„Big Brother“ auf der BühneGeorge Orwells „1984“ im Ernst Deutsch TheaterKurz nachgefragt bei Prof. Dr. Judith Simon
19. September 2017, von Online-Dienste
Foto: Ernst Deutsch Theater
Der Roman „1984“ von George Orwell gilt als Synonym für staatliche Überwachung – und zählt aktuell zu den meistgelesenen Büchern: Obwohl bereits 1949 erschienen, kletterte das Buch im Jahr 2017 wieder in die Bestsellerlisten. Eine Bühnenfassung des Romans über die Hauptfigur Winston Smith, der in einem totalitären Staat lebt, wird zurzeit im Ernst Deutsch Theater inszeniert – und in Kooperation mit der Universität Hamburg auch besprochen: Am 20.9. diskutieren im Anschluss an die Aufführung die Anglistin Prof. Dr. Ute Berns und die Philosophin Prof. Dr. Judith Simon über das Werk. Wir haben mit Prof. Dr. Simon, die zur Ethik in der Informationstechnologie forscht, im Vorfeld der Diskussionsveranstaltung kurz über „1984“ gesprochen.
Warum ist aus Ihrer Sicht das Buch „1984“ heute noch aktuell?
Einer der Gründe für die Aktualität liegt sicher in der wahrgenommenen Bedrohung durch Überwachungstechnologien. Auch wenn der Vergleich konkreter Technologien mit den Szenarien in „1984“ nicht immer besonders gut passt, so ist die Idee des großen, alles sehenden Bruders – also des „Big Brother“ – eine weit verbreitete Figur, um staatliche Überwachung zu beschreiben. Gerade vor dem Hintergrund rezenter politischer Entwicklungen in verschiedenen Ländern ist die Sorge vor dem Missbrauch verschiedener Technologien im Kontext autoritärer Systeme zudem gewachsen. Außerdem kann man natürlich Bezüge zwischen der Debatte um Fake News und Orwells „Zwiesprech“ herstellen.
Welche Rolle spielt das Buch in Ihrer Forschung?
Einerseits bietet Orwells „1984“ eine Folie, um Überwachungsmethoden und -technologien zu verstehen. Andererseits muss man hier sehr vorsichtig sein, um zu verhindern, dass diese spezifische Perspektive zu Fehlschlüssen über die Funktionsweisen und Auswirkungen verschiedener Überwachungspraktiken verleitet. Ganz konkret haben zudem einige Studierende im Fach Informatik den Wunsch geäußert, sich mit Utopien und Dystopien des Digitalen zu beschäftigen und Orwells „1984“ ist hier natürlich ein naheliegender Klassiker. Mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möchte ich daher zukünftig auch Seminare mit solch literarischen Perspektiven entwickeln und anbieten.
Podiumsdiskussion im Ernst Deutsch Theater
Im Anschluss an die Vorstellung am 20.09.2017 findet in Kooperation mit der Universität Hamburg eine Podiumsdiskussion statt. Es diskutieren Prof. Dr. Ute Berns, Prof. Dr. Judith Simon, der Regisseur Elias Perrig und Mitglieder des Ensembles.