Siegertext beim „KlarText-Preis“ 2024Feuerberge auf dem Meeresgrund
11. Oktober 2024, von Dr. Jonas Preine
Foto: Annette Mueck
Die meisten Vulkane befinden sich im Meer und sind deshalb nur schwer zu untersuchen. Wie können wir dennoch die Entwicklungsgeschichte und das Gefährdungspotenzial dieser Feuerberge erforschen? Eine Reise nach Santorini.
Weiße Häuser, blaue Dächer und ein atemberaubender Blick auf die Ägäis: Die Insel Santorini, nördlich von Kreta gelegen, ist für viele ein Traumreiseziel. Jedes Jahr zieht es zwei Millionen Tourist:innen auf das Archipel. Was nur wenige wissen: Santorini war Schauplatz einer der größten Naturkatastrophen in historischer Zeit.
Vor etwa 3600 Jahren, in der späten Bronzezeit, brach dort auf dem Meeresgrund eine Vulkaninsel aus. Gigantische Mengen Asche verdunkelten den griechischen Himmel, glutheiße Ströme aus Asche und Gas strömten über die Insel und ins Meer. Tsunamis überfluteten die Küsten der Ägäis und erreichten die Küste Kretas, wo sich Knossos befand – das Zentrum der minoischen Kultur. Sie wurde derart geschwächt, dass sie nur wenige Jahrzehnte später zugrunde ging.
Marine Vulkane weltweit wenig erforscht
Die Folgen eines solchen Vulkanausbruchs wären in dem heute dicht besiedelten Mittelmeerraum kaum auszudenken. Doch wie groß ist die Gefahr, die von Santorini ausgeht? Und gibt es unter der Meeresoberfläche womöglich noch weitere Vulkane? Das sind Fragen, die uns im Folgenden beschäftigen.
Trotz ihrer teils verheerenden Ausbrüche ist das Gefährdungspotenzial mariner Vulkane weltweit wenig erforscht. Der überraschende Ausbruch des pazifischen Vulkans Hunga Tonga-Hunga Ha’apai im Frühjahr 2022, dessen Schockwellen mehrfach die Erde umkreisten, hat deutlich gemacht, wie unvorbereitet die Menschheit auf Eruptionen dieser Art ist. Da verlässliche Vorhersagen von Vulkanausbrüchen auch in ferner Zukunft nicht möglich sein werden, ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir die Geschichte der Vulkane am Meeresboden besser verstehen, um mögliche Auslöser und Auswirkungen besser zu erfassen. Und das ist aufgrund ihrer Lage natürlich schwierig.
Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte des Vulkanfeldes von Santorini
Zusammen mit Kolleg:innen vom GEOMAR in Kiel und von der Universität Athen gingen wir 2019 an Bord des Forschungsschiffes „FS POSEIDON“. Und zwar, um seismische Messungen entlang des Vulkanfeldes von Santorini durchzuführen. Seismik ähnelt dem Prinzip medizinischer Ultraschalluntersuchungen. In regelmäßigen Abständen schickten wir Schallimpulse in den Untergrund und maßen die Laufzeiten von Reflexionen an Grenzflächen der verschiedenen Erdschichten. Auf diese Weise erstellten wir ein strukturelles Abbild des Untergrunds und erkannten Strukturen von mehreren Dutzenden bis Hunderten von Metern Größe. Es erlaubte uns, gewissermaßen in Vulkane hineinzuschauen und so deren Aufbau zu erforschen.
Nach einem Monat kontinuierlicher Messungen kehrten wir mit einem großen Datenschatz zurück. Im Rahmen unserer Arbeit erstellten wir zusammen mit Daten früherer Expeditionen der Universität Hamburg Querschnittsbilder des Meeresbodens und der darunterliegenden geologischen Schichten. Gemeinsam mit einem internationalen Team konnten wir die ereignisreiche Entstehungsgeschichte des Vulkanfeldes von Santorini rekonstruieren – und machten eine Reihe überraschender Entdeckungen.
Der vollständige „KlarText“-Siegertext von Dr. Jonas Preine im Fachgebiet „Geowissenschaften" ist online verfügbar sowie im KlarText-Magazin, das auch als blätterbares PDF auf der Webseite abrufbar ist.
Zur Person
Dr. Jonas Preine hat am Fachbereich Erdsystemwissenschaften der Universität Hamburg bei Prof. Dr. Christian Hübscher promoviert. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit. Er hat bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten, etwa den Bernd Rendel-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft und den Günter-Bock-Preis der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft.
Der „KlarText-Preis“
Der „KlarText-Preis“ wird jährlich von der Klaus Tschira Stiftung in sieben Kategorien vergeben und ist mit 7.500 Euro dotiert. Bereits 2023 wurde mit Dr. Anna Katharina Miesner eine Wissenschaftlerin der Geowissenschaften der Uni Hamburg ausgezeichnet.