Forschungsreise ins MittelmeerDie schlafenden Vulkane der Ägäis
23. Januar 2023, von Christina Krätzig
Die griechische Inselgruppe Santorini besteht aus den Resten eines mächtigen Vulkans. Dessen Ausbruch vor 3600 Jahren leitete den Niedergang der minoischen Kultur auf Kreta ein. Wie sich der bis heute aktive Vulkan entwickelt hat und was wir aus seiner Geschichte lernen können, untersuchen die Geophysiker Jonas Preine und Prof. Dr. Christian Hübscher von der Universität Hamburg als Teilnehmer einer internationalen Expedition.
Die Pläne für die Forschungsreise klingen aufwendig – und sie sind es auch: Große Maschinen sollen Bohrkerne aus bis zu knapp tausend Metern unter dem Meeresboden hervorbringen, die an Bord des amerikanischen Forschungsschiffs „JOIDES Resolution“ gesichert, vermessen und untersucht werden. Insgesamt wird das Schiff für sechs Bohrungen stoppen, zweimal genau zwischen den Inseln des griechischen Archipels Santorini. Denn die beliebten Urlaubsinseln bilden die Reste eines noch heute aktiven Vulkans. Er liegt heute größtenteils unter dem Meeresspiegel verborgen, nur seine Ränder ragen teilweise aus dem Wasser.
„Im Krater eines aktiven Vulkans zu bohren, fühlt sich schon ein wenig seltsam an“, sagt der Geophysiker Jonas Preine. „Aus vorhergegangenen Untersuchungen wissen wir aber, dass die aktive Magmakammer unter Santorini in 3000 bis 4000 Meter Tiefe liegt. Wir werden hier nur in bis zu 400 Meter Tiefe bohren. Es besteht also kein Risiko für uns oder die Menschen, die auf den Inseln leben.“
Asche, Bimsstein und Lava geben Auskunft über die Vergangenheit des Vulkans – und ermöglichen Rückschlüsse auf seine Zukunft
Zusammen mit seinem Doktorvater Prof. Dr. Christian Hübscher ist Preine an Bord dafür zuständig, physikalische Parameter der Bohrkerne zu vermessen. Schon zuvor hat sich der Doktorand intensiv mit geophysikalischen Daten von dem Vulkanfeld um Santorini befasst: einer 60 Kilometer langen Kette, die aus über 20 Vulkanen besteht und zu größten Teilen unter Wasser liegt. Prof. Dr. Christian Hübscher arbeitet bereits seit 2006 zu den Vulkanen Griechenlands und ist einer der Co-Antragsteller der internationalen Expedition im Auftrag des internationalen Meeresforschungsprogramms „International Ocean Discovery Program“ (IODP).
In der Tiefe des ägäischen Meers hat sich Material von jedem Vulkanausbruch über Millionen von Jahren abgelagert: Asche beispielsweise, oder auch Bimsstein und Lava. „Die Sedimentbecken bilden somit ein natürliches Archiv für die Entwicklungsgeschichte der Vulkankette“, sagt Preine. Gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam untersuchen die Geophysiker der Universität Hamburg die gewonnenen Proben auf ihre Dichte, elektromagnetische Strahlung und Magnetisierbarkeit. Andere Forschende katalogisieren Zusammensetzung, Beschaffenheit, Farbe und Korngröße der Borhkerne, analysieren die chemische Zusammensetzung und die darin vorkommenden Fossilien. Insgesamt befinden sich rund 30 Forschende an Bord.
Ihre Untersuchungen sollen zum einen dazu beitragen, die Geschichte der griechischen Vulkane bis zu ihren Anfängen vor etwa drei Millionen Jahren zu rekonstruieren. Zum anderen sollen genauere Informationen über den letzten großen Ausbruch um 1600 v. Chr. gesammelt werden. „Es war einer der gewaltigsten Vulkanausbrüche des derzeitigen Erdzeitalters“, weiß Preine. „Er ließ riesige Tsunamis entstehen und Aschewolken, welche zu globalen Veränderungen des Klimas führten.“ Zerstört wurde nicht nur die minoische Siedlung auf Santorini, die einige für das reale Vorbild des sagenhaften, von dem griechischen Philosophen Platon beschriebenen Atlantis halten, sondern möglicherweise die gesamte Kultur der Minoer: die erste Hochkultur Europas.
Wie die damalige Eruption genau ablief, darüber weiß man heute wenig. Wie schnell ist der Vulkan kollabiert? Passierte das direkt während des Vulkanausbruchs oder erst später? Und wie waren die geologische Vorgeschichte und der Rhythmus der vulkanischen Aktivitäten in diesem Gebiet? „Indem wir solche Fragen erforschen, tragen wir dazu bei, dass wir marine Vulkane weltweit besser verstehen“, erklärt Preine. „Durch ihre Lage im und vor allem unter Wasser sind sie schwerer zu überwachen als Vulkane an Land. Um ihre Aktivitäten zuverlässiger vorhersagen zu können, müssen wir ihre Vergangenheit erforschen.“
Dass es erneut zu einem Ausbruch kommen könnte, ist wahrscheinlich
Zuletzt brach der Vulkan von Santorini 1950 aus. Bei der eher kleinen Eruption kann niemand zu Schaden. Anders als dreihundert Jahre zuvor: Damals kostete ein Ausbruch des sieben Kilometer nordöstlich direkt unter der Wasseroberfläche liegenden Vulkans Kolumbo 70 Menschen das Leben.
Die Auswertung der nun gewonnenen Bohrkerne wird noch Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte dauern. Die Forschenden arbeiten jedoch vorerst nur mit einem Teil des Materials. „Alle Kerne werden in Bremen eingelagert. Eine Hälfte jedes Kerns wird dabei von allen Teilnehmenden der Expedition für weitere Analysen beprobt, die andere Hälfte bleibt unberührt und steht als Archivhälfte künftigen Forschenden zur Verfügung. Schließlich ist es möglich, dass neue Analysetechniken in der Zukunft ganz neue Zugänge zu den Proben ermöglichen“, erklärt Jonas Preine. „Für diesen Fall sorgt das IOPD vor.“
Hier gibt es mehr Informationen zu der Expedition (englisch)