Ein antiker Diskuswerfer, ein 200 Jahre alter Palmfarn und KrokodilmumienDas sind zehn der ältesten Sammlungsobjekte der Universität Hamburg
11. Mai 2022, von Anna Priebe
Foto: UHH
Interaktive Ausstellungen, innovative Einblicke, bleibende Erinnerungen: Am 15. Mai ist der internationale Museumstag. Auch die Universität Hamburg hat zahlreiche Sammlungen und Ausstellungen, die vor allem für die wissenschaftliche Arbeit genutzt werden. In dieser Bildergalerie zeigen wir zehn der ältesten Sammlungsstücke – von denen einige am Museumstag sogar vor Ort begutachtet werden können.
Zehn der ältesten Sammlungsstücke der Uni Hamburg
Foto: UHH/Esfandiari
Loki-Schmidt-Garten – Botanischer Garten der Universität Hamburg: Palmfarn „Encephalartos altensteinii“
Eigentlich stammt er aus Südafrika, doch seit den 1820er-Jahren steht er in Hamburg: der Palmfarn „Encephalartos altensteinii“. Er ist eine der ältesten Pflanzen im Loki-Schmidt-Garten, dem Botanischen Garten der Universität Hamburg, und wächst seit 1963 in den Tropengewächshäusern am Bahnhof Dammtor. Die Pflanze gehörte ursprünglich Professor Johann Georg Christian Lehmann, Gründer und bis 1860 Direktor des Botanischen Gartens. Er hatte zudem einen Lehrstuhl für systematische Botanik an der pharmazeutischen Lehranstalt in Hamburg inne. Speziell diese Pflanze verwendete er 1834, um die Palmfarnart „Encephalartos altensteinii“ erstmals zu beschreiben. Es handelt sich also um ein sogenanntes Typus-Exemplar. „Normalerweise haben Botanikerinnen und Botaniker heute nur noch getrocknetes oder eingelegtes Material von der Typus-Pflanze zur Verfügung“, erklärt Stefan Rust, der Kurator des Botanischen Gartens. Doch in diesem Fall kann auch 200 Jahre später die Typus-Pflanze begutachtet werden. „Das ist der Langlebigkeit der Pflanze, der guten Pflege und dem Engagement der Gärtnerinnen und Gärtner im Loki-Schmidt-Garten zu verdanken sowie dem Glück während der Kriege, in denen die Pflanze verschont blieb“, so Rust. Das sei sehr selten und ein großes Glück.
Foto: UHH/Karin Plessing/Reinhard Scheiblich
Hamburger Sternwarte: Beobachterstuhl des Äquatorials
Astronomische Forschung wird bereits seit den 1720er-Jahren in Hamburg betrieben, seit 1912 findet sie in der Sternwarte in Bergedorf statt. Sie gehört seit 1968 zur Universität Hamburg und ist bis heute ein Ort der Spitzenforschung. Doch die erhaltenen historischen Instrumente erlauben auch einen Einblick in die Wissenschaftsgeschichte. So zum Beispiel durch das Äquatorial aus dem Jahr 1867 und den dazugehörigen hier abgebildeten Beobachterstuhl, der in besonderer Weise die damaligen Arbeitsbedingungen der Observatoren veranschaulicht. Das Teleskop, das eine Brennweite von drei Metern hat, und der Stuhl stammen noch aus der alten Sternwarte am Millerntor und wurden 1909 in der Sternwarte in Bergedorf wiederaufgestellt. Der Stuhl ist mittels Seilzügen beweglich und ermöglichte dem Astronomen die bequeme Beobachtung mit dem Teleskop. Am Museumstag kann die Apparatur – wie an jedem Sonntag – ab 14 Uhr im Rahmen einer Führung durch die Hamburger Sternwarte besichtigt werden. Seit 1996 steht die gesamte Anlage der Hamburger Sternwarte übrigens unter Denkmalschutz, seit 2008 ist sie außerdem auf der Liste Nationaler Kulturdenkmäler gelistet. Aktuell läuft das Verfahren für die deutsche Auswahlliste um eine Bewerbung für die Auszeichnung als UNESCO-Weltkulturerbe.
Foto: UHH/Mediathek
Mediathek des Kunstgeschichtlichen Seminars: Glas-Dia und Foto aus den 1920er- Jahren
Ob Dias oder Fotos: Die mehr als eine Million Objekte in der Mediathek des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Hamburg stammen aus den Zeiten, als Reisen und farbige Bildbände noch nicht selbstverständlich waren und wichtige Motive nur durch diese Medien begutachtet werden konnten. Etwa das Glas-Dia mit der Inventarnummer „2“, das ein Altargemälde aus Venedig zeigt. „Wie im Bild links unten noch erkennbar ist, kostete das Lichtbild damals 1,20 Mark – eine hohe Summe für die Zeit zwischen 1900 und 1920“, erklärt Dr. Anke Napp, Leiterin der Mediathek. In die Sammlung gebracht wurde das Dia 1921 von Professor Erwin Panofsky, dem ersten Lehrstuhlinhaber für Kunstgeschichte an der Universität. Ebenfalls in den 1920er-Jahren kam eines der ältesten Foto-Objekte nach Hamburg: eine auf Pappe montierte Aufnahme des Westportals der ehemaligen Kathedrale von Saint-Trophime in Arles in Südfrankreich. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1888. Sowohl das Dia als auch das Foto sind digitalisiert und können in einer Datenbank recherchiert werden.
Foto: UHH/Karin Plessing/Reinhard Scheiblich
Universitätsmuseum: Porträt des Muhamed Nur
Als das Gemälde, das heute im Universitätsmuseum ausgestellt ist, im Archiv des „Hiob Ludolf Zentrum für Äthiopistik“ der Uni Hamburg aufgefunden wurde, hatte die Leinwand einen 19 Zentimeter langen Riss, Holz- und Keilrahmen waren beschädigt. Nach einer umfassenden Restaurierung erzählt das Bild nun wieder öffentlich von Muhamed Nur – auch wenn über ihn wenig bekannt ist. Er arbeitete vor etwas mehr als 100 Jahren als Sprachlektor an der Universität. Vermutlich 1892 im heutigen Somalia geboren, kam er zunächst als Lehrer für die Kinder einer Völkerschautruppe nach Deutschland. Im Ersten Weltkrieg wurde Nur im Zivilgefangenenlager Ruhleben bei Berlin interniert, wo Zivilisten aus den Länder festgehalten wurden, die gegen Deutschland kämpften. Dort traf Nur 1917 den Afrikanisten Carl Meinhof. Der Wissenschaftler machte im Lager Sprachaufnahmen mit Gefangenen aus afrikanischen Ländern. Meinhof stellte Nur als Sprachlektor an und nahm ihn 1919 mit an die neugegründete Universität Hamburg, wo Meinhof eine Professur für Afrikanische Sprachen antrat. Muhamed Nur war maßgeblich daran beteiligt, eine Grammatik des Somali zu erarbeiten, ohne dass er bei deren Veröffentlichung genannt wurde. Nach 1921 – dem Jahr, in dem das Gemälde entstand – verliert sich seine Spur. „Der strukturelle Rassismus unserer Gesellschaft sorgte dafür, dass wenig Spuren seines Lebens erhalten geblieben sind und macht es für uns auch heute noch schwer, eine Vorstellung von seinem Leben zu entwickeln“, sagt Lara Hemken, freie Kuratorin des Unimuseums.
Foto: Alexa Seewald
Computer-Museum der Hamburger Informatik: „Apple Lisa“
Fast 30.000 DM kostete dieser Computer im Jahr 1983. Sehr viel Geld für ein Gerät, das damals zwar schon sehr leistungsfähig war, aber nicht als Massenware bezeichnet werden konnte. Der „Apple Lisa“ war der erste Personal Computer mit grafischer Oberfläche und Maus, wurde aber nur ein Jahr lang produziert. Man kann ihn im Computer-Museum des Fachbereichs Informatik sehen und die gesamte Entwicklung der Informationstechnologie nachverfolgen – von den Anfängen der Hardware und Großrechner über Home- und Arbeitsplatzsysteme bis zu den kleinsten portablen Computern und Smartphones. Insgesamt umfasst die Sammlung mehr als 1.000 Geräte und Komponenten. „Ein besonderer Schwerpunkt liegt bei uns auch auf der Entwicklung von Interaktionstechniken wie Mäusen, Joysticks und anderen Eingabegeräten sowie Fragen der Usability, also der Gebrauchstauglichkeit“, erklärt Prof. Dr. Horst Oberquelle, der Kurator der Sammlung. Am Tag des Museums ist das Computer-Museum von 9.30 bis 13 Uhr für Besucherinnen und Besucher unter 3G-Bedingungen geöffnet. Um eine Anmeldung per E-Mail(horst.oberquelle"AT"uni-hamburg.de) wird gebeten.
Foto: Herbarium Hamburgense
Herbarium Hamburgense: „Rubia tenuifolia“
„Kretische Röte, kleinblättrig, strauchig werdend“ (lat. „Rubia cretica tenuifolia frutescens“) – so nannte der bedeutende Botaniker Joseph Pitton de Tournefort 1703 diese Pflanze, die er drei Jahre zuvor auf einer Orientreise im Auftrag von Ludwig XIV. von Frankreich bei einem Zwischenstopp auf Kreta sammelte, trocknete und in seine Sammlung aufnahm. Später wurde sie von Carl von Linné als „Rubia tenuifolia“ beschrieben, ihrem heutigen Namen. Der Beleg von Tournefort überdauerte die Zeit und kam vermutlich mit Teilen des Nachlasses des Forschungsreisenden Peter Simon Pallas (1741–1811) Anfang des 19. Jahrhunderts nach Altona – damals noch eine von Hamburg unabhängige Stadt. Dort wirkte der Apotheker Johann Jacob Meyer, der einige von Pallas‘ Pflanzenbögen erwarb und in seine umfangreiche botanische Sammlung mit Objekten unter anderem aus Australien, Südafrika und Venezuela aufnahm. Diese wiederum ging nach seinem Tod ans Museum Altona und dann ans Herbarium Hamburgense der Universität. „Pallas‘ markante Handschrift, mit der er seine wissenschaftliche Bearbeitung der Stücke dokumentierte, ist auf dem Material von Tournefort noch heute zu finden – genau wie die von Meyer ergänzte Etikette mit dem zu seiner Zeit gebräuchlichen Namen der Pflanze“, sagt Dr. Matthias Schultz, Wissenschaftlicher Leiter des Herbarium Hamburgense. Der Beleg ist einer von 1,8 Millionen im Herbarium, die die globale Pflanzenvielfalt der vergangenen 300 Jahre dokumentieren.
Foto: UHH, RRZ/MCC, Mentz
Gipsabguss-Sammlung: Statue „Antretender Diskobol
In der Antike war der Diskuswurf ein Teil des sogenannten Pentathlons, also des Fünfkampfs, der in der klassischen Zeit hoch angesehen war. Diese römische Statue eines „Antretenden Diskobol“ entstand vermutlich zur Zeit des Kaisers Augustus (63. v. Chr.–14. n. Chr.) als Kopie eines griechischen Bronzeoriginals, das auf ca. 400 v. Chr. datiert. Sie steht seit 1772 in den Vatikanischen Museen, doch um sie auch einem breiten Publikum im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts zugänglich zu machen, wurden Gips-Kopien erstellt – wie diese von 1852, die sich in der Gipsabguss-Sammlung der Universität Hamburg befindet. Sie ist eine von rund 180 Gipsabgüssen, die in der mehr als 170 Jahre umfassenden Geschichte der Sammlung zusammengekommen sind. Die Schwerpunkte der Sammlung liegen auf griechischen und hellenistischen Skulpturen sowie römischen Portraits. „Die Arbeit mit dreidimensionalen Objekten ist in Forschung und Lehre unersetzlich und die Gipsabgüsse sind eine bewährte Methode“, erklärt Prof. Dr. Fanny Opdenhoff vom Institut für Klassische Archäologie. Weitere antike Repliken des „Antretenden Diskobol“ gibt es unter anderem auch im British Museum in London und im Louvre in Paris.
Foto: UHH/Sukhina
Mineralogische Sammlung: Eisenmeteorit „Gibeon“
Rund 400 Kilogramm wiegt dieses Bruchstück des Eisenmeteorits „Gibeon“, der vor mehr als vier Milliarden Jahren entstand und in prähistorischer Zeit in die Erdatmosphäre eindrang. Dabei zerbrach er in Tausende Stücke, die in einem 185 mal 370 Kilometer großen Areal nahe der Stadt Gibeon in Namibia (Südwestafrika) niedergingen. Heute gilt das Feld, das 1836 entdeckt wurde, als das größte Meteoritenstreufeld weltweit. „Dieses Bruchstück, das sich seit 1908 in der Sammlung befindet, besteht aus einer natürlichen Eisen-Nickel-Legierung und hat seine dunkle Farbe beim feurigen Durchgang durch die Atmosphäre erhalten“, sagt Prof. Dr. Jochen Schlüter, der Kurator der Mineralogischen Sammlung. Der Meteorit ist in der öffentlichen Ausstellung des Mineralogischen Museums zu sehen, das seit dem vergangenen Jahr – wie das Zoologische Museum und das Geologisch-Paläontologische Museum – zum Hamburger Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels gehört. Die Mineralogische Sammlung, die insgesamt 90.000 Minerale, Edel- und Schmucksteine, Meteoriten, Erze und Gesteine umfasst, ist eine der größten Deutschlands und wird auch in der geowissenschaftlichen Ausbildung und Forschung an der Universität genutzt.
Foto: LIB/Kotthoff
Geologisch-Paläontologische Sammlung: Gebändertes Eisenerz
Dieses Stück gebändertes Eisenerz ist rund 1,88 Milliarden Jahre alt und stammt aus der sogenannten „Gunflint-Formation“. Diese ist am „Lake Superior“ im US-Bundesstaat Minnesota und im kanadischen Ontario zu finden. Es handelt sich um Sedimentgestein, in dem sich eisenreiche Lagen mit sogenannten silikatreichen Lagen abwechseln. „Gebänderte Eisenerze sind für die Geowissenschaften in mehrfacher Hinsicht spannend, denn sie belegen die Aktivität Photosynthese betreibender Organismen auf der Erde vor Milliarden Jahren sowie die Präsenz von Sauerstoff in der Atmosphäre“, erklärt Dr. Ulrich Kotthoff, Leiter der geologisch-paläontologischen Sammlung im Museum der Natur Hamburg. Zudem spielten sie eine wichtige Rolle als Lagerstätten von Fossilien. Die „Guntflint-Formation“ ist besonders interessant, da sie auch Auswurfmaterial eines Meteoriteneinschlages enthält. Damit steht der im Fokus der Forschung von Prof. Dr. Ulrich Riller, Professor an der Uni Hamburg: „Die Formation enthält eine zum Teil mehrere Dezimeter mächtige Lage aus nur Millimeter großen erstarrten Schmelzkügelchen des Sudbury-Meteoriteneinschlages vor 1,85 Milliarden Jahren. Solche Sammlungsstücke helfen uns bei der Rekonstruktion bedeutender geologischer Ereignisse.“
Foto: LIB/Bein
Zoologische Sammlungen: Mumifizierte Krokodilbabys
Auch wenn es von außen kaum zu erkennen ist: Unter diesen Binden sind rund 2.300 Jahre alte, mumifizierte Krokodilbabys verborgen. Sie wurden dem krokodilköpfigen ägyptischen Wasser- und Fruchtbarkeitsgott Sobek geweiht und einbalsamiert. Die rund 20 Zentimeter großen Mumien befinden sich heute in der Zoologischen Sammlung der Universität Hamburg und sind im Museum der Natur Hamburg des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels zu sehen. Neben den Krokodilen gibt es in der Sammlung auch mumifizierte Vögel, Hunde und Katzen, wobei sie nur einen verschwindend kleinen Teil der rund zehn Millionen Objekte ausmachen. Insgesamt bieten die Zoologischen Sammlungen einen Einblick in alle Tiergruppen von Spinnentieren und Insekten über Weichtiere und Vögel bis zu Säugetieren. „Wir haben zahlreiche Objekte, anhand derer eine Art beschrieben wurde – sogenannte Typusexemplare, und viele unserer Teilsammlungen sind die größten ihrer Art in Deutschland, etwa die Fischsammlung“, sagt Daniel Bein, der den Bereich „Wissenschaftliche Bildung“ leitet. Im geplanten neuen Naturkundemuseum in Hamburg sollen große Teile dieser Sammlungen dann auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Die wissenschaftlichen Sammlungen und Museen der Uni Hamburg
Alle Informationen zu den Beständen und Öffnungszeiten der Universitätsmuseen und des Museum der Natur Hamburg finden Sie auf der entsprechenden Übersichtsseite. Von hier geht es auch zum Rechercheportal „FUNDus!“, in dem viele Objekte digital angeschaut werden können.