Ein Überblick über Science CitiesWo Städte auf Wissenschaft bauen

9. Januar 2024, von Claudia Sewig

Foto: WISTA.Plan GmbH/Dirk Laubner

Adlershof und sein prägnantes Denkmal: Der rund 20 Meter hohe Trudelturm ist ein technisches Baudenkmal aus der Luftfahrtforschung, das in den Jahren 1934–1936 errichtet wurde. Es steht neben einem gleichfalls denkmalgeschützten, rund 130 Meter langen Großen Windkanal aus den gleichen Jahren.

Foto: Technische Universität München

Eine Luftbild zeigt den Forschungsreaktor München, das sogenannte Atom-Ei, sowie seinen Nachfolger, die Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II, direkt verbunden mit dem Ei) auf dem Hochschul-Campus Garching bei München.

Foto: Fernando & Sergio Guerra

Das Learning-Center Lumen der Université Paris-Saclay (entworfen von den Architekten Emmanuelle und Laurent Beaudouin) wurde im September 2023 fertiggestellt.

Der Maersk-Tower in der Copenhagen Science City

Foto: Mikal Schlosser

Der 75 Meter hohe Mærsk-Turm ist eines der Wahrzeichen der Copenhagen Science City. Er gehört zur Fakultät für Gesundheit und Medizinische Wissenschaften der Universität Kopenhagen.

Foto: Cobe

Der Entwurf des Science Centers in Lund sieht vor, dass das Gebäude aus Holz gebaut wird. Die Arbeiten dafür sollen im März 2024 beginnen; eine Eröffnung ist für Mai 2026 geplant.

Im Januar 2019 stellten der Hamburger Senat, der Bezirk Altona, die Universität Hamburg und das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY gemeinsam den städtebaulichen Entwicklungsplan und die „Zukunftsvision 2040“ für die Science City Hamburg Bahrenfeld vor. Seitdem wächst Hamburgs Wissenschaftsstadtteil im Westen der Hansestadt. Vergleichbares haben auch andere Städte.

Oxford, Paris, München, Berlin, Lund oder Kopenhagen: Sie alle haben ausgewiesene Gebiete, wo sich Forschung und Gesellschaft auf besondere Weise verbinden, wo wissenschaftliche Einrichtungen, Start-ups und innovative Unternehmen angesiedelt sind, wo Raum zum Forschen, Arbeiten und Leben entstanden ist – oder noch entsteht. Ob Science City, Science Park, Science Village, Innovation Park, Wissenschafts- und Technologiepark oder schlicht Forschungscampus: Eine einheitliche Benennung gibt es dabei ebenso wenig wie ein einheitliches Konzept.

Wir stellen einige Standorte und ihre Schwerpunkte vor.

Berlin

Wo

„Adlershof – science at work“: So lautet der Slogan von „Deutschlands größtem und erfolgreichstem Wissenschafts- und Technologiepark sowie Berlins größtem Medienstandort“, wie sich Adlershof , im Südosten der Bundeshauptstadt selbst beschreibt. Im März 1991 beschloss der Berliner Senat, auf dem Gelände des ehemaligen ersten deutschen Motorflugplatzes im Bezirk Treptow-Köpenick, eine „integrierte Landschaft aus Wissenschaft und Wirtschaft“ zu errichten.

Wer

Auf dem 4,6 Quadratkilometer großen Gebiet sind heute 1270 Unternehmen und 17 wissenschaftliche Einrichtungen mit 28.000 Beschäftigten tätig. Hinzu kommen ca. 6.600 Studierende sowie rund 950 Auszubildende. Ende 2022 wohnten im Adlershofer Entwicklungsbereich rund 6.000 Menschen. Weitere Wohnungen sollen in den kommenden Jahren hinzukommen.

Was

Im Kerngebiet konzentrieren sich in Adlershof Unternehmen und außeruniversitären Forschungsinstitute auf die Technologiefelder Photonik und Optik, Photovoltaik und Erneuerbare Energien, Mikrosysteme und Materialien, Informationstechnik und Medien sowie Biotechnologie und Umwelt. 1997 beschloss die Humboldt-Universität zu Berlin (HU) den Umzug ihrer mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultäten nach Adlershof. 2003 war der Umzug abgeschlossen. Die HU ist seitdem mit sechs Instituten vertreten: Informatik, Mathematik, Chemie, Physik, Geografie und Psychologie.

Lund

Wo

Die jüngste der hier vorgestellten Science Cities ist das derzeit in der Entstehung befindliche Wissenschaftszentrum in Lund, in der südlichsten Region Schwedens. Seit 2019 arbeitet die Science Village Scandinavia AB an der Konzeption der Gebäude. Das Gebiet wird nach seiner Fertigstellung mehr als 450.000 Quadratmeter akademische, Labor- und Gewerbeflächen umfassen. Die Universität Lund plant eine große Campus-Erweiterung und ein neues NanoLab im Science Village. Die Universität Lund mit ihren 45.000 Studierenden hat bereits mit dem 2011 eröffneten Ideon Science Park viel Erfahrung in einem zusammenhängenden Wissenschafts- und Wirtschaftsgebiet gesammelt.

Wer

Der Vorstand der Universität Lund, die mit der Universität Hamburg eine strategische Partnerschaft pflegt, hat 2018 beschlossen, dass die Universität eine größere Präsenz im Science Village aufbauen soll. Der Prozess wird für die Universität von der Fakultät für Ingenieurwissenschaften (LTH) und der Fakultät für Naturwissenschaften geleitet. Das Gebiet soll zugleich von Studierenden, Forschenden, Mitarbeitenden, Konferenzgästen und Neugierigen besucht werden. Dafür wird der Bereich auch ein öffentliches Wissenschaftszentrum (Science Center), einen Konzertsaal und umfangreiche Konferenzkapazitäten umfassen.

Was

Im neuen Science Village entstehen zwei der weltweit führenden Forschungseinrichtungen für die Materialforschung und die Biowissenschaften – die Synchrotronstrahlungsanlage MAX IV und die Europäische Spallationsquelle (ESS), die leistungsstärkste Neutronenquelle der Welt, die bis Ende 2027 voll einsatzfähig sein soll. Im März 2024 soll mit dem Bau des Lund Science Centers begonnen werden; eine Eröffnung ist derzeit für Mai 2026 geplant. Die Planung und Umsetzung des öffentlichen Wissenschaftszentrums im Science Village wird von den Eigentümern – der Universität Lund, der Region Skåne und der Stadt Lund – gemeinsam betrieben. Die Science Village Hall (Eröffnung 2024) ist ein Konferenz- und Unterhaltungsort, der 1.000 Personen Platz bieten wird. Die Science Village Hall befindet sich in einem von zwei geplanten, prägnanten Gebäuden im Herzen des Science Village, in „The Loop“, in das Mieter 2024 einziehen sollen.

München

Wo

Im Norden von München liegt mit dem Forschungscampus Garching eines der größten Zentren für Wissenschaft, Forschung und Lehre in Deutschland. Das Hochschul- und Forschungszentrum ist ein Ortsteil der Stadt Garching.

Wer

Rund 20.000 Studierende und mehr als 7.500 Beschäftigte sind derzeit auf dem Forschungscampus Garching tätig. Das bekannte Wahrzeichen des Forschungscampus ist das „Atom-Ei“: Die erste kerntechnische Anlage Deutschlands, errichtet 1957 im Rahmen des von US-Präsident Eisenhower deklarierten Programms „Atoms for Peace", diente ausschließlich als Neutronenquelle für die Forschung und die Ausbildung junger Physikerinnen und Physiker und stellt die Wiege der Forschung mit Neutronen in Deutschland dar. Der Forschungsreaktor (FRM) war bis 2000 in Betrieb. Sein Nachfolger FRM II, die Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz, ging 2004 in Betrieb.

Was

In Garching sind naturwissenschaftliche und technische Forschungseinrichtungen konzentriert: Der größte Standort der Technischen Universität München (TUM), der Ludwig-Maximilians-Universität München, Institute der Max-Planck-Gesellschaft, der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, die Europäische Südsternwarte sowie zahlreiche weitere renommierte Institute und Unternehmen.

Oxford

Wo

Schon der Name klingt nach Wissenschaft: Oxford. Die Stadt an der Themse, 90 Kilometer nordwestlich von London, ist Sitz der alten und renommierten University of Oxford. Kein Wunder also, dass es hier gleich zwei Gebiete gibt, die die Wissenschaft im Namen tragen: Die Oxford University Science Area im Zentrum der Stadt, wo die meisten Fakultäten der University of Oxford untergebracht sind, und den Oxford Science Park am südlichen Stadtrand.

Wer

Der Oxford Science Park ist mehrheitlich im Besitz des Magdalen College Oxford, eines der älteren Colleges der University of Oxford, und befindet sich in strategischer Partnerschaft mit einer Tochtergesellschaft des globalen Investors GIC. Von Ausgründungen der Universität Oxford über Wachstumsunternehmen, die sich mit Stoffwechselkrankheiten befassen, bis hin zu Medizintechnikunternehmen und wichtigen Akteuren im Bereich der Pandemiebekämpfung gibt es hier ein breites wissenschaftliches Spektrum. Aber auch Unternehmen aus gänzlich anderen Branchen, wie etwa die Touristikwebsite TripAdviser, sind hier angesiedelt. Insgesamt mehr als 100 Unternehmen schätzen die Nähe zur Universität Oxford.

Was

Der Entwicklungsplan des Oxford Science Park sieht bis 2025 neue, hochmoderne Einrichtungen für Forschung und Entwicklung (F&E) mit einer Fläche von 625.000 Quadratmetern vor. Dazu gehört voraussichtlich auch ein eigener Bahnhof.

Paris

Wo

Paris-Saclay steht zum einen für die Université Paris-Saclay im Süden der französischen Hauptstadt. Und zum anderen für den Technologie- und Wissenschaftspark Paris-Saclay, von dem die Universität ein Teil ist. Beide an sich sind große Zusammenschlüsse wissenschaftlicher Einrichtungen.

Wer

Die Université Paris-Saclay entstand aus einer Vereinigung von französischen Universitäten, Grandes Écoles und nationalen Forschungseinrichtungen. Sie deckt die Bereiche Natur- und Ingenieurwissenschaften, Biowissenschaften und Gesundheit sowie Geistes- und Sozialwissenschaften ab und will Forschung und Innovation eng miteinander verzahnen.

Was

Seit 2008 soll dieses in noch größerem Maßstab geschehen, auf dem rund 20 Kilometer südwestlich von Paris entfernt liegende Plateau von Saclay. Inspiriert vom Erfolg des Silicon Valley besteht das wissenschaftliche und technologische Clusterprojekt, das sich derzeit im Aufbau befindet, aus den Komponenten Wissenschaft, Wirtschaft und regionale Planung. Auf dem sieben Kilometer langen und einen Kilometer breiten Gebiet sind bereits jetzt 60 Gewerbegebiete mit 71.000 Unternehmen und 428.000 Arbeitsplätzen aus den Bereichen Gesundheitswesen, Energiewende, Mobilität der Zukunft, digitale Technologien, Luft- und Raumfahrt, Cybersicherheit und Verteidigung, FoodTech und weiteren Bereichen angesiedelt. 65.000 Studierende und 826.000 Einwohner finden hier nicht nur 19 Universitäten und nationale Forschungszentren, 360 Forschungslabors und neun Grandes Ecoles (spezialisierte Hochschulen), sondern etwa auch 38 Theater und zwei Opernhäuser.

Kopenhagen

Wo

Ähnlich wie die Science City in Hamburg liegt auch die Copenhagen Science City sehr zentral im Zentrum der dänischen Hauptstadt. Die Kopenhagener Science City gruppiert sich um drei Einrichtungen für Bildung, Forschung und angewandte Wissenschaft: das University College Copenhagen, das Universitätskrankenhaus Kopenhagen und die Fakultäten für Naturwissenschaften und für Gesundheits- und Medizinwissenschaften der Universität Kopenhagen.

Wer

Copenhagen Science City ist eine Partnerschaft zwischen der Stadt Kopenhagen, der Hauptstadtregion Dänemark, dem University College Copenhagen, der Universität Kopenhagen, dem Rigshospitalet (Universitätsklinikum Kopenhagen), der dänischen Bau- und Immobilienbehörde, dem Copenhagen Bio Science Park, der Bürogemeinschaft Symbion und Novo Nordisk.

Was

Universität, Krankenhaus und University College investieren derzeit mehr als eine Milliarde Euro in neue Gebäude für Pflege, Bildung und Forschung. Aktuell sind hier bereits 40.000 Forschende, Studierende und Angestellte tätig. 500 Unternehmen, sechs Start-up-Gemeinschaften und acht Innovations-, Inkubations- und Beschleunigungsprogramme teilen sich 200.000 Quadratmeter Bürofläche.

Die Science City Hamburg Bahrenfeld

Direkt am Volkspark Altona gelegen, entsteht im Hamburger Westen auf 125 Hektar die Science City Hamburg Bahrenfeld. Bereits jetzt sind auf dem Forschungscampus neben der Universität Hamburg namhafte Einrichtungen wie das Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY), die European X-Ray Free-Electron Laser GmbH, das Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie oder das European Molecular Biology Laboratory vertreten. Zudem sind zwei der vier Exzellenzcluster der Universität hier ansässig: „CUI: Advanced Imaging of Matter“ und „Quantum Universe“.

Und das Gebiet wächst weiter: Bis 2040 sollen Forschung, Ausbildung und Unternehmen durch lebendige Wohnquartiere, Sport-, Freizeit- und Einkaufsmöglichkeiten ergänzt werden. Ein Autobahndeckel über der A7 und die Verlegung der Hamburger Trabrennbahn sollen den Bau von rund 3.000 neuen Wohnungen und zwei Schulen ermöglichen.

Verantwortlich für die Entwicklung des Geländes ist die Science City Hamburg Bahrenfeld GmbH. Sie betreibt ein Infocenter, das neben Informationen für Besucherinnen und Besucher auch geführte Spaziergänge über das Gelände anbietet. Mehr Informationen dazu und zur aktuellen Entwicklung der Science City Hamburg Bahrenfeld finden sich auf deren Homepage.

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Foto: UHH/Esfandiari

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