Für Creditpoints nach WesterosHauptseminar untersuchte Mittelalterklischees in der Fernsehserie „Game of Thrones“
7. August 2017, von Sarah Batelka
Foto: privat
30 Studentinnen und Studenten hatten im Sommersemester endlich einen Grund zum reuelosen Binge Watching ihrer Lieblingsserie: Es war sogar Voraussetzung für ein Hauptseminar im Fachbereich Geschichte zur US-amerikanischen Fantasy-Serie „Game of Thrones“. Ziel der Dozentin Prof. Dr. Barbara Müller und des Dozenten Prof. Dr. Christoph Dartmann war es, geschichtswissenschaftliche Inhalte und Mittelalterrezeption in populären Medien zu vermitteln. Im Gespräch beschreibt Historiker Dartmann, warum Fantasy-Serien wissenschaftlich untersucht werden können und warum es „das“ Mittelalter gar nicht gibt.
Wie kamen Sie auf die Idee, ein geschichtswissenschaftliches Seminar zu „Game of Thrones“ anzubieten?
Die Idee stammt von meiner Kollegin Prof. Dr. Barbara Müller aus der Evangelischen Theologie. Der Hintergedanke war, dass sich viele Studierende für die Serie begeistern und sich unglaublich detailliert damit auskennen. Für uns war es ein schöner Anreiz, die in der Serie dargestellte Welt mit dem Mittelalter aus unseren Quellen in Verbindung zu bringen. Wir haben uns gefragt, wo bei „Game of Thrones“ Dinge auftauchen, die wir als Kirchenhistorikerin und Mittelalterhistoriker kennen. Wir wollten diese beiden Expertisen zusammenbringen: Die Studenten als Experten für „Game of Thrones“ und uns als Experten für das Mittelalter.
Drachen, Zauberer und mythische Kreaturen: „Game of Thrones“ spielt in einer Fantasiewelt. Warum lohnt sich eine historische Untersuchung trotzdem?
„Game of Thrones“ greift auf reale mittelalterliche Phänomene zurück.
Uns ging es ganz klar nicht darum, zu bewerten, was historisch korrekt ist und was nicht! So einen Anspruch hat die Serie natürlich nicht. Wir haben „Game of Thrones“ als Einladung an Studentinnen und Studenten verstanden, verschiedene Themen über die Serie hinaus historisch zu betrachten.
Sich mit „Game of Thrones“ zu beschäftigen lohnt sich, weil die Serie auf reale mittelalterliche Phänomene zurückgreift. Die Eismänner etwa sind eine Weiterverarbeitung der Wikinger und die Dothraki der Mongolen. Auch die mittelalterlichen Rosenkriege zwischen den Familien York und Lancaster in England sollen für den Autor der Romanvorlagen, George R.R. Martin, eine gewisse Rolle gespielt haben.
Im Seminar haben wir verschiedene Themen wie kulturelle Vielfalt, Migration, Gewalt, Natur, Religion, Politik und Geschlechterrollen ausgewählt und historische Referenzphänomene dazu untersucht. Wir haben außerdem gefragt, wie diese Aspekte in der Serie bearbeitet werden und inwiefern die Darstellung mit dem historisch fundierten Wissen um das Mittelalter zusammenhängt, oder auch nicht.
Was für ein Bild des Mittelalters zeichnet „Game of Thrones“?
Die Serie bringt Fantasy-Elemente mit gängigen Mittelalterklischees rund um Ritter, Turniere, Vasallen, Eid und Ehre zusammen. Die Serie sieht so aus, als wenn es überall dreckig wäre und stinken würde. Das ist ein Klischee-Klassiker in Mittelalter-Filmen, der die Zeit für den Zuschauer authentisch machen soll.
Schon der Singular „das“ Mittelalter ist irreführend. Tatsächlich spielen Referenzphänomene aus ganz verschiedenen Räumen von Nordeuropa bis Asien und unterschiedlichen Zeiten eine Rolle: von der Wikingerzeit im Frühmittelalter bis zu den Rosenkriegen und der Vor-Reformationszeit im 15. Jahrhundert. Das ganze wird zu dem „einen“ Mittelalter zusammengerührt. Das ist sehr typisch für die moderne Mittelalter-Rezeption. Wer einmal einen Mittelalter-Film gesehen hat, wird in „Game of Thrones“ die Klischees sofort wiedererkennen.
Sind diese Klischees des „finsteren“ Mittelalters für Sie frustrierend?
Ich sehe das gelassen. Mittelalterhistoriker müssen seit Jahrzehnten wenn nicht zwei Jahrhunderten damit leben, dass das, was sie erarbeiten, nicht öffentlich rezipiert wird. Es ist wie eine Wiederkehr des Immergleichen.
Was haben Barbara Müller und Sie sich vom Seminar erhofft?
Ziel war der Erkenntnisgewinn über das Mittelalter und über seine Vielfalt und historische Dynamik. Dazu gehören eben auch die Konjunktur der Mittelalterklischees seit dem 19. Jahrhundert und die Fähigkeit, sich damit auseinanderzusetzen. Wir hoffen außerdem, generell zu einem Nachdenken über populäre, ökonomisch erfolgreiche Medienformate beigetragen zu haben, das ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt.
Die Ergebnisse des Seminars sollen jetzt zu einem Buchmanuskript zusammengetragen werden. Die Studierenden sollen erarbeiten, ob man einzelne Serienmotive ganz konkret einem historischen Kontext zuordnen und in mittelalterlichen Quellen wiederfinden kann. So wollen wir das Klischee des einen Mittelalters dekonstruieren und die Vielfalt der mittelalterlichen Kultur erfassen.
Lehrlabor des Universitätskollegs
Das interdisziplinäre Seminar „Game of Thrones – Das Mittelalter in der Gegenwart“ fand im Sommersemester 2017 statt. Die Lehrveranstaltung von Prof. Dr. Barbara Müller und Prof. Dr. Christoph Dartmann wurde vom Lehrlabor des Universitätskollegs im Rahmen des QPL-Projekts „Universitätskolleg 2.0: Modellversuch“ der Universität Hamburg gefördert.