Chemische HerkunftsanalyseDie Erdbeere im Profil
21. Juni 2022, von Anna Priebe
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Ist die Erdbeere vom Stand an der Ecke wirklich aus der Region? Doktorandinnen und Doktoranden der Hamburg School of Food Science am Fachbereich Chemie entwickeln momentan eine Methode, um das herauszufinden. Lina Cvancar und Felix Schmauder erklären im Interview, wie sie vorgehen.
Momentan findet man an vielen Stellen in der Stadt Erdbeerstände. Inwiefern ist das für Sie wissenschaftlich interessant?
Lina Cvancar: Uns interessiert die Herkunft der Erdbeeren. Viele Erdbeerstände und Supermärkte werben damit, dass es Erdbeeren aus der Region sind. Und wir wollen herausfinden, ob das stimmt. Denn die Produktion in Ländern wie Spanien und den Niederlanden beginnt früher als bei uns, das heißt, man könnte hier relativ früh mit ausländischer Ware seine eigenen Verkäufe steigern.
Felix Schmauder: Erdbeeren werden nun mal per Hand gepflückt, das geht nicht maschinell. Und in anderen Ländern sind die Lohnkosten oft geringer, wodurch es einen großen Preisunterschied zwischen deutscher und importierter Ware gibt. Wer also Erdbeeren aus dem Ausland hier als deutsche Früchte weiterverkauft, macht einen deutlich höheren Gewinn. Unsere Motivation ist es, solchen Betrug nachzuweisen.
Wie gehen Sie vor?
Cvancar: Zuerst einmal müssen wir Referenzproben sammeln, also Erdbeeren aus allen Regionen Deutschlands. Wir entnehmen sie so weit wie möglich selbst vor Ort, um sicherstellen zu können, dass die Probe echt, also authentisch ist. Mit den aus diesen Erdbeeren gewonnen Daten können wir Modelle erstellen, um sie mit anderen, unbekannten Proben zu vergleichen.
Von wie vielen Proben sprechen wir?
Schmauder: Die größten Anbauländer sind Niedersachen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg – und entsprechend gibt es da auch mehr Produzenten. Diese Woche war ich drei Tage in den ostdeutschen Bundesländern unterwegs und da fährt man von Hof zu Hof schon mal 70 Kilometer, da es einfach nicht so viele Erdbeerproduzenten gibt. Auch aus Hamburg bekommt man nicht mehr als fünf Proben, die stammen eher aus dem Umland. Wir haben vorab intensiv recherchiert, wo es Erdbeerhöfe gibt, und insgesamt werden wir am Ende um die 300 Proben haben, um Deutschland repräsentativ darzustellen.
Wie untersuchen Sie die Proben?
Cvancar: Wenn die Erdbeeren bei uns ankommen, müssen wir sie zerkleinern bzw. pürieren und dann das Wasser entziehen. Erst dann können wir verschiedene sogenannte massenspektrometrische Analysen durchführen, also Verfahren zur Bestimmung von Metaboliten und Elementen. Je nach Herkunft unterscheidet sich das Muster dieser Stoffe: Eine Erdbeere aus Rheinland-Pfalz hat zum Beispiel ein anderes Elementprofil als eine Erdbeere aus Mecklenburg-Vorpommern.
Was muss man sich unter Elementen und Metaboliten vorstellen?
Schmauder: Metabolite sind alle Moleküle, die aus Stoffwechselprozessen in der Zelle entstehen. Bei ihrer Entstehung spielen verschiedene Umweltfaktoren wie beispielsweise das Mikroklima des geografischen Raumes eine Rolle, also etwa die Niederschlagsmenge oder die Temperatur. Bei den Metaboliten interessieren wir uns zum Beispiel speziell für die vielen verschiedenen Fettsäuren.
Cvancar: Elemente sind quasi alle Stoffe des Periodensystems, die eine Erdbeere über den Boden aufnimmt, in dem sie wächst. Vor allem Kohlenstoff, Wasserstoff, Magnesium und Natrium. Aber auch Metalle wie Gold, Silber, Titan oder Kupfer.
In Erdbeeren ist Gold und Titan?
Cvancar: Im Grunde ist fast jedes Element in der Erdbeere enthalten.
Schmauder: Wir sprechen hier aber schon von der zehnten Stelle hinter dem Komma und dem Ultraspurenbereich. Das ist also nichts, was für den Verbraucher an sich relevant wäre, aber für unsere Analyse. Wir arbeiten mit einem ultrahochauflösenden Massenspektrometer. Das Gerät für die Metabolom-Analyse erfasst zum Beispiel mehrere tausend Inhaltsstoffe der Erdbeere und schlüsselt sie auf. Daraus können wir dann einen chemischen Fingerabdruck für jede Erdbeere erstellen. Mithilfe statistischer Programme, die extra dafür geschrieben werden, werden die Abdrücke ausgewertet und verglichen, um die Bestandteile zu finden, die sich regional unterscheiden. Dann erstellen wir spezifische Element- und Metabolit-Profile für jede Region.
Kann man Ihnen jetzt also eine Schale Erdbeeren ins Büro bringen?
Cvancar: Wir entwickeln die Methoden nicht, damit uns die Proben geschickt werden, sondern wir entwickeln sie für die Anwendung in der Praxis, zum Beispiel in der Industrie oder bei Untersuchungsämtern. Irgendwann werden Untersuchungsämter oder Betriebe sie anwenden, um ihre eigenen oder fremde Proben analysieren zu können. Dafür muss aber eben erstmal die Methode entwickelt werden, was durchaus bis zu drei Jahre dauern kann.
Schmauder: Erstmal muss man diesen riesigen Aufwand betreiben, mehrere Hundert Proben zu sammeln, um mit der sehr komplexen Massenspektrometrie alles aufzuschlüsseln. Aber wenn ich die Metabolite oder Elemente gefunden habe, die den Unterschied machen, dann kann man die Tests gezielter durchführen und die sind dann auch in kleineren Labors zu günstigeren Preisen möglich.
Nun ändern sich ja aber Boden, Umwelt und Wetter durchaus. Wie wird das berücksichtigt, um die Erdbeeren auch 2023 noch richtig zuordnen zu können?
Cvancar: Das bedeutet, dass wir nächstes Jahr wieder losmüssen, um an den gleichen Orten wieder Proben einzusammeln. Durch die erneute Analyse und den Vergleich können wir herausfinden, ob es einen Jahreseinfluss gibt, und ihn gegebenenfalls herausrechnen.
Promotionsprojekte
Insgesamt vier Promotionsstudierende aus den Arbeitsgruppen Prof. Dr. Markus Fischer und Prof. Dr. Stephan Seifert an der Hamburg School of Food Science der Universität Hamburg arbeiten im Rahmen ihrer Promotionen an der Entwicklung von Methoden zur Herkunftsbestimmung von Erdbeeren. Während Soeren Wenck im Bereich der Datenauswertung arbeitet, beschäftigt sich Lina Cvancar mit Verfahren für die Analyse der Elemente. Felix Schmauder und Johannes Brockelt arbeiten zu Metaboliten. Die massenspektrometrischen Methoden müssen dafür jeweils speziell angepasst werden, zudem geht es darum, die Standardverfahren schneller und effizienter zu machen. Die Ergebnisse werden nach Abschluss der Promotionen veröffentlicht und so der Praxis frei zugänglich gemacht.