3. November 2005
Der Humanität und Wahrheit verpflichtet
In der Nacht des 9. November 1938 zogen Nationalsozialisten gewalttätig gegen jüdische Bürgerinnen und Bürger. 1300 Synagogen und zahllose private Einrichtungen wurden zerstört, Menschen in der Öffentlichkeit, in ihren Geschäften und Wohnungen gedemütigt; sie wurden verschleppt, gefoltert und ermordet. Dieser Akt war ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum Holocaust, in dem 6 Millionen Menschen jüdischer Herkunft umgebracht wurden. Die Hatz gegen alles nicht "Völkische", die falschen Versprechen, die Einschüchterungen und der offene Terror sollten nun ungebremst die Diktatur garantieren. Das Bündnis der Eliten trug hierfür große Verantwortung.
Auch an den Hochschulen waren Opportunismus und, seltener, offene Parteinahme für die Gleichschaltung dominant. Verharmlosung und mangelnde Zivilcourage waren - trotz vereinzelter Warnungen und Beispielen mutigen Widerstandes - weit verbreitet. Die zahlreichen Anhänger eines demokratiefernen, elitären Wissenschafts- und Bildungsverständnisses duldeten, entschuldigten oder legitimierten den frühen, entwürdigenden Terror des NS-Studentenbundes und anderer, nicht nur nationalsozialistischer Organisationen gegen aufgeklärt-liberale und linke Kommilitoninnen/en und Hochschullehrer/innen, insbesondere gegen jüdische Universitätsmitglieder. Entgegen der demokratischen Verpflichtung der Wissenschaften zu Wahrhaftigkeit und Humanität verbanden sich Ignoranz und Opportunitätsdenken auch an der 1919 gegründeten Hamburger Universität vielfach zu einer pseudowissenschaftlichen Legitimierung der Nazigreuel und der ideologischen wie technischen Kriegsvorbereitung und -durchführung.
Jedoch: Es gab couragierte Mitglieder der Universität, die dem mit täglichem Nonkonformismus, wissenschaftlicher Aufrichtigkeit und solidarischem Engagement Widerstand leisteten. Viele mussten ins Exil fliehen, wo sie sich zumeist weiter einsetzten für eine Welt ohne Faschismus und Diktatur. Das Vorbild ihres Wirkens bildet eine wesentliche Grundlage für die Fortentwicklung der demokratischen, aufklärerischen Traditionen unserer Wissenschaft und Hochschule.
Im ehrenden Gedenken, insbesondere in Achtung vor der mutigen Menschlichkeit der Mitglieder der Hamburger "Weißen Rose", begeht die Universität in diesen Tagen den 60. Jahrestag ihrer befreiten Wiedereröffnung. Wir, die Mitglieder der Universität Hamburg aller Statusgruppen, sehen uns verpflichtet, das wissenschaftliche Wirken für Wahrheit und Humanität nie wieder unmenschlichen Zielen und selbstsüchtigen Interessen zu opfern, sondern es zu verteidigen und weiterzuentwickeln.
Der Akademische Senat ruft auf zu:
"Erinnerung und Mahnung!"
Mahnwache anlässlich des 67. Jahrestages der Pogromnacht am 9. November 2005
von 15.30 Uhr bis 17.30 Uhr
auf dem Joseph-Carlebach-Platz.
An diesem Ort wurde 1938 die Bornplatzsynagoge in Brand gesteckt.
Veranstalter: Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes - Bund der Antifaschisten
und die Universität Hamburg
Der Akademische Senat lädt ein zur Veranstaltung anlässlich des
60. Jahrestags der Wiedereröffnung der Universität
nach Faschismus und Krieg
am 10. November 2005
18 Uhr im Ernst-Cassirer-Hörsaal
Hauptgebäude der Universität
Für Rückfragen:
Christian Hild
Pressestelle der Universität
Tel.: 42838-4521
Email: christian.hild"AT"uni-hamburg.de