Uni-Präsident Hauke Heekeren und CSO Laura Marie Edinger-Schons im Interview zum Thema Nachhaltigkeit„Wir wollen Impulse aus der ganzen Uni aufnehmen“
5. Dezember 2022, von Jacinta Homans
Foto: Patrick Lux
Seit Dezember 2022 gibt es an der Universität Hamburg eine Chief Sustainability Officer (CSO): Laura Marie Edinger-Schons. Gemeinsam mit Hauke Heekeren spricht sie über die neugeschaffene Rolle, die ersten Maßnahmen und zentralen Herausforderungen.
Herr Heekeren, seit Beginn Ihrer Amtszeit als Präsident treiben Sie das Thema Nachhaltigkeit an der Uni voran, nun wurde Laura Marie Edinger-Schons zur Chief Sustainability Officer ernannt und als Professorin für Nachhaltigkeit berufen. Warum ist Ihnen das Thema Nachhaltigkeit so wichtig?
Heekeren: Als Menschheit stehen wir vor existenziellen Herausforderungen: Klimawandel, Artensterben, Ressourcenknappheit – um nur einige Beispiele zu nennen. Als Universität wollen und müssen wir uns diesen Herausforderungen auf jeder Ebene stellen, und zwar was die Forschung, die Lehre und die Verwaltung angeht. Ich bin überzeugt, dass wir die Pflicht haben, zur Lösung der Probleme beizutragen, und wir wollen das auch als gesamte Uni.
Frau Edinger-Schons, wie sind Sie als Wissenschaftlerin zum Thema Nachhaltigkeit gekommen?
Edinger-Schons: Ich habe mich als Wirtschaftswissenschaftlerin schon früh mit der Frage nach Unternehmensverantwortung beschäftigt. Die Augen geöffnet hat mir dann ein wissenschaftlicher Aufenthalt in Südostasien, wo ich mit den unmittelbaren Auswirkungen des Menschen im Ökosystem konfrontiert wurde, also zum Beispiel mit der Abholzung von Regenwäldern oder Plastikmüll im Meer. Sehr beeindruckt hat mich damals auch der Besuch einer Schwefelmine in Ost-Java. Die Empfehlung für Besucherinnen und Besucher war, sich dort nicht länger als 15 Minuten aufzuhalten. Dabei arbeiteten dort Menschen jeden Tag und verrichteten schwerste körperliche Arbeit, ohne jeden Schutz, in den höchst giftigen Dämpfen. Ich habe angefangen zu recherchieren: Welche Firmen beziehen hier ihre Rohstoffe, sind somit an der Ausbeutung von Mensch und Umwelt beteiligt? Und wie kann man Unternehmen dazu bringen, mehr Verantwortung dafür zu übernehmen? Diese Themen haben mich seitdem nicht mehr losgelassen.
Herr Heekeren, was kann denn eine Universität in Bezug auf Nachhaltigkeit leisten, vor allem was ihre Rolle in der Gesellschaft angeht und auch als wissenschaftliche Institution?
Heekeren: Wir haben eine Vorbildrolle und sehen uns als Flagship University, die vorangeht und in vielen Bereichen konkret ihren Beitrag leisten kann. Zum Beispiel bilden wir mit unserem breiten Fächerangebot und den Veranstaltungen mit Nachhaltigkeitsschwerpunkten Studierende intensiv aus, die sich dann beruflich und privat im Bereich Nachhaltigkeit engagieren. Außerdem stellen wir der Gesellschaft und der Politik die Ergebnisse unserer Forschung zur Verfügung und auch die Expertise unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Wir hoffen natürlich, dass sie Gehör finden. Wir werden aber auch als Uni selbst Schritt für Schritt nachhaltiger, haben hier ehrgeizige Ziele. Ich freue mich deshalb sehr, dass wir hierfür mit Frau Edinger-Schons eine ausgewiesene Expertin gewinnen konnten.
Frau Edinger-Schons, welche sind Ihre ersten Schritte an der UHH in Sachen Nachhaltigkeit?
Edinger-Schons: Ich möchte zunächst die Uni kennen lernen und Daten sammeln, um evidenzbasiert eine Strategie zu entwickeln. Wir werden dann analysieren: Welche sind die effektivsten Maßnahmen und wie priorisieren wir sie am besten? Die Verzahnung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit ist sehr wichtig. Das heißt: Wir brauchen ganz klar eine digitale Uni, um nachhaltig werden zu können. Die Basis ist eine Emissionsbilanz, aber es geht weit über das Klimathema hinaus. Wir können durch unsere Forschung, durch unsere Lehre und den Transfer ganz positive Wirkungen auf die nachhaltige Entwicklung haben. Insgesamt gilt: Wir wollen negative Auswirkungen unseres Daseins reduzieren und die positiven Auswirkungen unseres Handelns maximieren.
Herr Heekeren: Stichwort Partizipation – wie werden Sie die Menschen an der Universität einbinden?
Heekeren: Wir wollen Impulse aus der ganzen Uni aufnehmen. Ich habe in den vergangenen Monaten bei vielen Begegnungen die Erfahrung gemacht, dass es bei uns viele engagierte Menschen mit vielen Ideen gibt. Diese Akteurinnen und Akteure in Sachen Nachhaltigkeit möchten wir unterstützen. Und wir möchten diesen Ideenschatz, den es zweifellos gibt, heben und auch konstruktive Forderungen aufnehmen. Als konkretes Beispiel: Es wurde der Vorschlag gemacht, uns als fahrradfreundliche Uni zertifizieren zu lassen, für mehr Fahrradwege und mehr Fahrradparkplätze zu sorgen. Finde ich super, gehen wir an!
Edinger-Schons: Es wird Projekte geben mit ‚quick wins‘, also Veränderungen, die sich schnell umsetzen lassen und uns in Sachen Nachhaltigkeit weiterbringen. Und es wird Projekte geben, die längerfristig angelegt sind. Wir möchten bald in den Austausch und natürlich auch ins Handeln kommen, zum Beispiel mit Arbeitskreisen für alle Interessierten, die sich in bestimmten Projekten einbringen möchten. Es soll auch regelmäßig ein offenes Nachhaltigkeits-Plenum geben, für alle, die sich zum aktuellen Stand informieren möchten. Mir ist insgesamt wichtig, das Thema Nachhaltigkeit mit positiver Energie zu füllen, denn Nachhaltigkeit wird häufig nur mit Verzicht und negativ assoziiert, dabei können wir mit unserem Handeln viel Positives bewegen.
Es gibt jetzt nicht nur eine CSO, sondern auch ein Sustainability Office. Was sind die Aufgaben und Ziele?
Heekeren: Es wird zunächst darum gehen zu sichten, was schon da ist. In den vergangenen Jahren wurde schon viel vorgearbeitet zum Beispiel durch das Kompetenzzentrum nachhaltige Universität, durch die Klima AG oder die ‚AG Nachhaltigkeit in der Forschung‘. Vor allem auch der Klimaschutzbeauftragte hat sehr wichtige Vorarbeit geleistet. Nun geht es darum, die Stränge zusammenzuführen, zu koordinieren, sichtbar zu machen und dann natürlich noch mehr ins Handeln zu kommen! Auch viele Bereiche wie zum Beispiel das Exzellenzcluster CLICCS oder auch das CEN, das Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit, sind wichtige Partner in Forschung und Lehre für die CSO und das Sustainability Office. Hier stehen wir als Universität Hamburg auch in bester Tradition zu unserem Nobelpreisträger Prof. Klaus Hasselmann und seiner bahnbrechenden Forschung zum Klimawandel.
Edinger-Schons: Unsere Idee ist, mit unserem Office teilweise auf den Campus zu ziehen, sichtbar zu sein und innovative und natürlich möglichst nachhaltige Räume für Workshops, Ausstellungsflächen und auch Arbeitsplätze für das Team zu schaffen. Denkbar wäre auch eine Art klimaneutrales „Sustainability Village". Ich freue mich jedenfalls sehr auf die neue Aufgabe und auf die konstruktive Zusammenarbeit mit allen Bereichen der Uni, hoffe auf einen guten Austausch mit vielen innovativen Projekten.
Ein Fokusprojekt ist die Klimastrategie. Was ist hier geplant?
Edinger-Schons: Die AG Klima hat schon damit begonnen, eine Treibhausgasbilanz nach Greenhouse Gas Protocol erstellen und dort alle drei Scopes zu berücksichtigen. Hier werden wir ansetzen und versuchen eine solide Datengrundlage aufzubauen, auf Basis derer wir dann Emissions-Hotspots identifizieren und Maßnahmen priorisieren können. Die Sammlung der Daten ist häufig schon ein Aktivierungs- und Reflexionsprozess. Damit die Daten in der Zukunft so gut wie möglich zur Verfügung gestellt und integriert werden können, sind oft neue, digitale Prozesse notwendig. Bei der Umsetzung der Maßnahmen sind dann alle Mitglieder der Universität gefragt – denn das geht nur gemeinsam und wenn alle an einem Strang ziehen. Ich freue mich auf diese gemeinsame Arbeit!
Heekeren: Das Ziel ist, die Universität Hamburg auf dem Weg zur Klimaneutralität bestmöglich aufzustellen. Somit gehen wir auch als Hochschule neue Wege in und für die Zukunft.
Zur Person
Weitere Informationen zu Prof. Dr. Laura Marie Edinger-Schons sind auf den Seiten des Fachbereichs Sozialökonomie zu finden.