ÖkologieEnergieverbrauch, Nesterwahl, Bewegungsmuster: Wie leben unsere Igel?
28. November 2024, von Claudia Sewig
Erst Anfang des Jahres war der Braunbrustigel zum Tier des Jahres gewählt worden – jetzt ist unser heimischer Gartenbewohner von der Weltnaturschutzorganisation in der Roten Liste als „potenziell gefährdet“ eingestuft worden. An der Universität Hamburg wird an den stacheligen Säugetieren geforscht. Und hier weiß man auch, was dem Wildtier hilft.
Wenn man sich, eine große Antenne haltend, auf St. Pauli suchend in die Büsche schlägt, kann es schon einmal sein, dass man angesprochen wird, was man da eigentlich macht. „Das passiert mir ständig“, sagt Merle und lacht. Die Masterstudierende der MIN-Fakultät freut sich über Nachfragen von Anwohnerinnen und Anwohnern, denn sie kann ihnen dann erklären, dass sie keinen Aliens auf der Spur ist (was tatsächlich auch schon vermutet wurde), sondern ihrem Studienobjekt, dem Igel. Mehreren der nachtaktiven Tiere hat sie kleine Peilsender in das Stachelkleid geklebt, mit deren Hilfe sie die Tiere auch in ihren versteckt liegenden Nestern auffinden kann.
Mehr Igel in der Stadt als auf dem Land
Das Igelprojekt in der Arbeitsgruppe Funktionelle Ökologie von Prof. Kathrin Dausmann im Fachbereich Biologie der Universität Hamburg beschäftigt sich unter anderem damit, wie gut sich verschiedene urbane Strukturen – Innenstadtparks im Vergleich zu Vororten – als Habitate für Igel eignen und wie sich das auf ihre Bewegungsmuster, ihre Nesterwahl sowie ihre Winterschlafbedingungen und Überlebenschancen auswirkt.
Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland mittlerweile in Städten bis zu neunmal so viele Igel wie auf dem Land. Denn im ländlichen Raum haben aufgeräumte Agrarlandschaften die früher üblichen Hecken, Gehölze und artenreichen Magerwiesen verdrängt. Mehr Abwechslung bieten den Igeln da oft Gärten und Grünanlagen in Siedlungsgebieten. Doch wo Flächen versiegelt werden und sich sterile Schottergärten ausbreiten, finden die bis zu 30 Zentimeter langen Tiere mit ihren bis zu 7000 Stacheln auch hier weder Nahrung, noch Unterschlupf.
Anzahl der Tiere geht stark zurück
Nicht zuletzt deshalb wurden der bei uns heimische Braunbrustigel (auch Westeuropäischer Igel oder Westigel, Erinaceus europaeus) 2024 von der Deutschen Wildtier Stiftung zum „Tier des Jahres“ gewählt. Und gerade hat die Weltnaturschutzorganisation (IUCN) ihn in der Roten Liste gefährdeter Arten neu eingestuft, da nach ihren Angaben seine Anzahl stark zurück geht – innerhalb der vergangenen zehn Jahre je nach Land um zwischen 16 und 33 Prozent. Damit wird der Braunbrustigel jetzt als „potenziell gefährdet“ gelistet, das ist die zweite der insgesamt sieben Stufen. In Deutschland stand der Igel schon länger auf der „Vorwarnliste“ der Roten Liste der Säugetiere.
Was kann man konkret für Igel tun? „In Gärten und Grünanlagen sollte man für die Igel – und für ihre Nahrungsquelle, Insekten und andere Kleintiere – Laub- und Zweighaufen in geschützten Ecken liegen lassen oder gezielt anlegen“, sagt die Forscherin. So, wie es auch die Universität Hamburg an verschiedenen ihrer Standorte tut, etwa auf dem Gelände der Hamburger Sternwarte: „Das zieht Kleintiere an, die dem Igel als Nahrung dienen, und bietet den Igeln gleichzeitig Möglichkeiten für ihre Tages- oder auch Überwinterungsnester. Ansonsten hilft man den Igeln aber auch damit, sie möglichst in Ruhe zu lassen.“
Zehn der Tiere hat Merle über zwei Monate im Wohlers Park auf St. Pauli in ihren Nestern aufgesucht, die Temperatur der Tiere und im Inneren der Nester gemessen und die Kleinsäuger auf Parasiten wie Zecken, Flöhe und Läuse untersucht. Bereits vorher hatte es im Igelprojekt Untersuchungen unter anderem zum Energieverbrauch der Tiere während des Winterschlafs gegeben. Nur über ein besseres Verständnis der Lebensweise der Igel kann auch ihr Schutz verbessert werden.