Personalia September 2022
28. September 2022, von Online-Dienste
Foto: UHH/Denstorf
Überblick über Personalia an der Universität Hamburg
Fakultät für Psychologie und Bewegungswissenschaft
Dr. Nicolas Schuck, Max-Planck-Institute for Human Development, Berlin, hat einen Ruf, W2 für „Lern- und Veränderungsmechanismen“, an die Universität Hamburg angenommen. Voraussichtlicher Dienstantritt ist zum 01.10.2022.
Fakultät für Geisteswissenschaften
Dr. Elisa Linseisen, Universität Paderborn, hat einen Ruf, W1 TT W2 für „Medienwissenschaft, insbesondere digitale audiovisuelle Medien“, an die Universität Hamburg angenommen. Voraussichtlicher Dienstantritt zum 01.10.2022.
Prof. Dr. Sophie Witt, Universität Zürich, hat einen Ruf, W3 für „Literaturwissenschaft, insb. Wissenskulturen und Interdisziplinarität“, an die Universität Hamburg angenommen. Voraussichtlicher Dienstantritt ist zum 01.02.2023.
Fakultät für Erziehungswissenschaft
Dr. Freydis Vogel, University of Nottingham, United Kingdom, hat einen Ruf, W3 für „Digitalisierung in der Bildung“, an die Universität Hamburg angenommen. Voraussichtlicher Dienstantritt ist zum 01.04.2023.
Andrea Jounais, seit dem 24.04.1980 an der Universität tätig, zuletzt als Technische Assistentin am Institut für Pflanzenwissenschaften und Mikrobiologie, tritt mit Ablauf des 30.09.2022 in den Ruhestand.
Jürgen Kirst, seit dem 01.10.1987 an der Universität Hamburg tätig, zuletzt als Regierungsamtmann im „Referat 32: Campus-Management“, tritt mit Ablauf des 30.09.2022 in den Ruhestand.
Dagmar Hartmann, seit dem 01.09.1982 an der Universität Hamburg tätig, zuletzt als Sachbearbeiterin Drittmittelmanagement in der Präsidialverwaltung, beging am 01.09.2022 das 40-jährige Dienstjubiläum.
Anja Izquierdo, seit 28.09.1984 an der Universtät Hamburg tätig, zuletzt im „Personalservice Studentische Beschäftigungsverhältnisse, Tutorinnen und Tutoren“, begeht am 01.10.2022 das 40-jährige Dienstjubiläum.
Wir trauern um
Prof. Dr. Frank Peters
* 14. Dezember 1942 † 17. August 2022
Er hat sich um die Universität Hamburg und die Fakultät für Rechtswissenschaft in Forschung und Lehre große Verdienste erworben.
Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Studierende danken ihm aufrichtig.
Wir werden ihm ein ehrendes Gedenken bewahren.
Der Dekan
Professor Dr. Tilman Repgen
Wir trauern um
Prof. Dr. Wolfgang Bartuschat
* 13. Mai 1938 † 10. August 2022
Am 10. August 2022 verstarb unser hochgeschätzter Kollege Wolfgang Bartuschat im Alter von 84 Jahren. Er war von 1977 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2002 Professor für Philosophie an der Universität Hamburg, wo er Geschichte der Philosophie der Neuzeit (von Descartes bis Hegel) lehrte, mit Forschungsschwerpunkten zu Spinoza und Kant.
Wolfgang Bartuschat, am 13. Mai 1938 in Königsberg geboren, im Alter von sechs Jahren mit seiner Familie nach Sachsen geflüchtet, lebte seit 1952 in Düsseldorf, wo er 1958 das Abitur machte. Nach dem Studium der Philosophie, Germanistik und Soziologie (1958-1963) – in Hamburg (bei Carl Friedrich von Weizsäcker und Hans Blumenberg), Heidelberg (bei Hans-Georg Gadamer), Wien, Bonn (bei Richard Alewyn) und Berlin (bei Dieter Henrich) promovierte Bartuschat 1964 bei Gadamer mit der Arbeit Nietzsche. Selbstsein und Negativität. Zur Problematik einer Philosophie des sich selbst vollendenden Willens. 1970 wechselte Bartuschat als neuer wissenschaftlicher Assistent von Reiner Wiehl aus Heidelberg nach Hamburg und habilitierte sich hier 1971 mit der Schrift Zum systematischen Ort von Kants Kritik der Urteilskraft, die 1972 bei Klostermann veröffentlicht wurde. 1977 wurde er hier zum Professor befördert.
In seinem großen Kant-Buch, das bis heute als ein Standardwerk gelten darf, geht es um den systematischen Rang und den methodischen Sonderstatus, der in Kants Kritik der Vernunft der dritten Kritik zukommt. Das Thema, das Wolfgang Bartuschat hier als das grundlegende Problem der Vernunftkritik ausweist, ist die Vermittlung von Allgemeinem und Besonderem. Die Urteilskraft ist das Vermögen des sinnlich-vernünftigen Subjekts, das überall dafür zuständig ist, das Allgemeine des Begriffs und das Einzelne der sinnlichen Vorstellung, das erst in dieser Relation zum Besonderen wird, miteinander zu verknüpfen. Bartuschat verfolgt diese epistemische Grundstruktur in ihren Ausprägungen durch die drei Kritiken: In der Erkenntnis des Verstandes und in der gesetzmäßigen Willensbestimmung der praktischen Vernunft ist es bestimmende Urteilskraft als Subsumtion des Besonderen unter das Allgemeine – der einzelnen Anschauung unter den Begriff, der einzelnen Handlung unter den praktischen Grundsatz. Im ästhetischen Urteil hingegen ist es reflektierende Urteilskraft: Ausgehend vom Besonderen wird – wie Kant exemplarisch an der ästhetischen Reflexion analysiert – nach passenden Begriffen noch gesucht, und dass in der Reflexionsbewegung dieser Suche, im „freien Spiel der Erkenntniskräfte“, ein Gefühl der Lust aufkommt, macht eine Zusammenstimmung von Verstand und Sinnlichkeit kenntlich, an der erfahrbar wird, dass das Allgemeine und das Besondere der Vermittlung fähig sind. In der Erkenntnis und in der Willensbestimmung, im Modus der Subsumtion oder der Ableitung, stehen Allgemeines und Besonderes, Vernunft und Sinnlichkeit in einem Verhältnis unaufgelöster Spannung; in der Analyse der ästhetischen Reflexion als einer korresponsiven Entspanntheit findet sich Kant auch zu dem spekulativen Gedanken ermutigt, der für sein systematisches Unternehmen einen Unterschied ums Ganze macht: dass die Vernunft nicht als Fremdkörper in der Welt stehen muss.
Auch nach seiner Habilitationsschrift entstanden in den 80er und 90er Jahren noch profunde Beiträge zur Kantforschung. Doch widmete sich Bartuschat vermehrt der Erforschung Spinozas; er begab sich damit auf eine intellektuelle Reise, die bis zu seinem Lebensende anhalten und die deutsche Philosophiegeschichte in mindestens drei Hinsichten nachhaltig prägen sollte: inhaltlich, philologisch und institutionell.
In inhaltlicher Hinsicht hat Bartuschat die deutsche Spinoza-Forschung erheblich vorangetrieben: In zahlreichen Aufsätzen (deren wichtigste in dem 2017 bei Meiner erschienenen Band Spinozas Philosophie: über den Zusammenhang von Metaphysik und Ethik zusammengetragen wurden) und in seinem spinozistischen opus magnum – der 1992 bei Meiner erschienenen Monographie Spinozas Theorie des Menschen – dafür argumentiert, dass man Spinozas monumentales und teilweise furchteinflößendes metaphysisches System vor dem Hintergrund dessen verstehen sollte, dass es die Grundlage für eine Ethik für uns Menschen etabliert. Entsprechend war es ihm in seinen Arbeiten zu Spinoza stets ein Anliegen zu zeigen, dass sich die verschiedenen Teile von Spinozas Philosophie – ihr theoretischer und praktischer Teil – letztlich in gleichberechtigter Weise gegenseitig beleuchten.
Daneben war Bartuschat als Herausgeber und Übersetzer von Spinozas philosophischem Werk tätig, das er seit 1993 sukzessive neu herausgegeben, ins Deutsche übertragen und kommentiert hat. Damit können wir heute auf eine deutsche Werkausgabe von Spinoza zurückgreifen, die nicht nur modern und akkurat, sondern auch hochgradig philosophisch informiert ist.
Spätestens seit Bartuschat 1992 mit seiner Hamburger Kollegin Dorothea Frede die Redaktion der Zeitschrift Archiv für Geschichte der Philosophie übernahm, hat er auch für die Erforschung der Geschichte der Philosophie eine wichtige institutionelle Rolle übernommen. Bis ins Jahr 2010 hat er mit dazu beigetragen, dass das Archiv zu einer der angesehensten Zeitschriften für die Geschichte der Philosophie geworden ist.
Die letzten zehn Jahre seines produktiven Lebens waren von schwerer Krankheit gezeichnet, die ihn zuletzt ans Haus fesselte. Am 24. August 2022 wurde Wolfgang Bartuschat auf dem Ohlsdorfer Friedhof beerdigt. Die internationale Forschergemeinde beklagt den Verlust eines großen Gelehrten. Die Kolleginnen und Kollegen im Philosophischen Seminar der Universität Hamburg behalten ihn in lebendiger Erinnerung: als einen tiefgründigen Denker und herzlich zugewandten Menschen, der den Kontingenzen der akademischen Welt stets mit einer guten Portion trockenen Humors gegenüberstand.
Dorothea Frede, Birgit Recki & Stephan Schmid
Wir trauern um
Prof. Dr. Michael Köhler
* 21. Mai 1945 † 2. August 2022
Im Alter von 77 Jahren ist Michael Köhler am 2. August 2022 in Hamburg gestorben. Er lehrte von 1983 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2010 Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg und war Geschäftsführender Direktor des Seminars für Rechtsphilosophie. Er hat bis zu seiner Emeritierung die Fakultät maßgeblich geprägt. 2006 wurde er zum Ordentlichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Hamburg ernannt. Michael Köhler war viele Jahre bis 2010 Mitglied der Ethikkommission der Ärztekammer Hamburg.
Michael Köhler wurde am 21. Mai 1945 in Heidelberg geboren. Er studierte nach dem 1964 abgelegten Abitur Rechtswissenschaft an den Universitäten Heidelberg und München. Die Staatsprüfungen legte er 1968 und 1972 ab. Im Jahre 1972 wurde er mit einer von Götz Landwehr betreuten Arbeit „Die Lehre vom Widerstandsrecht in der deutschen konstitutionellen Staatsrechtstheorie der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts“ promoviert. Michael Köhler war anschließend wissenschaftlicher Assistent an der Universität Heidelberg bei Wilfried Küper. Unter dem Einfluss seines akademischen Lehrers Ernst Amadeus Wolff habilitierte er sich 1978 mit der strafrechtlich-rechtsphilosophischen Arbeit „Die bewusste Fahrlässigkeit“. Nach Professuren an der Universität Heidelberg 1980 und der Universität Köln 1982 nahm er 1983 den Ruf an der Universität Hamburg an.
Michael Köhler hat wissenschaftlich nicht nur straf- und strafprozessrechtlich sowie rechtsphilosophisch publiziert, sondern etwa auch zum Völker- und Völkerstrafrecht, zum Staatsrecht, zur Grundrechtstheorie, zur Geldtheorie, zur Wehrverfassung und zum Medizinrecht. Seine Befassung mit den Kerndisziplinen Strafrecht und Rechtsphilosophie mündeten in das Lehrbuch „Strafrecht. Allgemeiner Teil“ (1997) und – als Summe seines Denkens - das monumentale Werk „Recht und Gerechtigkeit – Grundzüge einer Rechtsphilosophie der verwirklichten Freiheit“ (2017). Erwähnenswert ist schließlich, dass Michael Köhler die Friedensschriften Rousseaus übersetzt und mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben hat (2009).
Auch in der Lehre suchte Michael Köhler den interdisziplinären Austausch in Seminaren, die er gemeinsam mit Kollegen aus dem Zivil- und Völkerrecht und mit Philosophen, Theologen und Ökonomen abhielt. Seine Hörer und die Teilnehmer der Seminare schätzten die Ernsthaftigkeit der Suche nach Erkenntnis, in die er sie einbezog. Die unbedingte Verpflichtung gegenüber der Sache und seine Integrität zogen sie in seinen Bann.
Der gedankliche Ausgangspunkt Michael Köhlers ist das Prinzip subjektiv-freiheitlicher Selbstbestimmung in wechselseitiger Anerkennung, aus dem der Rechtsbegriff und die ausdifferenzierten Formen der Freiheit als Selbstbestimmung nach allgemeinen Gesetzen entwickelt werden. Diese Grundlage verdankt sich wesentlich der Philosophie des deutschen Idealismus, vor allem der Philosophie Kants, Hegels und – eingeschränkt – Fichtes; dies in Auseinandersetzung mit nahezu der gesamten praktischen Philosophie. Im Namen der Selbstzweckhaftigkeit des Subjekts und seiner Freiheit hat Michael Köhler die Naturrechtslehre, den Utilitarismus und die naturalistischen Machtideologien als Formen der Verdinglichung ebenso hart kritisiert wie einen losgelösten Gesetzespositivismus. Im Strafrecht verteidigte er etwa leidenschaftlich das Tatschuldprinzip und - als dessen einzig denkbare Grundlage - eine wohlverstandene Vergeltungstheorie gegenüber den sozialtechnischen Präventionstheorien. Dem entsprach es, das Selbstbestimmungsrecht des Beschuldigten auch im Strafprozess – etwa im Rahmen der Tatsachenfeststellung – zu betonen. Ebenso wandte er sich gegen die Vermachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch die „Methode“ der Abwägung sowohl in der Grundrechts- als auch in der Notstandsdogmatik. Im Medizinrecht galt sein Augenmerk der Instrumentalisierung der Probanden in der Forschung, insbesondere der Forschung an Einwilligungsunfähigen. Einflussreich war sein Einsatz für ein vom Paternalismus befreites Betäubungsmittelrecht.
Michael Köhler hat sich besonders mit der Systematisierung der Gerechtigkeitstheorien befasst. Ein wesentliches Anliegen war es, eine prinzipielle Begründung zu finden, die es erlaubt, das gemeinhin als „soziale Frage“ bezeichnete Gerechtigkeitsproblem – in den Worten Michael Köhlers: „der Spaltung der Welt“ – auch in einer freiheitlichen Rechtsordnung und zwar als immanente Rechtsfrage zu etablieren. Seine umfassende Theorie der Teilhaberechte – mit Ausformungen im Gesellschafts-, Unternehmens- und Arbeitsrecht sowie im Recht des Geldes – hat er aus der Kantischen Eigentumstheorie und dem Lehrstück vom ursprünglichen Gemeinbesitz bzw. dem ursprünglichen Erwerb entwickelt, dies in Abgrenzung zu libertärer und neoliberaler Doktrin, Kommunismus und maßloser „Umverteilung“ im Wohlfahrtsstaat.
In Michael Köhlers unbedingtem Streben nach widerspruchsfreier und durchgreifender Systematisierung waren die Grundfragen immer präsent. Das kritische Hinterfragen machte vor geltenden Gesetzen, aktueller Rechtsprechung und herrschender Lehre nicht halt. Vielmehr wurde das positive Recht nie aus der Begründungspflicht entlassen, die Grundlagenforschung immer mit der Positivität konfrontiert. Dass dies auf Widerstand stieß, konnte nicht ausbleiben. Es war aber auch der Anspruch auf praktische Gerechtigkeit fern einer abstrakten Rigorosität, der Michael Köhler antrieb. Davon zeugen nicht zuletzt erfolgreiche Verfassungsbeschwerden gegen die Abhörbefugnisse des G-10-Gesetzes und das damalige Hamburgische Hochschulgesetz.
Michael Köhler war ein universell gebildeter Polyhistor von souveräner Intellektualität; Gespräche mit ihm forderten dem Gegenüber alles ab, jede Kommunikation erbrachte neue Erkenntnisse, kein Buch durfte ungelesen bleiben, alles war eingebettet in einen praktischen Diskurs des Sich-Erschließens der Welt auf dem Hintergrund (rechts-)prinzipiengeleiteter, intersubjektiver Anerkennung. Er war dazu ein begnadeter Violinist und ein profilierter Theaterkenner. Sein universell-wissenschaftliches und kulturelles Wissen stand in auffälligem Kontrast zu seiner Bescheidenheit. Dass er zu seinem 70. Geburtstag auf eine Festschrift verzichtete und stattdessen eine kleine Tagung einberief, war diesem Wesenszug geschuldet. Seine letzten Jahre waren geprägt von schwerer Krankheit.
Mit Michael Köhler verliert die Rechtswissenschaft einen ihrer bedeutendsten Vertreter. Wie werden ihn schmerzlich vermissen.
PD Dr. Friedrich von Freier (Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg)
PD Dr. Ralf Peter Anders (Leitender Oberstaatsanwalt und Behördenleiter der Staatsanwaltschaft Hamburg)