110 Jahre Astronomie auf dem GojenbergWarum die Sternwarte in Bergedorf UNESCO-Welterbe werden soll
11. April 2022, von Christina Krätzig
Im vergangenen Jahr schlug die Hansestadt Hamburg die zur Universität Hamburg gehörende Sternwarte zum zweiten Mal als UNESCO-Weltkulturerbe vor. Warum das Observatorium unbedingt auf die Liste der deutschen Bewerber gehört, erklärt Sternwarten-Direktor Prof. Dr. Robi Banerjee.
Die 1912 eingeweihte Sternwarte ist heute ein verträumter Ort im Wald: Das Ensemble aus neobarocken Kuppelbauten liegt auf einem Bergrücken nördlich von Bergedorf, weit abseits von den Lichtern der Großstadt. Einst gehörte sie zu den bedeutendsten Observatorien Europas. Nun soll sie die weltweit achte Sternwarte der Neuzeit werden, welche die UNESCO, die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation, zum kulturellen Erbe der Menschheit kürt. Denn nirgendwo sonst, argumentieren Befürworterinnen und Befürworter dieser Idee, wird die Übergangszeit von der klassischen Astronomie zur modernen Astrophysik besser sichtbar als hier.
„An diesem Ort treffen sich Geschichte und heute noch gelebte Wissenschaft“, betont Sternwarten-Direktor Robi Banerjee, der die Bewerbung der Sternwarte als UNESCO-Kulturerbe seit Jahren unterstützt. „Es handelt sich zwar um historische Gebäude und Instrumente, doch viele Astrophysikerinnen und -physiker der Universität Hamburg arbeiten und forschen hier noch immer. Eine solche Kontinuität ist außergewöhnlich.“
Im heutigen Wissenschaftsbetrieb können Astronominnen und Astronomen von überall auf der Welt arbeiten. Sie brauchen nicht zwingend ein eigenes Observatorium, denn sie arbeiten oft mit Daten von Anlagen der Superlative, die ihre Forschungseinrichtungen nicht selbst betreiben. Stattdessen beteiligen sie sich an Forschungskooperationen, welche beispielsweise Daten des Weltraumteleskops Hubble nutzen, des Radioteleskops MeerKAT in Südafrika oder auch Messungen des größten je gebauten Radioteleskops LOFAR mit 11.000 Empfängerstationen in ganz Europa.
„Die Universität Hamburg ist ebenfalls an vielen solcher Kooperationen beteiligt“, erklärt Banerjee. „Man arbeitet mit fantastischer Technik, doch man bekommt stets nur ein winziges Zeitfenster für die eigene Fragestellung zugeteilt. Ist dann das Wetter schlecht oder andere Bedingungen stimmen nicht, hat man schnell schlechte Karten.“ Im eigenen Observatorium sei das anders, erklärt der Bergedorfer Forscher: „Unser Teleskop nutzen wir immer noch für die Erstellung von Zeitreihen und für andere Beobachtungen, die länger dauern. Zudem testen wir hier von uns entwickelte Instrumente, die später an anderen Einrichtungen eingesetzt werden sollen.“
Doch die Sternwarte ist noch viel mehr. Etwa 40.000 von Besucherinnen und Besucher begrüßt das Observatorium jährlich. Interessierte spazieren allein oder im Rahmen der wöchentlichen, geführten Rundgänge über das Gelände oder hören sich die öffentlichen Vorträge an. „Es besteht ein immenses Interesse“, betont Banerjee. Ihn selbst erfülle es mit Stolz, an einem solchen Ort arbeiten zu dürfen, sagt Banerjee. „Doch ich denke, die Geschichte eines solchen Ortes verpflichtet auch. Wir müssen ihn erhalten und dafür sorgen, dass er eine Zukunft hat – als Weltkulturerbe oder auch einfach als kulturelles Erbe der Stadt Hamburg.“
In einem ersten Schritt geht es nun darum, die Sternwarte auf die deutsche Auswahlliste, die sogenannte Tentativliste, zu bekommen. 2012 ist dieser Versuch gescheitert, nun hat die Stadt Hamburg bei der Begründung nachgebessert. 2023 wird die deutsche Kultusministerkonferenz erneut zehn Stätten auf die Liste aufnehmen – und die Hoffnung ist groß, dass die Sternwarte diesmal dabei sein wird. Wenn es gelingt, kann sie sich in den folgenden Jahren bei der UNESCO bewerben.
Hier finden Sie mehr Informationen zur UNESCO-Bewerbung der Sternwarte (PDF).