auf der zentralen Hochschulebene erhalten wieder entscheidende Rechte in Bezug auf die Einrichtung, Änderung und Aufhebung von Studiengängen bzw. in der „Qualitätssicherung“. Die Akkreditierungspflicht ist abzuschaffen. Die Verantwortung für die wissenschaftliche Entwicklung der Studiengänge muß auf der wieder einzurichtenden Gremien-Ebene der Fachbereiche/Departments liegen. Dort müssen regelhaft Studienreformausschüsse/Ausschüsse für Lehre und Studium vorgesehen sein.
- Die Regelstudienzeiten müssen an die durchschnittliche Studiendauer angeglichen werden. Sie müssen von einer Normgröße für das Studierverhalten wieder zu einer Normgröße für das von den Hochschulen zu gewährleistende Studienangebot werden.
- Die „Berufsqualifizierung“ als Kennzeichen von Studienabschlüssen, insbesondere der Bachelorabschlüsse, ist zu streichen.
Hochschulbau
Der Akademische Senat begrüßt, dass die Bürgerschaft die bauliche Entwicklung der Universität mit hohen Summen unterstützen wird. In der Debatte zu dieser Entwicklung ist der wissenschafts- und bildungspolitische Bedarf der Universität statt stadtentwicklungspolitischer Erwägungen an die erste Stelle zu rücken.
Die aufgeklärt bürgerliche Gründungsgeschichte, ihre widersprüchliche Entwicklung im jüdischen Viertel und ein demokratischer Aufbruch mit der Ambition, Humboldt’sche Bildungsansprüche gesellschaftlich zu verallgemeinern, prägen die Entwicklung der Universität und kommen auch baulich zum Ausdruck. Der bewusste Umgang mit dieser Geschichte ist die Basis einer souveränen Entwicklung der Universität in gesellschaftlicher Verantwortung. Die Universität ist in Stadt und Stadtteil gut gewachsen. Sie liegt zentral, ist hervorragend regional und überregional erreichbar, belebt den umgebenden Bezirk ökonomisch, kulturell und sozial und gedeiht durch die gesellschaftliche Integration ihrer wissenschaftlichen Einrichtungen. Diese Elemente sind bei der baulichen Entwicklung der Hochschule zu wahren und weiterzuentwickeln.
Erfordernisse, die für die Bauentwicklung zu berücksichtigen sind
Die angestrebte Verstärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit in Forschung und Lehre setzt eine große räumliche Nähe der beteiligten Akteure voraus. Eine wichtige Zielsetzung der Universität ist die Intensivierung der Kooperation mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die zu relevanten Teilen bereits in ihrer Nähe sind.
Für den Alltag von Studierenden und Universitätsmitarbeitern/innen sind soziale und kulturelle Infrastruktur auf dem Campus bzw. in direkter räumlicher Nähe zum Campus (Grünanlagen, Sportanlagen, Kita, Kultureinrichtungen, etc.) nötig, sowie gute regionale und überregionale Verkehrsanbindungen, Ruhe, gute Luft und Erschütterungsarmut. Die dringend erforderlichen Baumaßnahmen sollten insgesamt in einem solchen finanziellen Rahmen liegen, dass sie auch tatsächlich umgesetzt und abgeschlossen werden können. Sie sollten, um den Betrieb möglichst wenig zu belasten, binnen zehn Jahren realisiert werden. Eine weitere Verzögerung des Baubeginns ist für die Universität nicht hinnehmbar.
Der Akademische Senat der Universität Hamburg fordert die Bürgerschaft und den Senat der FHH deshalb auf, zügig politisch und finanziell den Weg für die dringend notwendigen Sanierungen sowie für eine bedarfsgerechte und geschichtsbewusste Erweiterung der Universität in Eimsbüttel frei zu machen.
Dabei soll die weitere Zusammenführung von universitären Einrichtungen gefördert und Rücksicht auf die Belange der Anlieger genommen werden. Die BWF möge sich deshalb insbesondere dafür einsetzen, dass das alte Fernmeldegebäude in der Schlüterstraße für universitären Gebrauch erschlossen werden kann. Der Bezirk Eimsbüttel möge eine zügige Baurealisierung nach allen Kräften unterstützen. Die Gremien der Universität sollten dabei kontinuierlich einbezogen werden.
Wissenschaftsentwicklung
Die Universität Hamburg bekennt sich zu einem Zukunftskonzept für eine nachhaltige Universität in allen Dimensionen. Diese reichen von den Forschungsgegenständen über die Forschungsmethoden, die Nachhaltigkeit von Lehren und Lernen bis hin zu neuen Formen partizipativer Entscheidungsfindungen. Der Wissenschaftsrat hat dieses Konzept als „mutig und visionär“ charakterisiert, sich indessen wegen des auf Spitzenforschung orientierten Wettbewerbs nicht entschließen können, eine Förderung zu empfehlen. Gleichwohl fühlt sich die Universität ermutigt, beispielsweise durch den ausdrücklichen positiven Hinweis auf das Konzept einer nachhaltigen akademischen Lehre, den Weg fortzusetzen und die beabsichtigten Einrichtungen und Prozesse ins Leben zu rufen. Dazu gehören Formen der Governance, die Fokussierung auf Forschungsthemen der Nachhaltigkeit, die Gründung einer zentralen Einrichtung für akademische Lehre und ihrer Erforschung sowie die Etablierung von zentralen Angeboten für die Graduiertenausbildung und die Förderung von post docs.
Die Universität ist – teilweise bereits erfolgreich – bemüht, für diese aus dem Exzellenzwettbewerb des Bundes und der Länder nicht finanzierten Organisationsformen Mittel Dritter zu akquirieren. Dieses ist bereits in erheblichem Umfang für den Bereich nachhaltigen Lehrens und Lernens bei Stiftungen der Stadt erfolgreich gewesen. Eine umfangreiche Bewerbung im Rahmen des Qualitätspakts Lehre des Bundes befindet sich im Entscheidungsverfahren.
Für eine Reihe der vorgesehenen Aufgaben, insbesondere aber auch für Stipendien, wird es der Natur der diversen Stiftungszwecke nach keine Förderungsmöglichkeiten durch Dritte geben. Der Akademische Senat fordert deshalb das Land auf, die im Rahmen des Zukunftskonzepts der Bundesexzellenzinitiative beantragten, und noch nicht durch Dritte finanzierten Maßnahmen aus Mitteln des Landes sicher zu stellen.
Für Rückfragen:
christiane.kuhrt@uni-hamburg.de (christiane.kuhrt"AT"uni-hamburg.de)