Best-Practice-Beispiele aus dem SommersemesterGute Erfahrungen mit der digitalen Lehre
19. Oktober 2020, von Tim Schreiber
Foto: UHH/Lutsch
Das Sommersemester 2020 war das erste digitale Semester in der Geschichte der Universität Hamburg. Die plötzliche Umstellung hat Lehrende, Studierende und Mitarbeitende vor große Herausforderungen gestellt. Lehrende aus allen Fakultäten schildern hier individuelle Erfahrungen und Erkenntnisse.
Rechtswissenschaft
Prototyp für Veranstaltungsformat an der Fakultät für Rechtwissenschaft
Die folgenden Erkenntnisse beziehen sich auf einen Prototyp juristischer Veranstaltungsformate: die Vorlesung in Verbindung mit der dazugehörigen Arbeitsgemeinschaft in Kleingruppen (AG). Im digitalen Sommersemester fand die Vorlesung in der Regel asynchron statt, während die AG zumindest hohe synchrone Anteile hatte. Daraus ergaben sich verschiedene Erkenntnisse, die im Folgenden auszugsweise vorgestellt werden. Die Ausführungen beruhen auf den Ergebnissen einer Studierendenbefragung durch das Studienmanagement der Fakultät sowie auf dem daraus resultierenden Dokument „Digitale Lehre in Corona-Zeiten: Denkanstöße und Praxistipps“:
- Vorlesung und AG verknüpfen: Die Inhalte beider Formate sollten gut aufeinander abgestimmt sein und die Bearbeitungsreihenfolge sollte einheitlich und klar den Studierenden gegenüber kommuniziert werden. Informationen und Materialien, die beide Formate betreffen, können dabei zentral über einen Kanal verbreitet werden. Eine Abstimmung mit allen AG-Leitenden zu grundlegenden Fragen erwies sich als sehr sinnvoll.
- Lernplattform sinnvoll nutzen: An der Fakultät wurde OpenOlat als zentrale Plattform für die Bereitstellung von Materialien, Informationen und zur Kommunikation genutzt und hat sich bei entsprechender Aufbereitung als sehr hilfreich erwiesen, eine übersichtliche Struktur zu gewährleisten. Diese sollte zu Beginn des Semesters den Studierenden (z.B. mittels Screencast-Video) erklärt werden, um die Kommunikationswege zu verdeutlichen. Letztere sollten konsequent eingehalten werden.
- Aufmerksamkeitsspanne berücksichtigen: Unserer Erfahrung nach sollten bereitgestellte Videos kurzgehalten oder längere Videos durch Orientierungselemente unterteilt werden (z.B. Inhaltsverzeichnis, interaktive Fragenelemente, etc.). Bei vertonten Präsentationsfolien hat sich herausgestellt, dass diese als Videodatei mit Pausier-Möglichkeit studierendenfreundlicher sind.
- Zeitumfang im Blick behalten: Eine transparente Kommunikation seitens der Lehrperson hat sich auch im Hinblick auf die zeitlichen Erwartungen (inklusive Vor- & Nacharbeit) bewährt. Außerdem gilt die Devise „mehr ist mehr“ nicht vorbehaltlos für die digitale Lehre. Man sollte den Zeitaufwand aller asynchronen und synchronen Formate im Gesamtbild berücksichtigen.
- Erreichbarkeit & Sichtbarkeit der Lehrperson gewährleisten: Den Studierenden sollte Raum für Fragen und Rückmeldungen zum Material geboten werden (z.B. Mail, Forum, Online-Sprechstunde). Unsere Erfahrung zeigt, dass die Studierenden insbesondere in der Vorlesung besonders dazu ermuntert werden müssen, Fragen zu stellen. Um die Hemmschwelle abzubauen, kann es helfen, die persönliche Sichtbarkeit auch asynchron herzustellen (z.B. mittels Bild im Screencast-Video oder separatem Vorstellungsvideo).
- Live-AGs per Zoom halten: Es hat sich herausgestellt, dass ein rein schriftlicher Chat als synchrones Element kein adäquater Ersatz für Zoom-AGs ist. Zoom bietet einen persönlicheren Austausch sowie nützliche Tools für die digitale Lehre (z.B. Breakout-Sessions, Umfrage-Tool, Zoom-Chat etc.). Zu Beginn sollten einige Regeln im Umgang mit und im Zoom klar kommuniziert werden, um Störungen und Unsicherheiten zu vermeiden.
- Schriftliche und mündliche Elemente kombinieren: Die digitale Lehre bot die Möglichkeit, vermehrt schriftliche Elemente in die sonst mündlich orientierte Lehre der AGs einzubauen. OpenOlat eröffnet mittels verschiedener Tools (z.B. Forum, Selbsttest) unkomplizierte Wege, solche Elemente sowohl synchron in die Zoom-AG als auch als asynchrone Schreibaufgaben zu integrieren.
- In AGs Raum zum Austausch bieten: Besonders in den frühen Semestern oder zu Beginn eines neuen Studienabschnitts hilft es den Studierenden, verschiedene Gelegenheiten für eine gute Kommunikation untereinander zu erhalten. Die Bildung von Lerngruppen zu unterstützen, kann z.B. ein Mittel dafür sein.
Ammar Bustami, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, und Victoria Behrendt, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fakultät für Rechtswissenschaft
Wirtschaft- und Sozialwissenschaften
Digitale Didaktik in der Politikwissenschaft: Lehr- und Lernerfahrungen
Mein BA-Seminar „International Relations in the Anthropocene“ befasste sich entlang von theoretischen Texten und Case Studies mit einem abstrakten Konzept – der Annahme, dass die Menschheit ein eigenes geologisches Erdzeitalter hervorgebracht hat – und den damit verknüpften Herausforderungen für globale Politik. Ziel digitaler Didaktik war es, den Kerngedanken des Anthropozän-Konzepts, d.h. das Wissen um menschliche Übermacht und Ohnmacht, begreifbar zu machen.
Hierfür habe ich mit Wahrnehmungsübungen gearbeitet, die den Studierenden einen ganzheitlichen Zugang zum Anthropozän ermöglichen. In einer der Eingangssitzungen arbeiteten wir mit „Gigapixel Essays“, d.h. hochaufgelösten Fotos mit Audiospur, in die die Studierenden hineinzoomen und interaktive Elemente entdecken können. Die Aufgabe lautete:
Explore the two gigapixel essays:
a) Cathedral Grove Canada (http://gigapixel-theanthropocene.org/Forest/)
b) Carrara quarries Italy (http://gigapixel-theanthropocene.org/Carrara/)
Immerse yourself in these two different surroundings. Then think of two places – a local representation of the Anthropocene, and a place where you feel close to nature. Visit both places and note some thoughts that come to your mind. Take pictures, think of a few thoughts to share – e.g. why you chose this place, what you associate with this place.
Den Studierenden bot sich dadurch die Gelegenheit, Textinhalte sinnlich zu erfahren, dabei Mensch-Natur-Beziehungen und Machtverhältnisse nachzuvollziehen, und im Rahmen einer Transferleistung diese Eindrücke auf eigene Situationen zu übertragen. Ihre eigenen Fotos zeigen einge“friedete“ Flüsse im Hamburger Umland oder Kohleabraumhalden, in deren Inneren es seit Jahrzehnten brennt.
Selbstverständlich basierte das Seminar wie wohl jede sozialwissenschaftliche Lehrveranstaltung auf Lektüre. Wir haben kollaborative Methoden der Textarbeit genutzt, um die Isolation zu überwinden, die beim individuellen Lesen auftritt und durch digitale Lehre verstärkt wird. Die Texte wurden für hypothes.is, LibreOffice und GoogleDocs konvertiert und mit Leitfragen, Unterstreichungen und Kommentaren versehen. Die Studierenden hinterließen weitere Notizen und neue Fragen. Ein in dieser Weise bearbeitetes Dokument zeichnet sich dadurch aus, dass es voller Anmerkungen und Ideen steckt und dass bereits im Dokument ein Dialog zwischen den Lesenden entsteht, der in einem weiteren Schritt auch an die Autorinnen und Autoren rückgespiegelt werden, und so auch die politikwissenschaftliche Lehrbuch-Didaktik weiter verbessern kann.
Prof. Dr. Franziska Müller, Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Fachbereich Sozialwissenschaften
Medizinische Fakultät
Ärztliche praktische Fertigkeiten im digitalen Format am Beispiel Rechtsmedizin
Die plötzlich notwendig gewordene Umstellung eines praktischen Kleingruppenunterrichts auf ein digitales Format stellt eine besondere Herausforderung dar. Im Fach Rechtsmedizin an der Medizinischen Fakultät gilt dies insbesondere für die praktische Fertigkeit des Durchführens einer Leichenschau, da jeder approbierte Arzt gesetzlich dazu verpflichtet ist, eine solche durchführen zu können. Um die Inhalte ohne praktischen Präsenzunterricht zu transportieren, wurde der folgende Weg gewählt:
- Zu einer ersten Vorbereitung wurden die Studierenden gebeten, ausgewählte Kapitel eines als eBook über die Ärztliche Zentralbibliothek des UKE verfügbaren Kurzlehrbuchs zu lesen.
- Den Studierenden wurden im Sinne einer gezielten Vertiefung zwei praxisorientierte Fachartikel zu den Themen Todesfeststellung und Leichenschau zur Verfügung gestellt, die unter Beteiligung von Mitarbeitern des Instituts für Rechtsmedizin verfasst wurden.
- Zudem wurde ein Lehrvideo erstellt, in welchem die Durchführung einer Leichenschau erklärt und demonstriert wird.
- Den Studierenden wurde eine vertonte PowerPoint-Präsentation zur Verfügung gestellt, in der Aufbau, Zweck und praktische Aspekte der Todesbescheinigung zunächst erklärt und dann durch die Studierenden per „Stopp“-Funktion an mehreren Fallbeispielen eigenständig geübt und durch den Dozenten jeweils im Sinne einer Beispiellösung aufgelöst werden.
- Abschließend erfolgte der Verweis auf einen im Internet frei verfügbaren Kurzleitfaden, der die wichtigsten Aspekte beider Themen stichwortartig im Sinne einer Repetition zusammenfasst.
- Für individuelle Nachfragen wurde eine wöchentliche Video-Chat-Funktion mit einer Dozentin angeboten.
Auch wenn ein digitales Format einen mehrstündigen praktischen Kleingruppenunterricht nur inhaltlich abbilden, sicherlich aber nicht ersetzen kann, sahen wir in diesem Format unter Integration verschiedener Medien und eigenständigen Übungen den am besten geeigneten Weg, der von den Studierenden hervorragend evaluiert wurde.
Prof. Dr. med. Sven Anders, MME, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut für Rechtsmedizin
Unterricht am Krankenbett im digitalen Format am Beispiel Dermatologie
Der Unterricht am Krankenbett ist ein fester Bestandteil des Medizinstudiums zur Vermittlung der praktischen Fähigkeiten und lebt insbesondere vom persönlichen Patientenkontakt. Somit stellt die digitale Umsetzung eine besondere Herausforderung dar.
Die Praxiseinheit umfasst in der Dermatologie zwei Termine mit je 90 Minuten Unterricht am Krankenbett (UaK). Um den Unterricht möglichst anschaulich und praxisnah durchzuführen, wurden zunächst je Unterrichtseinheit drei häufige und wichtige Krankheitsbilder definiert und diese digital aufgearbeitet.
Die Dermatologie ist ein sehr visuelles Fach. Den Studierenden wurden daher in Form vertonter PowerPoint-Präsentation aufgearbeitete Patientenfälle kombiniert mit einem praxisnahen Theorieanteil präsentiert. Diese Patientenfälle wurden kombiniert mit Lehrvideos von Untersuchungsmethoden und erklärenden Zeichnungen. Die Studierenden wurden immer wieder aktiv aufgefordert, ihr eigenes Wissen zu reflektieren und das weitere Vorgehen in dem Fall zu überlegen.
Besonders hervorgehoben wurden auch ein aufgenommener Podcast von einer Kollegin aus der Klinik zusammen mit einer niedergelassenen Fachärztin zu Handekzemen sowie eine Quizrunde mit zehn Patientenfällen am Ende der Lehreinheit.
Wir konnten es schaffen, durch ein sehr abwechslungsreiches praxisnahes Lehrangebot eine hohe Lernmotivation zu erreichen.
PD Dr. Nina Booken, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Klinik für Dermatologie
Erziehungswissenschaft
Seminar „Philosophieren mit Kindern im Sachunterricht“ auf der Basis von Microsoft Teams
Das Philosophieren mit Kindern ist nicht einfach eine Methode wie Lernen an Stationen, sondern ein Projekt, das auch eine eigene philosophische Haltung voraussetzt. So ein fachdidaktisches Seminar lebt von Austausch, Diskussion und gemeinsamer Reflexion. Die uniweite Vorgabe, so wenig synchrone Veranstaltungen wie möglich abzuhalten, stellte hier eine besondere Herausforderung dar.
Ich habe mich für die Arbeit mit Microsoft Teams entschieden, das sehr gute Möglichkeiten für die Schaffung einer gemeinsamen Lernumgebung und einer abwechslungsreichen Seminargestaltung mit Interaktionsmöglichkeiten für alle Teilnehmenden bietet. Ich bedanke mich an dieser Stelle für die exzellente Unterstützung durch das eLearning Büro der Fakultät für Erziehungswissenschaft, namentlich Christina Schwalbe und Lucas Jacobsen.
- Es fand eine Mischung von synchronen und asynchronen Arbeitseinheiten statt.
- Alle Seminarunterlagen befanden sich in Ordnern in MS Teams: Ordnern mit Literatur für jede Sitzung, Dokumente mit präzisen Arbeitsaufträgen, die in die Inhalte und Ziele der jeweiligen Sitzung einführte, Ordner für das Hochladen von Arbeitsergebnissen
- In den asynchronen Sitzungen arbeiteten die Studierenden in Gruppenarbeitsräumen, „Kanälen“, in denen der Austausch von Dokumenten und Chats und das Abhalten gemeinsamer Videokonferenzen möglich ist.
- Die Studierenden erhielten Rückmeldungen zu ihren Arbeitsergebnissen, teils individuell, teils wurden die Ergebnisse für die gesamte Gruppe zusammengefasst und kommentiert. Die Aufgabenstellungen waren abwechslungsreich gestaltet, es gab viel Raum für eigene Stellungnahmen, Einschätzungen und kreative Aufgaben, die Austausch und Diskussion ermöglichten.
- Zu den Seminarzeiten war die Dozentin für Fragen der Studierenden in MS Teams präsent. Auch außerhalb dieser Zeiten ermöglichte die Chatfunktion einen schnellen Informationsaustausch und zeitnahe Rückmeldungen.
- In den synchronen Konferenzen wurden Inhalte diskutiert und Fragen geklärt, die im Seminar laufend gesammelt wurden.
Mein Fazit: Präsenzlehre ist durch digitale Lehre nicht zu ersetzen und immer vorzuziehen, aber das beschriebene Format bietet viele Möglichkeiten für die Gestaltung einer sinnvollen Lernumgebung. Auch wenn wieder Präsenzlehre möglich sein wird, würde ich eine Arbeitsstruktur in MS Teams aufbauen, um Kursmaterialien bereitzustellen und Foren für den Austausch der Seminarteilnehmenden zu bieten.
Prof. Dr. Kerstin Michalik, Fakultät für Erziehungswissenschaft, Didaktik des Sachunterrichts
Geisteswissenschaften
„Onlinekurs Dokumentarischer Film“
Unser „Onlinekurs Dokumentarischer Film“ entstand schon 2018 im Rahmen eines vom BMBF geförderten Lehrlabors des Universitätskollegs an der Universität Hamburg. Ursprünglich für ein Blended-Learning-Verfahren - bei dem Präsenz und E-Learing kombiniert werden - konzipiert, wurde er für den Einsatz in einem sogenannten Flipped Classroom weiterentwickelt und optimiert. Das bedeutet, dass Lerninhalte zu Hause erarbeitet werden und die Anwendung im gemeinsamen Kurs geschieht. Im Sommersemester 2020 musste aufgrund von Covid-19 der Präsenzanteil des Blended Learning ersetzt werden durch Videokonferenzen und asynchrone Arbeitsaufträge an die Studierenden. Dabei hat sich der Onlinekurs als zentrales Basisinstrument bewährt, das nicht zuletzt auch von anderen Universitäten nachgefragt und in Kooperation weiterentwickelt wird.
Der Onlinekurs ist aufgebaut wie ein elektronisches, multimedial-interaktives Lehrbuch und bietet anschauliche, audiovisuell evidente Zugänge zum Material. Er bringt das Bild- und Filmmaterial mit hypertextuell aufbereiteten wissenschaftlichen Aufsätzen, Theorietexten, Vorträgen von Filmschaffenden, Videoessays und erläuternden Videotutorials sowie interaktiven Aufgaben (u.a. Multiple-Choice-Fragen) in einem ansprechenden, für Studierende attraktivem Design zusammen. Inhaltliche Voraussetzung für den Kurs war eine im Rahmen eines DFG-Langfristprojekts entwickelte, öffentlich zugängliche Datenbank zu dokumentarischen Filmen (publiziert 2018, seither 1,2 Mio. Seitenaufrufe) sowie die Entwicklung eines neuen, praxeologisch orientierten Theoriezugriffs auf das Themenfeld.
Entstanden ist ein Onlinekurs mit 14 Lektionen (gegliedert in 39 Einführungs- und 47 Vertiefungs-Units), der als Modell flexibel und voraussetzungslos für verschiedene Lernszenarien und Veranstaltungstypen in unterschiedlichen BA- oder MA-Studiengängen einsetz- und anpassbar ist. Er wurde im Rahmen einer Projektverlängerung in andere Disziplinen bzw. Themenfelder übertragen und entsprechend modifiziert (Koreanistik, evangelische Theologie).
Weitere Informationen gibt es auf der Starteseite des Projekts oder auf einem Infoposter.
Prof. Dr. Thomas Weber, Fakultät für Geisteswissenschaften, Institut für Medien und Kommunikation
Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften
Die Herausforderung, Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden zu organisieren
Digitale Lehre ist nicht gleichbedeutend mit der Digitalisierung analogen Lehrinhalts eines konventionellen Lehrformats. Vorlesungen und Übungen leben von der Interaktion und Diskussion zwischen Lehrenden und Lernenden, da es dem Lehrenden erlaubt, zum Lernenden zu werden. Sei es, um zu verstehen, an welchem Aspekt bei Studierenden Lern- und Verständnisschwierigkeiten auftauchen oder um neue Aspekte an einem schon gut bekannten Thema zu entdecken. Eine wesentliche Herausforderung besteht also darin, Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden zu organisieren und eine Mischung aus asynchronen und synchronen, d.h. auch interaktiven Elementen der Lehre, zu finden.
Die asynchrone Lehre in Form von Lehrvideos erlaubt es, Inhalte in kleineren Einheiten fokussiert zu kommunizieren. Ich habe deshalb meine beiden wöchentlichen Vorlesungen der „Nanostrukturphysik A“ im Rahmen des interdisziplinären Studiengangs Nanowissenschaften in insgesamt sechs Module unterteilt, die jeweils 30 Minuten lang waren und versucht, diese inhaltlich geschlossen zu halten. Am Ende eines jeden Moduls waren dann Lern- und Leitfragen inkludiert.
Im nächsten Schritt habe ich die Übungsgruppen, die jeweils aus 15 Studierenden bestanden, in fünf Kleingruppen à drei Studierende unterteilt. Statt einer Übung zu 90 Minuten haben wir pro Übungsgruppe fünf Übungen zu je einer Stunde abhalten lassen. Jeder Studierende hatte nun die wöchentliche Aufgabe, zwei Module aus der Vorlesung samt der Beantwortung der Lern- und Leitfragen innerhalb von 20 Minuten vorzustellen.
Dieses Format stellte sicher, dass die Studierenden sich keine Sorgen über die Qualität ihrer Internetverbindung zum Vorlesungszeitpunkt machen mussten, Lerninhalte beliebig oft wiederholt werden konnten, das Skript parallel zum Videomodul bearbeitet wurde und gleichzeitig die Präsentation für die Übungsgruppen asynchron vorbereitet werden konnte. Die Kleingruppen stellten dann auch die wöchentliche Interaktivität mit den Studierenden und eine persönliche Bindung her, sowie Raum für einen interaktiven aber auch inhaltlich vorbereiteten Diskurs.
Ergänzt wurde dieses Format durch eine wöchentliche digitale Sprechstunde und insgesamt drei Kurzaufsätze in der Vorlesungszeit zu essentiellen Themen der Vorlesung, die jeweils in einem direkten Zoom-Meeting mit mir im Rahmen der Kleingruppen besprochen worden sind. Abschließend gab es noch zwei Zoom-Meetings zur Klausurvorbereitung. Die Kombination synchroner und asynchrone Modulelemente erlaubt es, digitale Lehre von den Studierenden her auch aktiv zu gestalten. Aufgrund des Feedbacks der Studierenden würde ich im nächsten Semester ein Video-Lehrmodul durch eine thesenbasierte wöchentliche Abschlussdiskussion ergänzen.
Prof. Dr. Michael A. Rübhausen, Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften, Institut für Nanostruktur- und Festkörperphysik
Psychologie und Bewegungswissenschaft
Digitale Lehre an die Bedürfnisse der Studierenden anpassen
Um den Anforderungen von digitaler Lehre gerecht zu werden, gibt es unserer Meinung nach nicht den einen richtigen Weg und auch die beste Online-Lehre wird nicht stets alle Studierenden gleichermaßen erreichen. Aus unserer Erfahrung und dem Feedback zum letzten „Online-Semester“ lassen sich jedoch Techniken bzw. Überlegungen ableiten, die helfen, digitale Lehre an die Bedürfnisse der Studierenden anzupassen.
Bedeutsam sind zum Beispiel klare zeitliche Vorgaben und transparente Aufgabenstrukturen. Diese Planung sowie Inhalte, Materialien und Leistungsanforderungen sollten über eine zentrale, leicht zugängliche Lernplattform schon ab Beginn des Semesters bereitstehen, denn dies erleichtert den Studierenden die Eigenorganisation. Eine zeitweise asynchrone, das heißt freie Zeiteinteilung für die Seminarleistungen erhöht die Vereinbarkeit von Studium und Familie/Arbeit/Krankheit. Es hilft, sich stets zu vergegenwärtigen, dass Lehre unter erschwerten Anforderungen stattfindet und dass Lernen ohne soziale Kontakte erfolgt. Eventuelle Verhinderungen sind mitzudenken und der Arbeitsaufwand sollte sich realistisch an diesen erschwerten Rahmenbedingungen orientieren.
Didaktisch ist kurzer, maximal 15-minütiger regelmäßiger Videoinput hilfreich, in dem Einordnungen oder Vertiefungen des Stoffes erfolgen. Vorangegangen Leistungen der Studierenden sollten hier ebenfalls aufgegriffen und wertgeschätzt, sowie anstehende Aufgaben erläutert werden. Seminaraufgaben können individuell oder auch in (wechselnden) Kleingruppen bearbeitet werden. Dies ermöglicht Austausch und Feedback unter den Studierenden und reduziert dadurch den Feedbackaufwand der Lehrenden. Zeitnahes individuelles Feedback zu Leistungen wird von den Studierenden erwartet und sehr wertgeschätzt.
Bei synchronen Online-Veranstaltungen ist eine regelmäßige Aktivierung der Teilnehmenden wichtig, zum Beispiel durch gemeinsame Bewegungspausen, Diskussionen oder Kleingruppenübungen. Zur Aktivierung sind auch passende Visualisierungen hilfreich, welche zudem den Lernstoff verankern.
All diese Punkte sind letztlich jedoch nur Hilfsmittel zur Gestaltung von digitaler Lehre. Diese alleine gewährleisten sicher nicht, dass jedes Seminar reibungslos laufen wird, können aber unserer Erfahrung nach die Chancen dafür erhöhen.
Dr. Alexander Bodansky, Catrin Grobbin, Jana Mangels, Dr. Marleen Stelter, Fakultät für Psychologie und Bewegungswissenschaft, Institut für Psychologie
Betriebswirtschaft
„Global Classroom 2.0“ – die Welt zusammen in einem Kurs
Wir haben bereits am 2. April, und damit deutlich vor dem zurückgestellten Start aller anderen Lehrveranstaltungen, einen Online-Piloten gestartet. Das Ziel war es, die Technologie bzw. Software im Vergleich zu Präsenzlehre zu testen sowie verschiedene Lehrveranstaltungsformate in unterschiedlichen Zeitkonstellationen.
Zu den vielen Ergebnissen gehört unter anderem, dass zwar die synchronen Online-Formate der Lehrveranstaltungen für Studierende und Lehrende deutlich anstrengender sind. Auf der anderen Seite bieten sie aber auch Vorteile: So sind Fallstudien-Bearbeitungen und Rechenübungen in Gruppen von Studierenden online deutlich besser zu betreuen als offline. Zugleich ist es egal, von wo sich die Studierenden zuschalten.
Wenn Distanz jedoch keine Rolle mehr spielt, warum dann nicht ein internationales Format entwickeln und ausprobieren? Daraus ist die Idee zu unserem Projekt „Global Classroom 2.0“ entstanden, die die Fakultät für Betriebswirtschaft zusammen mit der University of California Davis (USA) und der Abteilung Internationales der UHH weiterentwickelt hat.
Covid-19 hat vielen Auslandsplänen unserer Studierenden ein jähes Ende bereitet. Dabei tauschen strategische Partneruniversitäten oft nur zwei bis vier Studierende pro Jahr und Fakultät aus – somit werden lange Wartezeiten entstehen. Es ist derzeit noch nicht einmal absehbar, wann sich dieses Kernelement der universitären Ausbildung wieder normalisiert.
Die Idee ist nun, dass Studierende von verschiedenen Kontinenten aus unterschiedlichen Kulturen gemeinsam lernen:
- in einer internationalen Umgebung
- in international und interkulturell zusammen gesetzten Teams
- über digitale Medien
- in einem völlig neuen Niveau internationaler Integration
- an zwei international führenden Universitäten.
Schon am 1. Oktober sind 34 Studierende von der Universität Hamburg und unserer Partneruniversität in den Kurs „Digital Marketing“ gestartet. Die Studierenden lernen digitale Arbeitsweisen für die Zukunft in international und interkulturell zusammengesetzten Teams über 9 Zeitzonen hinweg. Wenn das Format erfolgreich ist, sollen auch die anderen Partneruniversitäten aus Südamerika, Südafrika und Asien einbezogen werden. Das Ziel ist: die Welt zusammen in einem Kurs!
Prof. Dr. Kay Peters, Fakultät für Betriebswirtschaft, Institut für Marketing
Weitere Good-Practice-Beispiele
Auf der Seite "Digitale Lehre", die die Aktivitäten des Universitätskollegs (UK), des Hamburger Zentrums für Universitäres Lehren und Lernen (HUL) und des Netzwerks der eLearning-Büros der Fakultäten zusammenführt, gibt es eine Sammlung von Lehrbeispielen. Digitale Lehrprojekte werden knapp beschrieben, Links führen zu weiteren Informationen.
Bericht Digitales World Café
Die Fakultät für Erziehungswissenschaft hat zum Austausch über die digitale Lehre für alle Lehrenden der Fakultät ein digitales World Café angeboten. Ein Bericht darüber ist auf den Seiten der Fakultät zu finden.