12. Januar 2005
Wissenschaftler am Zentrum für Marine und Atmosphärische Wissenschaften (ZMAW) in Hamburg fordern UN-Behörde für Frühwarnungen vor Naturkatastrophen
Eine mangelnde Infrastruktur zur Auswertung und Kommunikation von bereits vorhandenen wissenschaftlichen Daten führte letztendlich dazu, dass in den vom Seebeben betroffenen Gebieten Millionen Menschen nicht gewarnt werden konnten. Selbst in Deutschland gibt es nach Auskunft der Wissenschaftler keine geeignete Infrastruktur, um vor einer allerdings sehr unwahrscheinlichen Tsunami Welle in Nord- oder Ostsee zu warnen.
Eine fehlende UN Behörde für die Auswertung von bereits vorhandenem wissenschaftlichen Datenmaterial zur Vorhersage von Naturkatastrophen ist nach Ansicht von Prof. Dr. Hartmut Graßl, Direktor am Max-Planck Institut für Meteorologie in Hamburg und langjähriger Leiter des Weltklimaforschungsprogramms, eine der dringendsten Notwendigkeiten nach der verheerenden Flutkatastrophe in Südasien. In einem Expertengespräch am Zentrum für Marine und Atmosphärische Wissenschaften (ZMAW) legten Wissenschaftler den betroffenen Ländern nahe, wenigstens einen Bruchteil der Gewinne aus der Tourismuswirtschaft in Vorsorgemaßnahmen zu investieren, um die eigene Bevölkerung und Touristen vor weiteren Naturkatastrophen zu schützen.
Obwohl mit Hilfe hochauflösender Satellitendaten unmittelbar nach der Katastrophe das gesamte Ausmaß hätte erkannt werden können, ist es nach Ansicht von Prof. Dr. Detlef Stammer, Fernerkundungsspezialist und Ozeanograph am ZMAW, fast unmöglich, mit Satellitendaten ein Tsunami vorherzusagen, da diese Daten noch mit entsprechenden seismologischen Daten verknüpft werden müssen. Dennoch ist es nach Ansicht der Wissenschaftler unvertretbar, dass namhafte Weltraumagenturen erst nach mehreren Tagen die Bilder im Internet veröffentlicht haben, anstatt sie primär den betroffenen Staaten direkt zur Verfügung zu stellen.
Tsunami Wellen haben auf der offenen See nur eine Höhe von cirka einem Meter und breiten sich jedoch mit bis zu 1000 Kilometern pro Stunde aus, vergleichbar der Geschwindigkeit eines Verkehrsflugzeuges. Deswegen sind sie auch mit modernen Satellitensystemen schwer zu orten. Erst in den Küstengebieten türmen sich die Wassermassen dann zu gefährlichen bis zu 30 Meter hohen Wellen auf.
Im Gegensatz zur Schweiz oder anderen Ländern gibt es nach Angaben von Prof. Dr. Thorsten Dahm (ZMAW) in Deutschland kein 24 Stunden - 7 Tage Eilmeldungssystem für Erdbeben, sodass eine rechtzeitige Warnung vor einer durch Erdbeben ausgelösten Flutwelle an der Nordsee nicht gewährleistet werden kann.
Nach Ansicht der Wissenschaftler am ZMAW wäre die Erweiterung des bereits etablierten Flutwarnsystems am Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg um einen marinen Naturkatastrophenwarnservice sinnvoll. Dieser zusätzliche Service wäre zu einem Preis im Gegenwert von weniger als 15 Autobahnkilometerneubau pro Jahr zu haben. Allerdings gebe es auch dann keine absolute Sicherheit, rechtzeitig vor ungewöhnlichen Naturkatastrophen warnen zu können.
Das gesamte Gespräch hat einer Länge von 32 Minuten. Die komplette oder auszugsweise Verwendung des Materials ist nur nach Rücksprache mit dem ZMAW gegen ein Belegexemplar erwünscht.
Pressestelle im Zentrum für Marine und Atmosphärische Wissenschaften Bundesstrasse 53, 20146 Hamburg, E-Mail: info"AT"zmaw.de
Die Interviewpartner sind telefonisch wie folgt erreichbar:
Prof. Dr. Hartmut Graßl, Max-Planck-Institut für Meteorologie, Tel.: (040) 4 11 73-225
Prof. Dr. Thorsten Dahm, ZMAW, Tel.: (040) 4 28 38-29 80
Prof. Dr. Hartmut Stammer, ZMAW Tel.: (040) 4 28 38-50 52
Sendefertige Kopien des Materials können bei ALDEBARAN Marine Research & Broadcast in Hamburg telefonisch bestellt werden: (040) 3 25 72 10
Für Rückfragen:
Peter Wiegand
Tel.: (040) 4 28 38-45 21, E-Mail: Peter.Wiegand"AT"uni-hamburg.de