Von guten Vorsätzen und wie sie gelingenMotivationspsychologin Prof. Gabriele Oettingen hat eine mentale Strategie entwickelt, die hilft, Prioritäten zu setzen und Wünsche zu verwirklichen.
1. Februar 2018, von Ellen Schonter
Foto: Gabriele Oettingen
„Jetzt mache ich alles anders!“ Der Jahreswechsel ist für viele Menschen eine Zeit des Neuanfangs, in der sie sich Vorhaben für das kommende Jahr setzen – und oft nur wenige Wochen später ist von ihrem Vorhaben nichts mehr übrig. Prof. Dr. Gabriele Oettingen vom Institut für Psychologie erläutert, welche mentale Strategie dabei helfen kann, Ziele zu erreichen – und erklärt, warum positives Denken auch hinderlich sein kann.
Frau Professor Oettingen, warum erreichen wir unsere Ziele oft nicht?
Wenn man ein Vorhaben nicht durchhält, kann das daran liegen, dass das gesetzte Ziel nicht attraktiv genug ist – z.B. wenn ich etwas nur machen möchte, weil andere es tun. Oder es liegt daran, dass ich nicht weiß, wie ich das Ziel erreichen kann. Allerdings scheitern Vorhaben auch daran, dass man zu positiv denkt.
Warum ist positives Denken hinderlich?
Unsere Forschung in den letzten 25 Jahren hat gezeigt: Positive Zukunftsgedanken und -vorstellungen können zwar der Stimmung gut tun und dabei helfen, Wünsche zu explorieren – aber bei der Erfüllung der Wünsche können sie ein Problem sein: Sie führen oft dazu, dass man gedanklich das Ziel schon erreicht hat und daher weniger Energie investiert. Positives Denken per se ist nichts Schlechtes, aber es allein erfüllt keine Wünsche. Es braucht dazu noch eine ordentliche Portion von Realität im Kopf. Das war der Grund für die Entwicklung einer Strategie, die wir WOOP nennen.
Wie genau funktioniert die WOOP-Strategie?
WOOP steht als Abkürzung für die vier Schritte Wish, Outcome, Obstacle, Plan – Wunsch, Ergebnis, Hindernis, Plan.
Im ersten Schritt formuliere ich: Was ist mein wichtigster Wunsch? Was liegt mir wirklich am Herzen? Dieser Wunsch muss machbar sein, aber herausfordernd, zum Beispiel: Ich möchte mein Abschlussexamen gut bestehen.
In einem zweiten Schritt frage ich mich: Was wäre das schönste Ergebnis der Erfüllung meines Wunsches? Das kann zum Beispiel sein, dass ich durch das gute Examen hohe Chancen auf die Masterzulassung hätte, aber auch eine Emotion wie Freude. Wenn man das Allerschönste gefunden hat, stellt man es sich intensiv vor.
Die vier Schritte von WOOP: Wunsch, Ergebnis, Hindernis, Plan
In einem dritten Schritt fragt man sich: Was in mir selbst hält mich davon ab, mir meinen Wunsch zu erfüllen? Welches ist mein zentrales inneres Hindernis? Das kann eine Emotion sein, eine schlechte Angewohnheit, eine irrationale Überzeugung. Hier kann man ruhig tiefer schürfen: Habe ich Angst? Einen Groll? Nachdem man das innere Hindernis identifiziert hat, stellt man es sich lebhaft vor. Beim Examen könnte ein Hindernis das viele Feiern sein, das man nicht verpassen will.
In einem letzten Schritt kommt der Plan: Was kann ich tun, was mir sagen, um mein Hindernis zu überwinden? Wenn ich die Handlung oder den Gedanken identifiziert habe, bilde ich einen „Wenn Hindernis..., dann werde ich diese Handlung ausführen...“-Plan. Ein Beispiel wäre: Wenn ich das Gefühl habe ich verpasse was, dann sag ich mir: Das Feiern hole ich nach dem Examen nach!
Wofür kann ich die Strategie anwenden?
Im Grunde für alle Wünsche: triviale oder lebensverändernde, kurzfristige oder langfristige, arbeitsbezogene oder zwischenmenschliche. Die Strategie ist ein Handwerkszeug, das jeder selbst mit Inhalt füllt – schließlich ist jeder der beste Experte seines Lebens.
Natürlich kann ich dabei auch erkennen: Ich sollte meinen Wunsch auf einen besseren Zeitpunkt verschieben oder fallen lassen, weil das Hindernis zu kostspielig oder nicht zu überwinden ist. Aber dann kann ich den Wunsch ohne schlechtes Gewissen ad acta legen. Auch kann ich meine Energie zur Erfüllung anderer, machbarerer Wünsche nutzen. Mentale Konstrastierung und WOOP helfen also Prioritäten zu setzen. So kann ich mein Leben aufräumen – und das erleichtert.
Worauf basiert diese Strategie?
WOOP ist eine Vorstellungstechnik, die auf zwei Prinzipien basiert: Auf der von uns entwickelten mentalen Kontrastierung und den Wenn-Dann-Plänen des Psychologen Peter Gollwitzer von der Universität Konstanz. Mentale Kontrastierung und damit auch WOOP ist eine bewusste Vorstellungstechnik, die über nicht-bewusste Prozesse wirkt. Zum einen werden assoziative Verbindungen gebildet zwischen der Zukunft und dem Hindernis sowie dem Hindernis und effektiven Handlungen zum Überwinden des Hindernisses. Zum anderen verändert sich die Bedeutung der Realität: die Feier am Abend wird zum Hindernis bei meiner Examensvorbereitung. Schließlich gewinnt man Energie und kann Rückschläge konstruktiver verarbeiten anstatt sie persönlich zu nehmen.
Diese Prozesse laufen ab, ohne dass man dies merkt. Wenn man WOOP durchführt, programmiert man sich selbst, damit man in der kritischen Situation im Sinne der gewünschten Zukunft handelt – die Verhaltensänderungen werden dann automatisch ausgelöst.
Prof. Dr. Gabriele Oettingen
Prof. Dr. Gabriele Oettingen studierte Biologie in München und forschte am Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie in Seewiesen, am Medical Research Council in Cambridge (England), von der John D. and Catherine T. Mac Arthur Foundation gefördert an der University of Pennsylvania in Philadelphia (USA) sowie am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin.
1996 habilitierte sie im Fach Psychologie an der Universität Berlin und ist seit 2000 Professorin der Psychologie an der Universität Hamburg.
Prof. Oettingen forscht zur Motivations- und Verhaltenpsychologie sowie zur Pädagogischen Psychologie. Mit ihrem Konzept der mentalen Kontrastierung und dem Buch „Rethinking Positive Thinking: Inside the New Science of Motivation“ (deutscher Titel: „Psychologie des Gelingens“) wurde sie national und international einem breiten Publikum bekannt.