Hamburger Erklärung zu wissenschaftlichen Karrierewegen„Wie wollen wir gut miteinander forschen und lehren?“
5. November 2024, von Newsroom-Redaktion
Foto: UHH/Esfandiari
Damit die Kernaufgaben Forschung und Lehre im Universitätsbetrieb erfolgreich gelingen, braucht es gutes wissenschaftliches Personal. Über die „Hamburger Erklärung zu wissenschaftlichen Karrierewegen“ und verbesserte Bedingungen in der Qualifizierungsphase sprechen Prof. Dr. Jetta Frost, Vizepräsidentin für Transfer, akademische Karrierewege und Gleichstellung sowie der Kanzler der Universität Hamburg, Dr. Martin Hecht.
Dieses Interview ist Teil des Jahresberichts 2023 der Universität Hamburg. Der ganze Jahresbericht mit vielen Informationen und spannenden Einblicken steht zum direkten Lesen oder zum Download bereit.
Worum geht es in der „Hamburger Erklärung zu wissenschaftlichen Karrierewegen“?
Prof. Dr. Jetta Frost: Unser Ziel ist es, dass wir national und international attraktive Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft ermöglichen, sowohl in Bezug auf die Dauer als auch auf die Rahmenbedingungen und die Entwicklungsmöglichkeiten auf der eigenen Stelle. Ausgehend von den Diskussionen und Debatten rund um prekäre Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft gehen wir in Hamburg nun einen deutlichen Schritt weiter und setzen erste Maßnahmen um.
Dr. Martin Hecht: Ausgangsbasis dafür ist die bereits vor zehn Jahren gegründete Code of Conduct Arbeitsgruppe, initiiert von der Wissenschaftsbehörde, in der wir als Universität mit verschiedenen Interessenverbänden, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Hochschulvertreterinnen und Hochschulvertretern sitzen. Es ist wirklich beispielhaft, wie hier über verbesserte Rahmenbedingungen für die Beschäftigung in der Wissenschaft nachgedacht wird und daraus erste Maßnahmen abgeleitet werden.
Welche Ziele werden dabei besonders in den Blick genommen?
Hecht: Es geht zum einen um die Frage, welche Umfänge Beschäftigungsverhältnisse im Qualifikationsbereich haben, also: Können auch unbefristete Beschäftigungen innerhalb der bestehenden Finanzierungsmodelle möglich sein? Wichtig ist, dass die Fakultäten oder Fächer noch mehr im Sinne von Pooling-Lösungen denken, damit Gelder adäquat für Personal eingesetzt werden, die nicht an einer einzigen Professur hängen.
Frost: Zum anderen geht es darum, die gesamte wissenschaftliche Karriere ab Abschluss der Promotion in den Blick zu nehmen und einen individuellen Entwicklungsplan zu erstellen. Es soll vermieden werden, erst am Ende einer Finanzierungsphase zu überlegen, was als Nächstes kommen kann. Ein Ziel dabei ist es auch, mehr Transparenz und Durchlässigkeit im System zu schaffen und frühzeitig Potenziale zu erkennen und zu nutzen.
Was bedeutet das konkret für mich als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler?
Hecht: Wir wollen neue Beschäftigungsmodelle schaffen, z. B. so genannte Lecturer oder Researcher, die eine attraktive und wissenschaftsintensive Alternative bieten außerhalb der Professur. Zudem werden wir unsere Professorinnen und Professoren darin unterstützen, ihre Mentorenaufgabe für die Early Career Researcher zielführender wahrzunehmen, weil sie eine entscheidende Rolle bei der Karriereplanung haben.
Dazu gehören auch die frühzeitige Betrachtung von noch notwendigen Auslandsaufenthalten, Drittmittelerfahrungen, weiteren frühen Karriereschritten wie Juniorprofessur oder Forschungsgruppenleitung etc., also die rechtzeitige Entwicklung zur nächsten Stufe unabhängig vom Finanzierungsmodell. Wir müssen uns immer wieder fragen: Wie wollen wir eigentlich in der Wissenschaft miteinander forschen und lehren?
Welche nächsten Schritte werden nun gegangen?
Hecht: Es ist ein kontinuierlicher Prozess, im Grunde eine Evolution, die einem an mancher Stelle wie eine Revolution vorkommt in diesem Bereich der frühen Karrierephasen für die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Konkret klären wir im Rahmen des Code of Conduct Prozesses in den Arbeitsgruppen verschiedene Fragen, u.a. zur Eingruppierung, zu Verlängerungsoptionen, Elternzeitregelungen, Freistellung für die Erarbeitung und Erstellung der eigenen Qualifikationsarbeit oder auch zu neuen Beschäftigungsmodellen. Wichtige Themen, die vermutlich zu veränderten Formulierungen und Anpassungen des Hamburgischen Hochschulgesetzes führen werden.
Frost: Und innerhalb der Universität verändern wir auch die Profile von bereits bestehenden Stellen und schaffen zielgruppenadäquate Weiterbildungsprogramme, auch wenn das Ziel nicht die Professur ist. Das tun wir gemeinsam mit unseren Akteuren wie der Hamburg Research Academy, der Personalentwicklung der Präsidialverwaltung und den Graduiertenzentren in den Fakultäten.
Ist die Hamburger Erklärung eine Insellösung oder schaffen wir damit einen echten Piloten mit Vorbildcharakter?
Frost: Es wird immer den Dreiklang geben aus Wissenschaftszeitvertragsgesetz auf Bundesebene, den Landeshochschulgesetzen und den Aktivitäten der einzelnen Hochschulen. Wir wollen aber mit unserer Erklärung ein klares Zeichen setzen, dass hier in Hamburg Land und Universitäten ihre Spielräume nutzen und neue Wege gehen, um ein moderner und attraktiver Arbeitgeber in der Wissenschaft zu sein. Wir setzen einen wichtigen Impuls und wollen Vorbild sein mit unserer Hamburger Erklärung auf nationaler Ebene und mit Wirkung für mehr internationale Attraktivität.