Europaweit einzigartigNeues Zentrum für antikes Recht an der Universität Hamburg gegründet
28. Oktober 2022, von Christina Krätzig
Am 28. Oktober 2022 ist das „Center for the Interdisciplinary Study of Ancient Law“ an der Juristischen Fakultät der Universität Hamburg gegründet worden. Forschende verschiedener Fachrichtungen wollen die römische, griechische und jüdische Rechtsprechung vergleichend und interdisziplinär unter die Lupe nehmen.
Die Beschäftigung mit dem römischen Rechtssystem ist an europäischen und nordeuropäischen juristischen Fakultäten nicht etwa ein exotisches Steckenpferd, sondern eine übliche Praxis. Denn: „Insbesondere das deutsche Privatrecht beruht bis heute auf dem in der Antike geschaffenen römischen Rechtssystem, das von Rom ausgehend im ganzen römischen Weltreich galt“, sagt Matthias Armgardt, Mitgründer des „Center for the Interdisciplinary Study of Ancient Law (CISAL)“ und einer von fünf Nucleus-Professorinnen und Professoren an der Universität Hamburg.
Gemeinsam mit den Althistorikern Prof. Dr. Werner Rieß, der unter anderem auf das Recht Athens in seinem soziokulturellen Umfeld spezialisiert ist, und Prof. Dr. Kaja Harter-Uibopuu, Expertin für antike Inschriften und das griechische und römische Recht in den Provinzen, hat Armgardt das CISAL gegründet. Er selbst bringt dabei eine eher ungewöhnliche Expertise mit: Er ist nicht nur Fachmann für römisches Recht, das entscheidend zu der Herausbildung des modernen europäischen Rechtsverständnisses beigetragen hat, sondern auch für antikes jüdisches Recht. In Deutschland gibt es kaum Forschende, die sich auf die jüdische Rechtsprechung spezialisiert haben – und europaweit noch keine Institution, welche die römischen, griechischen und jüdischen Rechtssysteme vergleichend erforscht.
Ähnliche Fragen, verschiedene Antworten
„Die Probleme, die beim Zusammenleben von Menschen entstehen, sind sich durch die Zeiten hindurch verblüffend ähnlich“, beschreibt Prof. Harter-Uibopuu ihr Interesse an antikem Recht. Neben Alter Geschichte hat die Co-Sprecherin des Hamburger Exzellenzclusters „Understanding Written Artefacts“ auch Jura studiert und vor ihrem Wechsel an die Universität Hamburg die Kommission für antike Rechtsgeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geleitet. „Man will beispielsweise wissen, was man tun kann, wenn man bei einem Geschäftsabschluss übers Ohr gehauen wurde, wie man seine Ehe beenden kann oder welche Nachkommen nach dem eigenen Ableben welchen Anteil am Besitz erben. Verschiedene Rechtssysteme geben unterschiedliche Antworten auf solche Problemstellungen – und das kann unsere heutige Sicht auf sie bereichern.“
Neben der gemeinsamen Arbeit an antiken Quellen planen die Forschenden auch gemeinsame Lehrveranstaltungen. Die für alle Interessierte geöffnete Ringvorlesung „Neue Forschungen zum antiken Recht“ hat bereits begonnen. Bis zum 24. Januar folgen zehn weitere Vorlesungen, beispielsweise zur Korruptionsbekämpfung in der athenischen Demokratie (am 29. November 2022) oder zum Vermächtnis der Römer für das Privatrecht Europas (am 24. Januar 2023).
Mittelfristig sind am CISAL zudem Einladungen von Gastprofessorinnen und Gastprofessoren geplant sowie die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus weiteren akademischen Fachrichtungen, beispielsweise mit Theologinnen, Orientalisten oder Philosophinnen. Zwei Experten für antikes chinesisches Recht haben sich bereits gemeldet.